Maria Stuarda |
Elisabetta: Carmen Oprisanu Chor des Opernhauses Zürich Lauter Gefangene Die
Aufführungsgeschichte von Gaetano Donizettis «Maria Stuarda» hat schlecht
begonnen: Kurz vor der Premiere in Neapel wurde das Königinnendrama von der
Zensur verboten. Ein neues Libretto mit neuer, in der italienischen Renaissance
angesiedelter Handlung musste verfasst und die Musik auf dieses übertragen
werden. Und als dann die ursprüngliche Stuart-Oper in einer dritten Fassung
1835 in Mailand zur Uraufführung kam, war die grosse Malibran, die die Titelpartie
sang, indisponiert. Dennoch hat sich das Werk schliesslich durchgesetzt und
- mit Unterbrechungen - bis heute im Repertoire gehalten. Marianne Zelger-Vogt Welche ist die wahre Königin? Von Thomas Meyer Edita Gruberova sang nicht Die
Oper «Maria Stuarda» - nach Schillers klassischem Drama - hat Donizetti mit
schönstem und reichstem Belcanto ausgestattet. So viel lyrischer Wohlklang
in Arien, Duetten, Terzetten (musikalischer Höhepunkt ist das wunderschöne
Sextett im 2. Akt), aber auch so viel Spannung (szenischer Höhepunkt wäre
die Begegnung der Maria Stuart mit ihrer Rivalin Elisabeth I. von England)
sind in knapp zweieinhalb Stunden Musiktheater selten zu erleben. HANS ULI VON ERLACH Zwei Königinnen, zwei Primadonnen HERBERT BÜTTIKER Ein königlicher Mord im Mohnfeld Kein Starvehikel MARIANNE KOLLER Ein unerhörter sängerischer Triumph Hingebungsvolle Sängerinnen an der Premiere von Donizettis «Maria Stuarda» am Zürcher Opernhaus Donizettis
«Maria Stuarda» konnte sich nie richtig durchsetzen. In der Aufführung am
Zürcher Opernhaus wurde der Abschluss der Tudor-Trilogie aber zum sängerischen
Triumph. Sibylle Ehrismann Rampensingen mit Niveau Edita
Gruberova, die Primadonna assoluta des Koloratursoprangesangs, mag nicht
mehr am Opernhaus Zürich singen. Auf Handzetteln liess sie die Premierenbesucher
wissen, dass sie «alle Projekte am Opernhaus Zürich unwiderruflich abgesagt»
habe. Ihre Absage für die Titelrolle in Gaetano Donizettis historischer Tragödie
«Maria Stuarda» vor zehn Tagen erreichte das Opernhaus ebenso überraschend
wie ihre zahlreichen Fans, die jeweils von weit her pilgerten, um sie in
Zürich zu hören. Umjubelte «Maria Stuarda» Nach
einer turbulenten Vorgeschichte fand am Samstag in Zürich die erfolgreiche
Premiere von Gaetano Donizettis «Maria Stuarda» statt. sda "Beim
Unfall meiner Tochter im März 2001 am Opernhaus Zürich handelt es sich um
einen Sturz in 2-3 Meter Tiefe auf Beton, aus einer fahrenden und ungesicherten(!)
Bodenversenkung. Die Folge waren Verletzungen verschiedenster Art und ein
schwerer Schock, den meine Tochter mit fortgesetzter Arbeit als Choreographin
zu überwinden versuchte. Da Ausmaß und Folge dieser Katastrophe zu diesem
Zeitpunkt noch nicht abzusehen war, habe auch ich aus Pflichtbewußtsein noch
zwei weitere Produktionen absolviert. Im September 2001 verschlechterte sich
der Zustand meiner Tochter derart, daß sie sich gezwungen sah, jegliche Arbeit
niederzulegen. Sie leidet heute an Spätfolgen (Unfalltrauma und starke körperliche
Schmerzen), ist zu 100% arbeitsunfähig und auf 46 kg abgemagert! Für mich
als MUTTER ist dies ein wohl jedermann verständiger Grund, endlich(!) die
Konsequenz zu ziehen, und auf weitere Tätigkeiten am Opernhaus Zürich zu
verzichten. Es sei erwähnt, daß eine Kollegin noch heute an den Spätfolgen
eines Feuerunfalls zu leiden hat und auch ich selbst vor nicht allzu langer
Zeit beinahe Unfallopfer auf Grund eines mangelhaft gesicherten Stufengeländers
geworden wäre!" Quelle: www.gruberova.com
Weitere Besprechungen
7. 12. 2002
(Première)
*
Musikalische Leitung: Marcello Viotti
Inszenierung: Gian-Carlo del Monaco / Grischa Asagaroff
Bühnenbild: Mark Väisänen
Kostüme: Maria-Luise Walek
Lichtgestaltung: Hans-Rudolf Kunz
Chor: Jürg Hämmerli
Maria Stuarda: Angeles Blancas
Leicester: Fabio Sartori
Talbot: László Polgár
Cecil: Carlos Chausson
Anna Kennedy: Melinda Parsons
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Orchester der Oper Zürich
9 .12. 2002
Donizettis «Maria Stuarda» im Zürcher Opernhaus
Auch die Zürcher Neuinszenierung ist zustande gekommen, obwohl
die Probenzeit unter einem schlechten Stern stand (NZZ 28. 11. 02): Der Regisseur
Gian-Carlo del Monaco fiel aus, weil er sich einer Operation unterziehen
musste, kurz darauf erfolgte die Absage von Edita Gruberova, auf die nicht
nur «Maria Stuarda», sondern der ganze, 1996/97 mit «Roberto Devereux» begonnene
und 1999/2000 mit «Anna Bolena» fortgeführte Zyklus von Donizettis Tudor-Opern
ausgerichtet war. Risiko des Starbetriebs, dem das Opernhaus seine Attraktivität
und sein gutes wirtschaftliches Betriebsergebnis zu grossen Teilen verdankt.
