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Marc Minkowski begeisterte sich schon früh für die Werke Georg Friedrich Händels. Geboren 1962 in Paris, studierte er zunächst Fagott bei dem Barock-Spezialisten Danny Bond in Den Haag, später Dirigieren bei Charles Bruck in Hancock/Maine, USA. Nachdem er als Achtzehnjähriger mit Händels «Acis und Galatea» sein Debüt als Dirigent gab, gründete er kurz darauf das Instrumentalensemble Les Musiciens du Louvre, mit dem er auch seine ersten Einspielungen realisierte. Auf der Suche nach ausgefallenen, klein besetzten Werken wurde er auf «Ii trionfo» aufmerksam gemacht und war der erste Dirigent, der dieses Werk auf CD einspielte - damals fast gleichaltrig wie Händel zur Zeit der Komposition dieses Oratoriums. In den seither vergangenen 15 Jahren hat er über 25 weitere Werke Händels zur Aufführung gebracht und obwohl er in den letzten sechs Jahren sein Repertoire kontinuierlich erweiterte - u.a. mit Opern von Mozart, Meyerbeer, Wagner, Debussy und Operetten von Offenbach und Johann Strauss - kehrt er immer wieder gerne zu Händel zurück, einem Komponisten, bei dem es für ihn noch unendlich viel zu entdecken gibt.
Eine Wiederbegegnung mit «Il trionfo del tempo e del disinganno» hat Marc Minkowski sich schon lange gewünscht, hat für ihn dieses «Juwel» seit seiner ersten Auseinandersetzung damit doch nichts von seiner Faszination verloren. Unbegreiflich bleibt es, wie Händel schon in diesem frühen Werk seine volle Meisterschaft entfaltet. Für Marc Minkowski gibt es zwischen «Il trionfo» und den sogenannten grossen Meisterwerken keinen qualitativen Unterschied. Sie unterscheiden sich nur in der zeitlichen Ausdehnung. So beträgt etwa der Umfang der Arien in «Giulio Cesare» das zwei- bis dreifache an Länge, doch gerade in der miniaturartigen Konzentration liegt tür ihn der Reiz und die Meisterschaft des «Trionfo». Als 22jähriger kaum in Italien angekommen, verband Händel die Schreibweise eines Corelli oder Scarlatti mit seinem eigenen Stil und fand - sich an der Konvention orientierend - zu völlig selbständiger wie neuartiger Aussage. So erweiterte er in jenen Arien, die vorn römischen Prinzip des Concerto grosso Gebrauch machen, das her kömmliche Concertino aus zwei Geigen und Cello um zwei konzertierende Oboen und verband damit die deutsche Holzbläsertradition mit den Effekten des römischen Streichorchesters. In zwei Arien treten ausserdem zwei Blockflöten hinzu. Aus diesem für unsere Begriffe kleinen Instrumentarium zaubert er durch immer wieder neue Kombinationen von Stimmen und Instrumenten unglaubliche Farben hervor, ebenso wie er der damals üblichen Da capo-Form der Arien eine ungeheuere Vielfalt abgewinnt, indem er sie ganz aus dem Text bzw. seiner oftverblüffenden Interpretation der Texte heraus gestaltet.
Zu den Besonderheiten des Werkes gehören auch die beiden Quartette, eine Form, die man im Oratorium der damaligen Zeit sonst nicht findet. Vor allem das zweite Quartett, «Voglio tempo», in dem Bellezza mit einem langgehaltenen Ton gleichsam die Zeit anzuhalten versucht, ist von einer dramatischen Schlagkraft, die ihresgleichen sucht. Marc Minkowski fühlt sich an das Quartett aus Mozarts erinnert, das gleichfalls innerhalb dieser Oper einen absoluten Höhepunkt bildet und auch dieselben Stimmfächer aufweist. Dass Händel sich für diese Stimmkombination entschied, mag mit den zur Verfügung stehenden Sängern zusammengehängt haben, ist aber insofern ungewöhnlich, als der Part von Tempo üblicherweise - man denke etwa an Monteverdis «Ulisse» - mit einem Bass besetzt wurde.
Als vollends einzigartig innerhalb Händels Schaffen bezeichnet Marc Minkowski die letzte Arie Bellezza, «Tu, del ciel ministro eletto», in der die Musik gleichsam zum Stillstand kommt und eine grosse Traurigkeit verbreitet, die man bei dem scheinbaren «happy end» - Bellezzas Bekehrung zu den wahren Tugenden - nun gerade nicht erwarten würde. Und Händel verstärkt seinen musikalischen Kommentar zu diesem Ende noch dadurch, dass er diese Arie zwar in A-Dur notiert, realiter jedoch E-Dur erklingt, jene Tonart, die nach dem damaligen Verständnis «eine verzweiflungsvolle oder gantz tödliche Traurigkeit unvergleichlich wol ausdrucket; ist vor Hülff= und Hoffnungslosen Sachen am bequemsten und hat bey gewissen Umständen so was schneidendes, scheidendes, leidendes und durchdringendes, dass es mit nichts als einer fatalen Trennung Leibes und der Seelen verglichen werden mag.» (Johann Mattheson, 1711)