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ANTONIO SALIERI

AXUR, RE D'ORMUS

MAGAZIN OPERNHAUS ZÜRICH


© MAGAZIN OPERNHAUS ZÜRICH

Pubblicato con autorizzazione scritta della Dramaturgie, che il Curatore di questo sito ringrazia di cuore.

Der italienische Komponist Antonio Salieri stellt insofern ein äusserst merkwürdiges Phänomen in der Musikgeschichte dar, als sich um seine Person schon zu Lebzeiten Legenden und Gerüchte bildeten, die ihn mit der angeblichen Vergiftung Mozarts in Verbindung brachten und die Fragestehlungh seiner Bedeutung als Musiker zunehmend in den Hintergrund drängten. Salieri - ein minderwertiger Komponist also, ein hinterlistiger Intrigant und neidischer Rivale im Schatten des grossen Genies, der selbst vor einem Mord nicht zurückschreckt? Dieses verzerrende Bild vermochte sich bis in die Gegenwart zu halten und erhielt nicht zuletzt durch Peter Shaffers Theaterstück «Amadeus» und dessen fulminante Verfilmung durch Milos Forman neue Nahrung.
Tatsache ist, dass Salieri mit seinen rund 40 Opern -jedenfalls zu Mozarts Lebzeiten - zumindest ebenso erfolgreich war wie der Salzburger Komponist. Salieris Werke wurden in ganz Europa aufgeführt, in Paris feierte man ihn als würdigen Nachfolger von Gluck, und in Wien sicherte er sich als Leiter der italienischen Oper und königlich-kaiserlicher Hofkapellmeister eine der einflussreichsten Stellungen innerhalb des Musiklebens der Stadt. Spätere Berühmtheiten wie Beethoven, Schubert und Liszt schätzten ihn als ihren Lehrer.
Geboren wurde Antonio Salieri 1750 als Sohn eines gebildeten, gutsituierten Kaufmannsehepaares in Legnago, einer Kleinstadt im Veneto, und erhielt schon in früher Jugend Musikunterricht. Über Padua, wo er vom bedeutenden Geiger Giuseppe Tartini in Violine, Klavier und Gesang unterwiesen wurde, kam der Fünfzehnjährige - inzwischen Vollwaise - nach Venedig in den Palast des adligen Mäzens Giovanni Mocenigo, der sich um seine allgemeine und musikalische Weiterbildung kümmerte. Statt eines geplanten Studienaufenthaltes in Neapel nahm der Komponist Florian Leopold Gassmann Salieri 1766 mit nach Wien, war ihm Lehrer und Gönner und hielt ihn bis zu seinem Tod wie einen Sohn. In der Musikmetropole kam es zu Begegnungen, die Sahieris Karriere entscheidend beeinflussten: Der junge Musiker, der sich inzwischen mit ersten Kompositionen hervorgetan hatte, wurde am Hof Kaiser Joseph II. eingeführt und machte die Bekanntschaft des Dichterfürsten Metastasio und des Opernreformers Gluck. 1770 wurde Sahieris erste Oper, «Le donne letterate», am kaiserlichen Burgtheater uraufgeführt. Wien blieb der Lebensund Schaffensmittelpunkt des Komponisten. Hier wurde er gefeiert, mit wichtigen Ämtern bedacht und machte seinen Einfluss auf das Musikleben der Stadt geltend. Doch immer wieder kamen auch Aufträge und Ehrungen aus dem übrigen Ausland und aus seiner italienischen Heimat. In den Schatten von Mozart, den er um über dreissig Jahre überlebte und dessen in der Musikgechichte, bisher beispiellosen Nachruhm er schmerzlich miterleben musste, geriet Salieri erst nach Mozarts frühem Tod. Antonio Salieri starb 1825 nach längerer Krankheit und in geistige Verwirrung im Alter von knapp 75 Jahren in Wien.
Im Sommer 1784 lernte Salieri in Paris den Dichter Beaumarchais kennen, der auf der Suche nach einem geeigneten Komponisten für ein ehrgeiziges Projekt, die Vertonung seines Opernbuches «Tarare» war. Beaumarchais war aufgrund des grossen Pariser Erfolges von «Les Danaïdes» auf Salieri aufmerksam geworden, eine Opernkomposition, die kurz zuvor durch die Vermittlung und mit Unterstützung von Gluck zustande gekommen war. Zurück in Wien, konzentrierte sich Salieri auf die Fertigstellung eines weiteren Auftragswerkes für Paris, «Les Horaces», und arbeitete neben den üblichen Verpflichtungen gleichzeitig auch an «Tarare». Vom Uraufführungsmisserfolg von «Les Horaces» liess sich Beaumarchais nicht beeindrucken, sondern hielt an Salieri fest, dem er in seinem Haus Logis anbot, um seinen Einfluss auf die musikalische Ausformung von «Tarare» wirksamer bewerkstelligen zu können. Beaumarchais plante, in eng ster Zusammenarbeit mit dem Komponisten, eine vollständige Erneuerung der Oper, die weit über diejenige von Gluck hinausgehen sollte.