Grischa Asagaroff, der sich bereit fand, del Monacos Konzept zu
realisieren, hat keine dankbare Aufgabe übernommen. Vorgegeben war Mark Väisänens
Bühne, jener düstere, kerkerartige Einheitsraum, der die Königinnen in allen
drei Stücken als Gefangene ihres Herrscheramtes erscheinen lässt und den
Darstellerinnen und Darstellern wenig Aktionsraum bietet, obwohl der Chor
in Wandnischen placiert ist und nur sängerisch, mit klanglich differenzierten
Kommentaren, in das Geschehen eingreift. Die Schauplätze werden lediglich
durch wechselnde Versatzstücke charakterisiert: durch den mächtigen Thron
Elisabeths, das Bett, auf dem sie Marias Todesurteil unterzeichnet, ein Gitter
und ein blühendes Mohnfeld im Park von Schloss Fotheringhay, wo die zentrale
Begegnung der schottischen und der englischen Königin stattfindet, Ketten,
Kreuz und Richtblock in der Beicht- und Abschiedsszene Marias. Der Schwarz-Rot-Kontrast
von Maria Luise Waleks historisierenden Kostümen und lodernde Flammen setzen
dramatische Akzente, während die Spielführung selbst weitgehend statisch
bleibt. Del Monacos Hang zu theatralischer Verdeutlichung schlägt auch diesmal
durch und treibt in der Schlussszene eine absonderliche Blüte: Obwohl dieses
Bild Maria gehört und sie, das Opfer, zur moralischen Siegerin macht, lässt
die Regie hier auch Elisabeth auftreten, als stumme, starre Zuschauerin auf
dem Thron.
Doch mit dem Anspruch auf ambitioniertes Musiktheater wird man
dieser Produktion nicht gerecht, hier ist Oper als Manifestation virtuoser
Gesangskunst angesagt, wenn auch ohne Primadonna. Die junge spanische Sopranistin
Ángeles Blancas, die nach Edita Gruberovas Absage kurzfristig für die Titelrolle
verpflichtet wurde, hat das Premierenpublikum mit ihrem kultivierten Gesang
und ihrer subtilen Darstellung zusehends für sich gewonnen. Ihre Stimme ist
hell und schlank, im Timbre etwas kühl, in der Ausdrucksskala noch beschränkt;
ihre weit gespannten Legato-Kantilenen bezaubern bei aller Kunstfertigkeit
durch frische Natürlichkeit. Und als Figur steht Ángeles Blancas' zarte,
majestätische Maria in spannungsvollem Kontrast zu Carmen Oprisanus leidenschaftlich
impulsiver Elisabetta. Warm und glanzvoll klingt deren Mezzosopran, doch
in den deklamatorisch bewegten Passagen oft auch etwas flackrig, und die
Linienführung wünschte man sich klarer, präziser.
Doch musikalische Präzision ist generell nicht das Kennzeichen
dieser Aufführung. Marcello Viotti erweist sich zwar wiederum als feinhöriger
und agiler Begleiter, gibt aber dem Orchester wenig Entfaltungsraum, so dass
sich immer wieder Konzentrationsmängel bemerkbar machen. Wenig zu sagen haben
in dieser Oper die Männer. Roberto Leicester, der Mann zwischen den zwei
um ihn und um die Macht rivalisierenden Königinnen, der mit seinem Eintreten
für Maria das Todesurteil der eifersüchtigen Elisabeth recht eigentlich provoziert,
ergeht sich in leeren Versprechungen, die Fabio Sartori allerdings mit üppigem
tenoralem Schmelz ausstattet. László Polgár plädiert als Talbot mit seinem
edlen Bass beredt für Gnade, während Carlos Chausson als Cecil beharrlich
Marias Hinrichtung verlangt. - Zu frenetischem Jubel wie nach «Roberto Devereux»
und «Anna Bolena» ist es bei dieser Premiere nicht gekommen. Lag es allein
am Fehlen Edita Gruberovas und an der allzu schematischen Aufführung? Oder
ist vielleicht auch das Gefälle zwischen Schillers Drama und Donizettis konventionell
gebauter Opernversion zu gross?
9. 12. 2002
Eine
Frage beschäftigte die Opernfans am Samstag bei der Zürcher Neuinszenierung
von Donizettis « Maria Stuarda» vor allem: Wie fimnktioniert das Stück ohne
den Star? Es funktioniert durchaus.
Ein Stein schien ihr vom Herzen zu fallen, als sie schliesslich
als Letzte allein vors kräftig applaudierende Publikum trat. Die Anspannung
muss gross gewesen sein für die junge spanische Sopranistin AngeIes Blancas.
Immerhin war sie für eine Edita Gruberova eingesprungen, die das neu inszenierte
Werk ursprünglich prägen sollte und die am Samstag in einer Mitteilung ihre
Absicht bekräftigte, nie merh in Zürich aufzutreten. Nicht wenige im Publikum
werden den »Ersatz« deshalb doppelt kritisch angehört haben. Der Applaus
rauschte zwar nicht wirklich auf (das tat er überhaupt nie an diesem Abend),
war aber weitaus mehr als wohlwollend und für Angeles Blancas am stärksten.
Von dieser Sängerin wird man noch mehr hören wollen - und durchaus nicht
nur von Gaetano Donizetti, sondern auch von Verdi
Durch ihre Person gabs gewiss auch eine Umwertung des Stücks -
nicht unbedingt zu dessen Ungunsten. Mit der Gruberova nämlich hätte man
diese »Maria Stuarda« ohne Zweifel auf die Titelfigur zugeschnitten, was
dem Abend den Glanz des Startums verliehen hätte. So jedoch wurde klarer
auf ein Drama hin fokussiert, in dem verschiedene Personen Gewicht bekommen.
