|
HOME PAGE
________________________________________________________________________________________________________
|
|
|
|
|
|
KURT
WILHELM
RICHARD STRAUSS -
JOSEPHSLEGENDE
____________________________________________________________________________________________________
|
Noch eine Zwischenarbeit. Diaghilews russisches
Ballett war Sensation und Entzücken aller Ästheten Europas.
Neue Tanzformen zu moderner Musik - mit Hauskomponisten wie
Strawinsky und Prokofjew. Maler wie Bakst, Picasso, Chagall, Cocteau
schufen prachtvolle Ausstattungen - absolute, artifizielle
Modernität.
Zur Truppe gehörten: der legendäre
Nijinsky, die Karsavina, Ida Rubinstein, Leonid Massine, Marie
Kusnezoff und später die Pawlowa. Tänzer wie Michail Fokin,
George Balanchine und Serge Lifar schufen Choreographien, die siebzig
Jahre später noch getanzt werden. |
Die Ästheten Hofmannsthal und
Kessler schlossen sich fasziniert dein Freundeskreis an und schrieben
Strauss 1912 ein Libretto. Der, stets mit beiden Beinen auf der Erde,
schwärmte nicht, sondern quittierte trocken: «Joseph ist
ausgezeichnet, wird verschluckt. Habe schon zu skizzieren
angefangen.» Bald darauf: «[...] der keusche Joseph
selbst liegt mir nicht so recht und was mich mopst, dazu finde ich
schwer Musik. So ein Joseph, der Gott sucht - dazu muß ich mich
höllisch zwingen. Na, vielleicht liegt in irgendeiner
atavistischen Blinddarmecke noch eine fromme Melodie -
-.»
|
Humorlos, mit Engelszungen redend,
erklärte Hofmannsthal seitenlang josephs Charakter und seine
Funktion im Drama. Strauss greift wieder zum Skizzenbuch 19 mit den
früheren Einfällen und findet etwas, das er Tanzlegendchen
überschrieben hatte. Auch zahlreiche Einfälle zu einer
selbst erfundenen Pantomine Kythere, angeregt von
Gemälden Watteaus und Fragonards, bekommt Joseph zugeteilt. Er
plagte sich, verwarf und konzentrierte. «[...] eine große
und mühsame Arbeit.» Als sie getan war, standen die
Tänzer lind Choreograph Fokin etwas ratlos vor der
Riesenpartitur. An Strawinskys motorische Rhythmik und karge
Instrumentation gewohnt, sahen sie sich von Klangwogen
weggeschwemmt. |
Den Joseph sollte Nijinsky tanzen. 1913
warf Diaghilew ihn hinaus, weil er heimlich eine Frau geheiratet
hatte. Als daraufhin Fokin kündigte, drohte die Truppe zu
zerbrechen. Der kam aber nach einem Jahr wieder, und statt Nijinsky
förderte Diaghilew einen neuen jungen: Leonid Massine.
Nijinsky gründete in Amerika eine eigene Truppe
und tanzte später, wie berichtet wird, besonders originell und
meisterhaft den Eulenspiegel. Die Choreographie ist leider
verlorengegangen. |
Uraufführung 14.5.1914 in Paris. Ein
langer Abend. Zuerst 30 Minuten die instrumentierten Papillons
von Schumann, dirigiert von Pierre Monteux. Dann eine Stunde
Strauss-Uraufführung, unter seiner eigenen Leitung. Danach eine
Stunde Scheherazade unter Monteux. Der Erfolg soll rauschend
gewesen sein, zehn Vorhänge für Strauss und Hofmannsthal,
wohltuend untermischt mit Pfiffen. Gabriele d'Annunzio pfiff mit. Er
hatte Strauss in einem emphatischen Telegramm angeboten, ein Libretto
zu dichten, und eine höflich kühle Absage
bekommen. |
Beim Gastspiel in London, 1914, gab die
Karsawina die Rolle: «Nach der Probe kam Strauss in meine
Garderobe und schlug mir mit großem Ernst eine Änderung
vor, wobei er die Stelle sang, in die Ecke ging und mir die Passage,
quer durch den Raum bis zum Sofa hinüber, das den Joseph
vorstellen sollte, vortrampelte. Aber ich begriff, was er wollte, und
hab's wohl auch zu seiner Zufriedenheit gemacht.»
