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MAGAZIN OPERNHAUS ZÜRICH

«LES INDES GALANTES» VON RAMEAU

DIE INTERPRETEN UND DIE OPER

Testo pubblicato per gentile concessione della
direzione della Dramaturgie che il curatore
di questa Web Site ringrazia di cuore.


© Opernhaus Zürich

Heinz Spoerli freut sich besonders, dass er sich mit «Les Indes galantes» erstmals der Herausforderung einer Operninszenierung stellen kann. Barockmusik, insbesondere jene von Johann Sebastian Bach und Antonio Vivaldi, hat er bereits häufig choreographiert. Vor allem Bach ist ihm sehr nahe, gerade in seinen herben, klaren, linearen Werken wie den «Goldberg-Variationen» oder den Suiten für Violoncello solo, die ihn zu dem Ballett «... und mied den Wind» inspiriert haben. Ganz anders Rameau und seine Musik. «Für unsere deutschschweizerischen Ohren», so Heinz Spoerli, «klingt er ganz anders, weit weg von dem deutschen Komponisten aus dem Norden und dem Italiener, südlich der Alpen - als käme er aus einer anderen Zeit und <fremden> Landen, fast so exotisch wie die Landstriche, die er sich zum Thema gemacht hat in seinen <Indes galantes>. Das galante Frankreich, der Charme, das Brio, und die rasche Geläufigkeit der französischen Sprache, das scheint für uns durch Rameaus Musik.

William Christie und Hans Schavernoch verkörpern für mich mit ihren jeweiligen künstlerischen Handschriften die beiden Gegenpole - der authentische Dirigent barocker Musik, der sie ungeheuer brillant, leuchtend zum Klingen bringt, und ihm gegenüber der ganz und gar klare, heutige Bühnenbildner, der Räume schafft aus neuen Materialien und architektonischen Konstruktionen. Der Tanz offenbart sich als ein Driften zwischen Ländern und Zeiten. Wurzelnd im Frankreich des späten 16. und 17. Jahrhunderts, schlägt das Ballett die Brücke zwischen damals und heute. Natürlich tanzen wir heute anders als 1661, als die Académie de la Danse gegründet und die ersten Schritte und Positionen festgelegt wurden, und auch anders als 1735, dem Jahr der Pariser Uraufführung von Rameaus <Indes galantes>. Meine Choreographie wird in ihrem tänzerischen Duktus weitgehend unhistorisch sein und all die Fertigkeiten nutzen, die sich das Ballett seit damals erworben hat, all die Virtuosität. Ästhetisch ist es heutig, historisch ist es per se, man muss nurdiefünf Grundpositionen anschauen - eine alte neue Kunst, das Ballett, und eine flüchtige gleichzeitig, ohne Schrift und Noten, wo nur das Heute gilt, der Augenblick der Kreation.»

William Christie hat mit seinem Ensemble «Les Arts Florissants» in den letzten Jahren viele der auch in Frankreich lange vernachlässigten Werke Rameaus auf die Bühnen der Opernhäuser und Konzertsäle gebracht, seien es die «petits ballets», die «tragedies» oder die «grands motets». Seine Begeisterung für den Komponisten hat schon Mitte der 60er Jahre begonnen, als ihn die bestürzende Schönheit einer Aufnahme von «Hippolyte et Aricie» mit Janet Baker als Phedre völlig in ihren Bann zog. Legendär sind Christies Aufführungen von «Les Indes galantes» beim Festival d'Aix-enProvence und im Pariser Palais Garnier. Dass sich bei der mittlerweile dritten von ihm dirigierten Inszenierung - und der Schweizerischen Erstaufführung - erstmals ein Choreograph vom Range Heinz Spoerlis dieser Opera-ballet annimmt, wird dem Charakter des Werks als «ballet héroïque» in besonderer Weise gerecht. Das Orchester «La Scintilla» ist William Christie bereits aus den Aufführungen von Glucks Orphée et Eurydice und «Iphigénie en Tauride» als ein Ensemble intelligenter und von Natur aus neugieriger Musiker in Erinnerung, dass sich mit unermüdlichem Enthusiasmus auf den Rameauschen Orchesterklang einlässt. Auch von den Sängern ist er begeistert.

Mit grossem Engagement erarbeiten sie sich einen für sie zum grossen Teil neuen Gesangsstil, der sich ganz von der Deklamation der französischen Sprache herleitet und zudem die Anregung bietet, technische und stilistische Prioritäten zu überdenken. Was die künstlerische Qualität der «Indes galantes» betrifft, so enthält dieses Werk vom Anfang der Opernkarriere Rameaus bereits all jene stilistischen Merkmale, die die Rameausche Handschrift unverwechselbar machen, und so stellt es William Christie mit Recht in eine Reihe mit «Castor et Pollux», «Hippolyte et Aricie» und«Les Boréades». Diese letzte «tragedie en musique», die Rameau als Achtzigjähriger komponierte und die zu Lebzeiten des Komponisten nie aufgeführt wurde, hat er am Pariser Palais Garnier soeben in einer überaus erfolgreichen Aufführungsserie dirigiert. Schon im September findet die «Passion Rameau» ihre Fortsetzung: mit «Les Indes galantes» in Paris und im kommenden Jahr mit «Les Paladins» am Theätre du Châtelet.