Gaetano Donizettis lyrische Tragödie »Maria Stuarda« (nach Friedrich Schiller)
aus dem Jahre 1835 ist keine reine Belcanto-Oper mehr, sondern weist bereits
auf Verdi voraus. Sie zeigt heftige innere und äussere Konflikte.
Stärke in der Dramatik
Das
eben wird deutlich in der Titelfigur und ihrer Darstellerin. Angeles Blancas
ist keine Koloratursopranistin. Sie wartet nicht mit vielen Fiorituren und
Spitzentönchen auf und gerät gar nicht in Versuchung, solche Kunststücke
auf Brillanz hin zu forcieren. Ihre Stärke liegt im Dramatischen, und mit
ihrem noch fast jugendlich schlanken Sopran entwickelt sie ein starkes und
ernsthaftes Ausdrucksvermögen. Das überzeugt, gerade etwa wenn sie sich in
der direkten Konfrontation mit ihrer Konkurrentin Eisabetta von der sich
demütig gebenden zur beschimpfenden Frau wandelt oder wenn sie im Gefängnis
voller Stolz gegen ihre Rivalin grollt. Stimmlich wie darstellerisch dominiert
sie gegenüber der verhalteneren Elisabetta von Carmen Oprisanu, die hier
ihre erste grosse Rolle in einer Zürcher Neuinszenierung singt. Ihre Rolle
ist auch weitaus diffiziler. Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten fühlt sie
sich differenziert in die gebrochene Figur hinein, sie weiss sich aber noch
nicht voll zu steigern. Vokal hingegen der Hahn im Korb ist Graf Leicester,
der von Elisabetta heimlich geliebt wird, sich aber zu Maria hingezogen fühlt.
Fabio Sartori, erstmals in Zürich, ist ein für Donizetti genügend leichter
Tenor mit einer Strahlkraft, die seine Unbeholfenheit wettmacht. Daneben
sind besonders Carlos Chausson als dunkler Hardliner Cecil sowie László Polgár
(blasser als gewohnt) als Maria-Vertrauter Talbot und schliesslich Melinda
Parsons (vom Internationalen Opernstudio) in der Nebenrolle der Zofe Anna
zu hören.
Eingebettet ist das in einen Orchesterklang,
den Dirigent Marcello Viotti profiliert führt und dennoch auf die Sänger
zuschneidet, das heisst, er unterstützt mii Agilität und leichtem Brio, forciert
aber nicht. Dennoch möchte man einmal den Versuch erleben, dass sich ein
Dirigent mit der frühen romantischen italienischen Oper so auseinander setzen
möge, wie es`Nikolaus Harnoncourt oder John Eliot Gardiner mit deren Zeitgenossen
Weber, Berlioz, Mendelssohn oder Schumann getan haben. Wahrscheinlich schlummern
da noch weitere Tiefendimensionen.
Klang hinter Masken
Einzig
der Chor wirkte etwas verloren an diesem Abend. Er fiel kaum auf und konnte
sich selbst bei seinem grossen Einsatz zu Beginn des letzten Bilds nicht
angemessen in Szene setzen. Die klangliche Geschlossenheit litt unter den
anonymisierenden Masken, die man den Sängern verpasste, sowie an der statischen
räumlichen Aufstellung rings ums Handlungsgeschehen. Der Chor wurde buchstäblich
an den Rand gedrängt im Raum des Bühnenbildners Mark Väisänen, der hier jene
Konzeption weiterverfolgt, die er bereits in den ersten beiden Teilen der
Tudor-Trilogie (Donizettis »Roberto Devereux« und »Anna Bolena«) entwickelt
hat.
Die Weite dieses Burginnenhofs erlaubt
Bewegungsfreiheit und deutet doch auch die gefängnisartige Verbunkerung an;
denn beide Königinnen sind eigentlich Gefangene. Für die Inszenierung ergibt
sich hiermit ein Spielfeld, das die Darsteller kaum zu Unverständlichkeiten
zwingt.
Konzipiert wurde die Regie von Gian Carlo del Monaco, der sich
aber bei Probenbeginn einer schweren Operation unterzieher musste. So übernahm
der Künstlerische Betriebsdirektor und Hausregisseur Grischa Asagaroff die
Umsetzung. Er kennt das Werk, denn er hat »Maria Stuarda« bereits vor achtzehn
Jahren in Zürich imzeniert.
Das Ganze wirkt vergleichsweise konventionell und tut den Melomanen
gewiss nicht weh, setzt aber klare Farbakzente (Kostüme: Maria-Luise Walek)
undd lässt den Sängern Platz zum Singen - zum Charakterisieren nutzen ihn
vor allem die Frauen. Die Personenführung ist weitgehend zuverlässig gemacht,
ohne Auffälligkeiten. Allerdings gelingt es Asagaroff nicht, die Personenkonstellation
in der Schlussszene zu verdichten. Die letzten Minuten vor Marias Gang zum
Schafott wirken noch unfertig uad kaum stringent. Und so konnte sich in diesem
entscheidenden Moment auch Angeles Blancas nicht voll durchsetzen. Gut möglich,
dass sie sich, nachdem die erste grosse Anstrengung hinter ihr liegt, noch
freier entfaltet und ihre Stimme weiter an Flexibilität gewinnt. Dann könnte
diese Maria Stuarda ihr gehören.
9. 12. 2002
Die Donizetti-Premiere «Maria Stuarda» im Opernhaus war eine Nervenprobe für die Beteiligten
Die Spannung bei der neusten Produktion des Opernhauses fand vor
allem vor der Premiere statt. Zunächst musste Regisseur Gian-Carlo del Monaco
wegen einer schweren Operation absagen. Dann, bedeutend kurzfristiger, gab
Edita Gruberova ihrem Stammhaus einen Korb und annullierte die Titelrolle.