Das Thema von «Tarare» ist die Willkür eines persischen Tyrannen, der vor keinem Verbrechen zurückschreckt, seinem besten Krieger und Lebensretter die Frau raubt, schliesslich als Folge seines Machtmissbrauchs abgesetzt wird, sich selbst den Tod gibt und von seinem mutigen, tugendhaften und von Volk und Heer geliebten Gegenspieler abgelöst wird - ein Werk mit krassen Situationen und Personenkonstellationen, dessen Brisanz durch die politische Situation in Frankreich mit dem ausklingenden Ancien Régime und der kurz bevorstehenden Revolution noch verschärft wurde. Das zur damaligen Zeit beliebte orientalische Ambiente wählte Beaumarchais bewusst als Symbol für eine dekadente Gesellschaft. Aber nicht nur die Handlung der Oper war neuartig und provozierend, sondern auch Salieris Umsetzung von Beaumarchais' musikdramatischen Theorien in seiner Komposition. Eine von dessen wichtigsten Forderungen war der absolute Vorrang des Textes vor der Musik und die Auflage, die kompositorischen Schönheiten nie zum Selbstzweck werden zu lassen, sondern eine Übereinstimmung von musikalischem und inhaltlich-dramatischem Ausdruck zu erreichen. Die Folge war ein grenzüberschreitendes, verschiedene Gattungen verschmelzendes Operngenre, in dem konventionelle, breit angelegte Arienund Ensemblenummern einer durchkomponierten Grossform weichen mussten.
Die Vorbereitungen für das neue Werk wurde mit ungewöhnlich grossem Aufwand betrieben, und Beaumarchais rührte im Hinblick auf die Produktion eifrig und effektvoll die Werbetrommel, sodass die Oper schon im Vorfeld der Uraufführung als Sensation gehandelt wurde. Diese stellte sich dann tatsächlich auch ein - «Tarare» wurde zu einem riesigen Publikums- und somit Kassenerfolg. Die Kritik gab sich weniger enthusiastisch, die «Mémoires secrets» bezeichneten das Werk gar als «dramatisches Monstrum».
Im Sommer 1787 bereitete Salieri seine Rückkehr nach Wien vor, wohin ihm die Nachricht vom Triumph von «Tarare» vorausgeeilt war. Kaiser Joseph II. selbst gab die Anregung für eine italienische Fassung der Oper und schlug den Librettisten Lorenzo Da Ponte als Textdichter vor. Eine einfache Übertragung vom Französischen ins Italienische erwies sich als unrealisierbar zum Komponieren, was zur Folge hatte, dass Salieri auf den italienischen Text eine beinahe vollständig neue Musik schrieb. Das Handlungsgerüst von «Tarare» wurde beibehalten, der Titel in «Axur, re d'Ormus» umgewandelt und die Personennamen geändert. Da Ponte verzichtete auf die allegorische Rahmenhandlung von «Tarare» und milderte auch einiges an politisch Brisantem. Ausserdem wurde die für Paris obligatorische Balletteinlage durch eine gesungene «Harlekinade» ersetzt. «Axur» war als Festaufführung im Wiener Burgtheater zur Hochzeit von Erzherzog Franz mit Prinzessin Elisabeth Wilhelmine von Württemberg am 8. Januar 1788 geplant und hatte noch weit mehr Erfolg als «Tarare». So war es denn auch die italienische und nicht diefranzösische Version der Oper, die sich rasch in ganz Europa verbreitete, und die, wie Volkmar Braunbehrens in seiner fundierten Salieri-Biographie unterstreicht, «einen Meilenstein in der Überwindung der italienischen Gattungsoper zu einem vielschichtigen Musiktheater darstellt».