Hans Schavernoch hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Barockopern beschäftigt. So enstanden Bühnenbilder zu Werken von Händel, Lully und Gassmann, die an den Barocktheatern von Versailles und Schwetzingen sowie am Théâtre des Champs-Elysees und der Berliner Lindenoper gezeigt wurden. Wichtig ist ihm, nicht eine Rekonstruktion dessen zu geben, was Barocktheater gewesen sein mag, sondern eine Synthese von Heute und Damals zu schaffen.

Für die grosse Zahl an exotischen Kostümen zeichnet der spanische Kostümbildner Jordi Roig verantwortlich, der in Zürich bereits Heinz Spoerlis Ballett «Quintett» ausgestattet hat.

Isabel Rey, die in Zürich vor allem mit Mozart und Verdi zu hören war, hat in Händels Il Trionfo del Tempo eindrücklich unter Beweis gestellt, dass sie auch als Interpretin barocker Musik bestehen kann. Rameau lässt allerdings auf ganz andere Art singen: die Verzierungen formen die Charaktere, und so sind die Rollen von L'Amour, der Inkatochter Phani und der persischen Sklavin Fatime trotz ihres Miniaturcharakters anspruchsvolle Aufgaben.

Malin Hartelius verfügt bereits über einige Rameau-Erfahrung. Die Jugendgöttin Hebe und die Inka-Prinzessin Phani hat sie bereits in William Christies «Indes»-Aufführungen am Pariser Palais Garnier gesungen, Nun ergänzt sie ihr Rameau-Rollenverzeichnis durch die junge Indianerin Zima.

Liliana Nikiteanu, die ihre Erfahrungen mit französischer Musik vor allem in Opern von Massenet und Berlioz gesammelt hat, ist in den vergangenen Wochen bei der Einstudierung der Rolle der Fatime zu einer überzeugten «Ramistin» geworden und sieht mit Begeisterung, wie z.B. ein Vibrato und musikalische Farben auf ganz neue Weise eingesetzt werden können.

Juliette Galstian - sie singt die in der Türkei gefangene Emilie - hat ebenfalls schon mit William Christie zusammengearbeitet. So sang sie die Irene in Händels Oratorium «Theodora» und verkörperte die Titelrolle in Christoph Willibald Glucks «Iphigénie en Tauride» am Opernhaus Zürich.

In jener Produktion war auch Rodney Gilfry zu erleben, der sich nun gleich in drei Rollen - als Osman, Huascar und Adario -präsentieren wird. Mit den Arien aus «Les Indes galantes» hat ihn sein französischer Gesangslehrer vor Jahren bekannt gemacht. Sie jetzt mit William Christie neu zu erarbeiten, ist eine besonders spannende Erfahrung.

Gabriel Bermüdez, der die Rollen des Persers Ali und des Spaniers Don Alvar singen wird, hat Ende des vorigen Jahres eine ausgedehnte Europatournée unternommen, auf der William Christie sein dem Sängernachwuchs gewidmetes Projekt «Le jardin des voix» vorstellte.

Christoph Strehl, der erst vor wenigen Wochen als Tempo in Händels «Il Trionfo del Tempo e dei Disinganno» gefeiert wurde, erschliesst sich mit den Rollen des Valère und des Tacmas zwei weitere Partien des barocken Repertoires und verweist auf die besondere Kunst der Rezitativausarbeitung bei Rameau. Am Beginn der kommenden Spielzeit hat ihn William Christie ausserdem für die Wiederaufnahme der «Indes galantes» am Palais Garnier nach Paris eingeladen.

Reinaldo Macias, der den Spanier Don Carlos und den Franzosen Damon verkörpert, hat vor längerer Zeit in Rameaus «Hippolyte et Aricie» mitgewirkt, ist mittlerweile aber mehr im 19. Jahrhundert, z.B. bei Gounod und Massenet, zu Hause. Sich auf den für Rameau typischen Stil der Deklamation und die spezielle Technik der Verzierung einzulassen, ist eine besondere Herausforderung für ihn.

Reinhard Mayr singt den Bellone. Mit seinem Barockensembie «Amici musici» hat er bisher vor allem barocke deutsche, österreichische und italienische Kirchenmusik aufgeführt und freut sich sich nun über die französische Erweiterung dieses Horizonts.