(In einem vor der Premiere aufliegenden Flugblatt informierte der Fanklub
von Edita Gruberova über die Gründe von deren Absage. Demnach habe die Sopranistin
ihre Mitwirkung bei «Maria Stuarda» «sowie allen künftigen Projekten am Opernhaus
Zürich unwiderruflich abgesagt». In einem von ihr selbst unterzeichneten
Text gibt die Sängerin als Grund gravierende Sicherheitsmängel im Theater
an.)
Doch ausser einem schlechten Stern hatte die Premiere zwei Schutzengel.
Grischa Asagaroff übernahm die Regie nach del Monacos Konzept. Es setzt die
früheren Inszenierungen von Donizettis Trilogie, «Roberto Devereux» und «Anna
Bolena», in gleichem Einheitsbühnenbild fort. Und die junge Spanierin Angeles
Blancas ersetzte mutig die Belcanto-Königin Gruberova als Titelheldin. Der
Premiere war die vorangegangene, hausinterne Zerreissprobe anzumerken. Etwa
die relative Spannungslosigkeit der ersten zwei Akte. Besonders auffällig
war dies bei der erwähnten Begegnung der beiden Königinnen. Sie wurde nicht
zum sonst Üblichen, spannungsgeladenen Schlagabtausch zwischen zwei Rivalinnen
respektive zwei Primadonnen. Angeles Blancas versuchte richtigerweise während
keiner Sekunde, die Gruberova zu kopieren. Sie erarbeitete ihre eigenständige
Rolle: eine forsche, jugendliche, stolze und etwas herbe Stuarda. Mit viel
persönlichem Timbre in der Mittellage, aber spürbarer Nervosität in den Höhen
rettete sie sich in den letzten Akt. Hier, im Angesicht des Schafotts, berührte
die Sängerin dann stimmlich und darstellerisch stark und gewann schliesslich
das begeisterte Publikum. Carmen Oprisanus Bild der Elisabeth geriet zunächst
unerwartet mild. Mit ihrer schön geführten, warmen Mezzostimme wird sie nur
einem Teil des Charakters der machtbewussten Regentin gerecht, und man wünschte
sich mehr Facetten, hin zu auch harten, kalten Tönen. Mit glanzvollem, Raum
füllendem Belcanto-Tenor, wenn auch im Ausdruck nicht sehr variierend und
physisch ziemlich statisch, stand Fabio Sartori zwischen den Königinnen:
Er war stimmlich das präsenteste Erlebnis.
Mit charaktervollem Bariton und Spiel war Carlos Chausson ein
glaubhaft intriganter Lord Cecil. László Polgár mit gewohnt schön gesungenem,
getragenem Bass gestaltete hingegen einen unkämpferischen, etwas hilflosen
Lord Talbot. Die Premiere war gerettet. Das Potenzial an Stimmen und Darstellung
ist vorhanden, damit alles besser werden wird, wenn sich die Aufregungen
gelegt haben.
9. 12. 2002
Die Rivalität zweier Königinnen ist Thema von Donizettis «Maria
Stuarda». Im Opernhaus gaben sich am Schluss vor dem Vorhang zwei junge Sängerinnen
Küsschen und freuten sich gemeinsam über ihren Erfolg.
Das ist nicht selbstverständlich. In einer Probe vor der Uraufführung
in Neapel, 1834, gerieten sich die beiden Darstellerinnen wirklich in die
Haare. Allerdings war es dann die Zensur, die weitere Königinnenkämpfe auf
der Bühne verhinderte. Die Oper konnte nur in einer Bearbeitung als «Buondelmonte»
mit der Rivalität zweier florentinischer Damen aufgeführt werden. Ein Jahr
später an der Scala gab es wieder Komplikationen in der Besetzung. Die Interpretin,
die neben der berühmten Maria Malibran die Elisabetta hätte singen sollen,
gab die Rolle zurück, die ihr mit nur einem Terzett im Schlussakt zu unvorteilhaft
ausgestattet schien. Die Premiere musste verschoben werden.
Tatsächlich ist die Dramaturgie der «Maria Stuarda» speziell.
Der erste Akt gehört mit einer grossen Auftrittsszene ganz der Königin Elisabeth,
die sich so als Primadonna einführt. Im dritten dominiert dann aber, zumal
mit der Finalszene, entschieden Maria, und im zweiten (in der Urfassung die
zweite Hälfte des ersten) Aktes, in dem es zur berühmten – von Schiller bekanntlich
erfundenen – Konfrontation der Königinnen kommt, hat Maria nicht nur ihren
ersten, lyrisch breit angelegten Auftritt, sondern im dramatischen Dialog
auch den moralischen Sieg der Erniedrigten, wenn sie ihrer Gegnerin ihre
Abkunft aus einer für ungültig erklärten Ehe (Heinrichs VIII. und Anna Boleyns)
vorwerfen und ein «Vil bastarda» entgegenschleudern kann. Zweifellos ist
diese Szene, von Donizetti mit grandiosem Sinn für dramatische Wirkung komponiert,
ein Höhepunkt des italienischen Musiktheaters, aber diese Oper ist auch insgesamt,
in der strengen Konsequenz, mit der die musikalischen Nummern der dramaturgischen
Logik folgen, wie in der Fülle starker Musik, ein Meisterwerk. Es fügt sich
auch bestens in eine Donizetti-Reihe, die vom Opernhaus Zürich als Einheit
betrachtet wird und, nachdem «Anna Bolena» und «Roberto Devereux» bereits
im Repertoire sind, als «Tudor-Trilogie» auch en suite vorgestellt werden
soll (unberücksichtigt bleibt die vierte bzw. die erste Oper Donizettis zum
selben Stoffkreis: «Il Castello di Kenilworth» von 1829).