|
Der Weltkrieg hinderte die weitere
Verbreitung der Josephslegende. Erst in den Friedensjahren
hatte man wieder Ohren für die strahlend-hymnische Musik, die
grandiose Momente enthält, wie etwa in der Szene, da Joseph in
Schlaf sinkt. Kesslers Tagebuch, 4.2. 1921:
«Première unter Straussens Leitung
ungeheurer, fast unerhörter Erfolg. Der Saal ein wahres tout
Berlin; der Reichskanzler, Simons, Seeckt (General, Kommandeur des
Heeres), viele Minister, alle gesellschaftlichen,
künstlerischen, literarischen Spitzen. Albert Einstein usw. Der
Applaus am Schluß wollte nicht enden. Wir mußten immer
wieder heraus. Die Durieux über alles Lob
erhaben...» |
STRAWINSKY ÜBER STRAUSS
STRAUSS ÜBER STRAWINSKY
|
Ich würde gern alle
Strauss-Opern einem, gleichgültig welchem, Purgatorium
überlassen, das triumphierende Banalität bestraft. Ihre
musikalische Substanz ist billig und armselig, sie kann einen Musiker
heute nicht mehr interessieren. Ich kann die Quartsextakkorde nicht
ertragen; die Ariadne erweckt in mir den Wunsch zu
kreischen. |
Ich hatte Gelegenheit, ihn
bei Josephslegende aus der Nähe zu beobachten. Er wollte nie
deutsch mit mir sprechen, obwohl ich besser deutsch sprach als er
französisch. Er war sehr groß, kahl, energisch, Abbild des
bourgeois allemand. ich beobachtete ihn bei den Proben und bewunderte
die Art, wie er dirigierte. Jedoch war sein Verhalten dem Orchester
gegenüber weniger bewundernswert, und die Musiker verabscheuten
ihn aufrichtig. Aber jede seiner Korrekturen war exact. Seine Ohren
und seine Musikalität waren unbestechlich. |
Seine Musik erinnerte mich zu
dieser Zeit an Böcklin und Stuck und die 'deutschen grünen
Greuel'. Ich bin froh, daß die jungen Musiker von heute dazu
gekommen sind, das lyrische Talent des verachteten Komponisten
Strauss in seinen Liedern zu würdigen und herauszufinden, wer in
unserer Musik bedeutender ist als er: nämlich Mahler. Meine
geringe Achtung für die Opern von Strauss wird etwas
ausgeglichen durch die Bewunderung für Hofmannsthal. |
Damals, 1914 in Paris, zeigte Strawinsky
ihm Partituren. Strauss: «Gut und schön, aber warum komponieren Sie
so viele falsche Noten hinein? Das ist im Grunde doch alles auf
einfachen Dreiklängen aufgebaut.»
Dieses war der erste Streich. Dann soll Strauss einen Scherz
über Sacre du printemps gemacht haben: «Das ist eher ein Sakrileg du
printemps», der Strawinsky zu Ohren kam.
Auch daß Strauss 1923 bei der Gründung der
«Donaueschinger Musiktage» so sehr gefeiert wurde, hat
ihn geärgert. Und noch etwas: Strawinsky war dem Geldverdienen
so zugetan, wie es Strauss nachgesagt wurde. Nicht nur Arthur
Rubinstein hat in seinen Memoiren davon berichtet, es geht auch aus
Strawinskys Autobiographie hervor. Strauss verdiente wesentlich mehr.
Ob das nicht Strawinskys Urteil trübte? Die meisten Grossen
hielten ohnedies nicht viel von ihren Zeitgenossen. Warum sollte es
hier anders sein? |
Strauss über Strawinsky: «Wenn er für seine
Bemühungen Publikum findet - nur zu! Es ist sehr wahr, daß
Mathematik ein Grundelement der Musik ist - aber nicht das einzige.
Ebensowenig wie die Zeichnung das einzige Element der Malerei ist.
Aber schwätzen wir nicht über Theorie, das haben die
großen Meister der Vergangenheit auch nicht getan. Arbeiten wir
schweigend weiter.» |
|
|
|