Absagen und neue Chancen
In Frage gestellt ist mittlerweile die Absicht, die Einheit der
Trias auch personell zu betonen, weil das Opernhaus im Vorfeld dieser Premiere
zwei Absagen erhielt. Dem Unternehmen schaden sie jedoch nicht. Die Absage
Edita Gruberovas (aus familiären Gründen, heisst es in der Verlautbarung
des Opernhauses; ein Zerwürfnis, meinen die Gerüchte) bedeutet auch das Ende
einer Primadonnen-Fixierung, über das nicht alle unglücklich sind, und bedeutet
neue Chancen. Die Absage des Regisseurs Gian-Carlo del Monaco (aus gesundheitlichen
Gründen) ändert insofern wenig, als das Konzept schon mit «Anna Bolena» festgelegt
wurde und die Details des Einheitsbühnenbildes und die Kostüme vom selben
Team (Mark Väisänen und Maria-Luise Walek) betreut wurden.
Auch hat Grischa Asagaroff als Einspringer auf der opulenten,
in der einfachen Symbolik der Farben (Rot und Schwarz) und Requisiten (Thron
und Richtblock) etwas plakativ ästhetisierenden Bühne den Figuren in einer
prägnanten und von Extratouren freien Personenführung zu einer eindringlichen
musikalisch-schauspielerischen Darstellung verholfen. Klares Profil erhalten
auch die Nebenpartien: Melinda Parsons als Marias Vertraute unauffällige
Präsenz, Carlos Chausson als Elisabeths finsterer Einflüsterer Lord Cecil
die eifernde Aufdringlichkeit, László Polgár als Graf Talbot, Cecils Gegenspieler
und Freund Marias, die ruhige Ausstrahlung warmherziger Anteilnahme.
Zwei Frauen und ein Mann
Eigengewicht erhalten die politischen Exponenten indessen nur
bedingt, wie das politische Parkett des Historiendramas insgesamt nur andeutungsweise
bespielt wird. Denn im Zentrum steht der erotische Konflikt, die Rivalität
der beiden Frauen um die Gunst eines Mannes. Dieser spielt dabei eine durchaus
passive Rolle in seiner Zuneigung zu Maria, und es bleibt ihm sogar verborgen,
dass er es ist, der die eifersüchtige Elisabetta dazu treibt, das Todesurteil
zu unterzeichnen. Entsprechend ist auch seine Partie angelegt. In Duettszenen
mit Talbot, Elisabeth und Maria bekennt er die Leidenschaft und am Ende die
Verzweiflung: Fabio Sartoris Tenor verfügt dafür über viel höhensichere Emphase,
im Gleichklang des Sentiments aber auch wenig Nuancierung.
Virtuosität und Leidenschaft
Zuletzt konzentriert sich aber die Aufmerksamkeit ohnehin auf
die beiden Protagonistinnen, die mit ähnlichen Anforderungen gegeneinander
antreten: mit einer in der lyrischen Kantilene auch mezzosopranistische Fülle
ansprechenden Sopranpartie Maria, mit einer in der Dramatik in sopranistische
Höhen getriebenen Mezzosopranpartie Elisabetta. In der Zürcher Besetzung
kontrastieren die beiden Stimmen deutlich. Carmen Oprisanu bringt für die
Elisabetta eine bewegliche, über die ganze Skala kernig-ausgeglichene Stimme
ins Spiel, die den virtuosen Aspekten wie dem dramatischen Gewicht der Figur
ideal entspricht und die in private Leidenschaft verstrickte Regentin zwischen
Herrscherallüre und entgleitender Selbstkontrolle glaubhaft macht: ein Rollendebüt,
das kaum Wünsche offen lässt – ausser dem nach einer nicht bloss stummen
Präsenz im Hintergrund der Finalszene.
Höhen und Grenzen
Diese
Szene gehört – welch eine musikalische Palette zwischen quälender Erinnerung,
Resignation und religiöser Sammlung – ganz der jungen Spanierin Angeles Blancas,
die hier ein beindruckendes, wenn auch nicht in jeder Hinsicht restlos gelöstes
Rollendebüt auch beeindruckend zu Ende führte, schön in der Schlichtheit
ruhiger Phrasen, in der Intensität der Spannungsbogen, und packend in der
schauspielerischen Präsenz. Dass die immensen Anforderungen auch Ermüdungen
mit sich brachte, war aber auch spürbar: Nicht ganz kontrolliert und gelöst
im Larghetto, gelang die Wendung ins Maggiore; dem Maestoso-Teil fehlte einiger
Schwung, und vielen hohen Tönen war das Aufgebot letzter Energien anzuhören.
Nein, schlagzeilenträchtige Erwartungen (die Einspringerin als neuer Weltstar)
erfüllten sich da nicht, aber für die Aufführung blieben bei weitem genug
bewegend erfüllte Momente in der Gesamtheit einer grossen Ensembleleistung.
Für diese wichtig waren auch die Beiträge des (akustisch nicht
optimal postierten) Chors und des Orchesters, das, von einigen Unaufmerksamkeiten
abgesehen, viel hervorragende, dramatisch sprechende und kolorierende Begleitarbeit
zeigte. Marcello Viottis Dirigat kostete die belcantistische Seite von Donizettis
Musik flüssiger Eleganz klangschön und formbewusst aus und sorgte eher für
Ausgleich als dramatische Überhitzung. Vor dem Vorhang herrschte am Ende,
wie erwähnt, pure Eintracht.
9. 12. 2002
Premiere von Gaetano Donizettis «Maria Stuarda» im Opernhaus Zürich
Der
Regisseur erkrankt, die Titelfigur abgesprungen - die Vorzeichen standen
schlecht für «Maria Stuarda». Umso erfreulicher, dass unter derart widrigen
Umständen eine Leistung zustande kam, die an der Premiere mit viel Applaus
bedacht wurde.
Mit «Maria Stuarda» ergänzt das Opernhaus Zürich den noch fehlenden
Mittelteil von Gaetano Donizettis Tudor-Trilogie, bestehend aus «Anna Bolena»,
«Maria Stuarda» und «Roberto Devereux». Für alle drei Teile war als Regisseur
Gian Carlo del Monaco vorgesehen, der sich jedoch kurz vor dem «Stuarda»-Probenbeginn
einer Operation unterziehen musste. So fiel Hausregisseur Grischa Asagaroff
die etwas undankbare Aufgabe zu, dessen Intentionen im für alle drei Teile
vorgegebenen Einheitsbühnenbild umzusetzen.
Alte Bekannte lassen grüssen
So grüssen der kompakte, verliesartige Bühnenraum mit in die Wände
eingelassenen auf- und zufahrbaren Nischen für den maskierten Chor und das
Prinzip der für die jeweilige Situation charakteristischen Dekorationsversatzstücke
als alte Bekannte. In «Maria Stuarda» kommen Elisabeths Thron, ihr Zepter,
ihre Krone und ihr Bett, Blumen, Gefängnisketten, ein Kreuz und ein Richtblock
zum Zuge.
Das Kernstück der Oper bildet das in der Realität nie zustande
gekommene Zusammentreffen von Maria Stuart, Königin von Schottland, und Elisabeth
I., Königin von England, in Fotheringhay, dem nicht ganz freiwilligen Aufenthaltsort
von Maria. Diese war zu ihrer Cousine geflüchtet, welche sie aus politischen
Überlegungen jahrzehntelang einkerkerte und schliesslich enthaupten liess.
In Donizettis Version, die auf Friedrich Schillers Drama «Maria
Stuart» beruht, treten der politische und religiöse Machtkampf in den Hintergrund
zugunsten der Macht der Gefühle von Liebe, Hass und Eifersucht. Diese kulminieren
in der Begegnung der beiden Königinnen im zweiten Akt, in dieser Inszenierung
angesiedelt in einem blühenden Mohnfeld (Bühnenbild Mark Väisänen).
In die Haare geraten
Donizetti legt das Aufeinandertreffen als eine Art Countdown der
Primadonnen an, beginnend mit einem Sextett, aus dem sich die beiden Protagonistinnen
herausschälen, um sich in das Duett-Duell hineinzusteigern. In diesem Wettkampf
verliert die tendenziell kühlere Elisabeth vollständig die Fassung. Bei den
Proben zur Uraufführung 1834 soll sich gar eine derart heftige Rauferei zwischen
den Primadonnen zugetragen haben, dass Elisabeth ohnmächtig und mit einigen
Haaren weniger auf dem Kopf abtransportiert werden musste.
Elisabeths Ausbruch wird mitverursacht durch den Tenorhelden Leicester,
der blind ist für Elisabeths Begehren und ihr wahrhaft in den höchsten Tönen
von Maria schwärmt. Seine Liebe zu Maria und Marias Beschimpfung von Elisabeth
als Bastard (von Heinrich VIII. und Anna Boleyn) besiegeln das Schicksal
der Schottin. Elisabeth beschliesst ihre Enthauptung. Sichtbar gemacht und
vorweggenommen durch einen kräftigen Schlag von Elisabeth mit der Reitpeitsche
auf eine Mohnblume.
In dieser Schlüsselszene, in der alle Beteiligten versammelt sind,
werden zudem sämtliche Beziehungen sichtbar: Pro Maria sind Leicester, Talbot
(Laszlo Polgar) und die Kammerzofe Anna (Melinda Parsons), kontra Maria sind
Elisabeth und ihr Berater Cecil (Carlos Chausson).
Ein neues Gesicht
Anstelle der offiziell aus familiären Gründen absagenden Edita
Gruberova singt die junge Spanierin Angeles Blancas die Titelrolle und präsentiert
sich mit diesem Rollendebüt erstmals in Zürich. Blancas meistert die anforderungsreiche
Partie mit ihrem kräftigen Sopran sowohl in den herrisch auftrumpfenden Momenten
als auch in den melancholisch entrückten eindrücklich. Carmen Oprisanu als
Elisabeth ist ihr eine gleichwertige Partnerin, auch wenn ihre Kälte und
Verbitterung mehr in ihrem Mienenspiel als in ihrem Mezzosopran zum Ausdruck
kommen.
Durch die Wahl der beiden jungen Sängerinnen umging man die Gefahr,
dass das Stück lediglich ein Starvehikel wurde. Auch die Liebesgeschichte
erscheint glaubhafter. Schade nur, dass Fabio Sartori als Leicester die Lautstärke
seines höhensicheren, mit Schmelz ausgestatteten Tenors nicht etwas zurückdreht,
wozu er durchaus fähig wäre. Dazu müsste ihn Marcello Viotti, der bereits
«Roberto Devereux» souverän dirigiert hatte, ermuntern. Denn dadurch ergäbe
sich ein noch stimmigerer Gesamteindruck.
9. 12. 2002
Alexander Pereira war im Vorfeld dieser Premiere
nicht zu beneiden. Mit der «Maria Stuarda» sollte am Opernhaus Zürich die
Tudor-Trilogie von Donizetti abgeschlossen werden, nach «Roberto Devereux»
und «Anna Bolena».
Doch kurz vor Probebeginn musste Regisseur Gian-Carlo del Monaco
wegen einer schweren Operation absagen. Und gleich darauf teilte «Primadonna»
Edita Gruberova mit, dass sie wegen eines Krankheitsfalles in der Familie
die Titelpartie nicht singen werde.
Das war die Chance der mit viel Vorschusslorbeeren angekündigten
jungen spanischen Belcanto-Sängerin Angeles Blancas, während sich Grischa
Asagaroff bereit erklärte, die Regie nach dem Konzept von del Monaco zu übernehmen.
Marcello Viotti, neuerdings Chefdirigent am Theater in Venedig, hatte die
musikalische Leitung inne. Trotz allem war die Premiere vom Samstag, dies
sei vorweggenommen, ein sängerischer Triumph.
Die «Maria Stuarda» von Donizetti konnte sich nie richtig durchsetzen
und ging im 19. Jahrhundert fast ganz vergessen. Dies mag auch mit dem etwas
gar eindimensionalen Libretto zusammenhängen. Der junge Librettist Giuseppe
Bardari hat zwar auf Schillers Drama zurückgegriffen, sorgte mit seiner Beschränkung
auf die Hauptpersonen aber für eine ausgesprochene Statik.
Einheitskonzept mit symbolträchtigen Versatzstücken
Donizetti seinerseits wies jeder Königin einen Akt zu: Elisabetta
den ersten, Maria den dritten, und der mittlere Akt bringt die verhängnisvolle
Begegnung der beiden Kontrahentinnen. Alle anderen Figuren jedoch haben kaum
mehr dramaturgische Substanz - ausser vielleicht Graf Leicester, der Liebhaber
Marias, in den auch die eifersüchtige Elisabetta verliebt ist.
Für die Tudor-Trilogie hat Gian-Carlo del Monaco ein Einheitskonzept
erarbeitet. Das Bühnenbild von Mark Väisänen - ein metallener Einheitsgrundbau
mit auffahrbaren, logenartigen Nischen für den Chor - bleibt bestehen. Dazu
kommen in der «Maria Stuarda» wenige, aber symbolträchtige Dekorationsversatzstücke:
der riesige Thron von Elisabetta, daneben Krone und Zepter, die Mohnblumen
im Park, ein grosses Bett Elisabeths, das Gefängnis Marias mit Ketten, und
im Schlussbild der Richtblock. Rot und Schwarz sind die vieldeutig eingesetzten
Grundfarben, auch in den Gewändern der Protagonistinnen.
Diese komprimierte Einheitlichkeit im Bühnenbild kommt den einfach
und klar zugeschnittenen Situationsbildern dieser Oper entgegen. In den üppigen
historischen Kostümen von Maria-Luise Walek ist ja auch nicht viel Bewegung
möglich. Dass zudem aber der Chor szenisch nicht auftritt, sondern hinter
Gesichtsmasken verborgen in den Logennischen reglos verharrt und nur musikalisch
wirkt, nimmt dem Werk noch die letzte szenische Dynamik und «öffentliche»
Dimension.
Anspruchsvolle Monsterpartien der beiden Sängerinnen
In diesem grossen «Kammerspiel» gewinnt das mimisch-gestische
Spiel der Sängerinnen und Sänger stark an Bedeutung. Unerhört, was die beiden
Heldinnen in dieser gestalterischen Hinsicht an den Tag legten. Die beiden
anspruchsvollen Monsterpartien - Elisabetta und Maria sind wechselweise fast
ununterbrochen präsent und singen über weite Strecken im Alleingang - wurden
mit grossartiger stimmlicher und szenischer Präsenz gemeistert.
Die rumänische Mezzosopranistin Carmen Oprisanu hat die Partie
der Elisabetta mit Marcello Viotti bereits konzertant erarbeitet. Das kam
ihr jetzt, in der szenischen Umsetzung, sehr entgegen. Mit einer technischen
Souveränität ohnegleichen entlockte sie dieser eher hoch gesetzten Mezzopartie
eine Vielfarbigkeit und Wärme, die dieser strengen Herrscherin einen menschlichen
Touch verlieh.
Ohne zu übertreiben wechselte Oprisanu zwischen Staatsraison und
Gefühl, zwischen erhabener Belcanto-Strahlkraft und lyrischer Substanz. Dabei
gelang es ihr, mit subtiler, viel sagender Gestik, den sehr natürlich wirkenden
Ausdruck differenziert zu unterstreichen.
Angeles Blancas Stimme gewann stetig an Kontur
Gespannt erwartete man danach den Auftritt von Angeles Blancas
zu Beginn des zweiten Akts. Maria Stuarda stellt sich lyrisch verhalten vor
- eine Seltenheit im Belcanto. Angeles Blancas wirkte anfangs noch etwas
breit in der Stimmgebung, ja fast schleppend. Doch mit zunehmender Dramatik
gewann sie auch an Kontur und Substanz. Bei aller Jugendlichkeit, die sie
für diese anspruchsvolle Partie körperlich und stimmlich mitbrachte, setzte
sie sich damit gut von der Elisabetta ab.
Mit lichter Eleganz träumte sie im Mohnfeld von ihrer glücklichen
Jugend in Frankreich. Grossartig dann ihr Aufbäumen nach den Demütigungen
durch Elisabetta, mit dem sie ihr Todesurteil selber mitverschuldet. Und
dann die düstere Kerkerszene, unendlich in der Phrasierung, ein In-sich-Kehren
mit stimmlicher Beweglichkeit. Angeles Blancas schaffte diese Stimmungswechsel
mit Hingabe und beeindruckender künstlerischer Reife - sie wurde dafür vom
Premierenpublikum mit stürmischem Applaus gefeiert.
Dirigent hielt die Spannkraft mit Leidenschaft für Belcanto
Doch auch die männlichen Protagonisten wussten zu überzeugen.
Allen voran der heldische Tenor Fabio Sartori als Roberto, der bei aller
heldischen Strahlkraft seiner Stimme auch innigen Schmelz vermittelte. Lászlê
Polgár gab mit beeindruckender Bühnenpräsenz einen hintergründigen Talbot,
während sich Carlos Chausson als Cecil mit baritonalem Glanz behauptete.
Und nicht zuletzt wusste Melinda Parsons in der kleinen Rolle
von Marias Vertrauten mit ihrer dunkel timbrierten Sopranstimme einen charakteristischen
Farbtupfer zu setzen. In Marcello Viotti hatten alle Sänger einen agilen,
subtil auf sie reagierenden Dirigenten. Er dramatisierte nicht unnötig, sondern
hielt das Orchester geschickt zurück. Trotzdem hielt er die Spannkraft mit
federndem Rhythmus und einer spürbaren Leidenschaft für den Belcanto.
9. 12. 2002
Aufführung des letzten Teils von Donizettis Tudor-Trilogie am Opernhaus Zürich
Trotz gewichtigen Absagen verlief die Premiere von der Oper «Maria Stuarda» reibungslos.
Die slowakische Starsopranistin wirft dem
Opernhaus mangelnde Sicherheitsvorkehrungen vor ihre Tochter, eine Tänzerin,
verletzte sich im März 2001 bei einem Sturz. Nun, die Diva scheint etwas
überreagiert zu haben doch ein gewichtiger Verlust für das Star-verwöhnte
Haus ist sie allemal. Absagen erlebt der Opernbetrieb immer wieder, und manchmal
sind sie das Sprungbrett für den Ersatz. Gruberovas Einspringerin ist nur
halb so alt, sie kommt aus Spanien, und ist erstmals in der Schweiz zu hören:
die Sopranistin Angeles Blancas. Wie alle anderen Solisten singt sie ihre
Rolle zum ersten Mal. Im zweiten Akt, ihrem ersten grossen Auftritt, dachte
man noch an Groberova, und wie sie es gesungen hätte. Den dritten Akt, in
dem sie enthauptet wird, hatte Blancas dann ganz für sich. Sie ist eine zarte,
fast zerbrechliche Sängerin, die keine sehr grosse Stimme hat. Aber sie wusste
ihre Kräfte für die äusserst anstrengende Partie intelligent einzuteilen,
und sie verfügt über ein wunderschönes Piano, mit dem sie das Publikum für
sich gewann. Mit Carmen Oprisanu als Elisabetta hat sie eine ebenbürtige
Gegenspielerin, die erst noch mit Nervosität zu kämpfen hatte, es dann aber
souverän schaffte, mit ihrer ebenfalls sehr kräfteraubenden Rolle zurechtzukommen.
Die Tenorpartie war mit Fabio Sartori komfortabel besetzt. Der kleine und
rundliche Mann sang mit grosser Perfektion und einer derartigen Selbstverständlichkeit,
dass ihm eigentlich die Krone gebührte, um die sich die beiden Königinnen
streiten.
Kranker Regisseur
Der Belcanto-Spezialist Marcello Viotti dirigierte routiniert,
hatte aber zeitweise Mühe, die Solisten, den Chor und das Orchester partiturgerecht
zu koordinieren. Die Absage von Edita Gruberova hatte offenbar ihre Spuren
hinterlassen. Dazu kam die krankheits-bedingte Absage von Regisseur Gian-Carlo
del Monaco kurz vor Probenbeginn, welche die Produktion zusätzlich in Frage
stellte. «Maria Stuarda» gehört zusammen mit «Roberto Devereux» und «Anna
Bolena» zur so genannten Tudor-Trilogie von Donizetti, die in Zürich vom
gleichen Regieteam erarbeitet wurde. Grischa Asagaroff, der künstlerische
Betriebsdirektor am Opernhaus, musste also eine halbfertige Produktion übernehmen.
Das Bühnenbild von Mark Väisänen war das gleiche wie in den bereits aufgeführten
beiden Teilen der Trilogie, und auch Kostümbildnerin Maria-Luise Walek hielt
sich an ihr früheres Konzept. Del Monaco hätte vielleicht mehr aus der vorgegebenen
Bühne, einem düsteren Kerker-ähnlichen Einheitsbild, herausholen können,
und er hätte den Solisten ihre Rollen präziser zuzuordnen gewusst. Der Tenor
könnte mit dem gleichen Gestus so ziemlich jede Belcanto-Rolle spielen, und
auch Elisabetta zeigt, etwa beim Unterschreiben des Todesurteils für ihre
Cousine, kaum eine Gefühlsregung. Einzig Angeles Blancas in der Titelrolle
vermittelt etwas vom Zwiespalt zwischen Verführerin und Märtyrerin, in dem
die Königin von Schottland steckt. Aber auch sie flüchtet sich, wie die andern
Solisten, zu oft in simples Rampensingen.
9. 12. 2002
Erst
war Regisseur Gian-Carlo del Monaco erkrankt. Grischa Asagaroff sprang in
die Bresche und übernahm das Konzept. Dann hatte sich Edita Gruberova als
Maria Stuarda aus familiären Gründen zurück gezogen. An ihrer Stelle singt
Angeles Blancas, eine junge Spanierin, die anspruchsvolle Partie. Angeles
Blancas ist ein hervorragender Ersatz. Sie ist eine grazile Sängerin mit
kristallklarem, geschmeidigem Silbersopran, der auch dramatische Ausbrüche
und virtuose Abläufe mühelos meistert.
Trotzdem wirkt die Inszenierung oft wie eine konzertante Aufführung:
Königin Elisabeth zeigt zum Beispiel Leicester das Todesurteil für seine
geliebte Maria: Kaum eine Regung ist da zu sehen. Wie wenn Regisseur Asagaroff
die Dramatik nur der Musik und der Ausstattung mit ihrer schwarz-roten Farbsymbolik
überlassen wollte. Die Musik aber überzeugt: Marcello Viotti lässt das Zürcher
Opernorchester pulsierend spielen. Das Publikum liess sich diese Aufführung
gefallen und belohnte sie mit heftigem Applaus.
Stellungnahme von Edita Gruberova zu ihrer Absage
Edita Gruberova
|
Erfahrung | Stationen | nurkultur |
|
|
|
|