GIOACCHINO ROSSINI

IL TURCO IN ITALIA


© Magazin Opernhaus Zürich.
Pubblicato con autorizzazione
scritta della Dramaturgie.


Gerade mal 22 Jahre alt war Gioacchino Rossini, als 1814 seine 13. Oper - die opera buffa «Il Turco in Italia» - zur Uraufführung an der Mailänder Scala kam. Im Jahr zuvor hatte er einen doppelten Triumph in Venedig für sich verbuchen können: Dort waren sowohl sein «Tancredi» wie auch «Italiana in Algeri» mit grossem Erfolg uraufgeführt worden und er hatte damit seine Meisterschaft in den beiden grundlegenden Operngattungen, - der «seria» und der «buffa», eindrücklich unter Beweis gestellt.
Nun lag von der Mailänder Scala, die 1812 schon Rossinis «La pietra del paragone» angenommen und mit viel Beifall zur Aufführung gebracht hatte, gleichfalls der Auftrag für ein «Doppelpack» vor und Rossini war fest entschlossen, nach der Eroberung Venedigs auch die Mailänder zu «besiegen».
Allerdings: Mit dem monumentalen Römerdrama «Aureliano in Palmira» erzielte er lediglich einen Achtungserfolg, der bald in Vergessenheit geriet. Erst in der Rückschau, d. h. durch die Wiederentdeckung dieses Werkes im 20. Jahrhundert erkannte man darin Rossinis ersten gültigen Versuch, die grosse dramatische Form in der Oper zu erneuern und seine ihm bis dahin eigentümliche Sprache des späten 18. Jahrhunderts mit der entwickeiteren Kompositionstechnik der nachfolgenden Epoche zu verbinden.
Noch schlimmer erging es dem «Turco in Italia», denn dieser war schlicht und einfach ein Misserfolg, trotz einer der besten Sängerbesetzungen der Zeit: Filippo Galli (Selim), Francesca Festa-Maffei (Fiorilla), Luigi Pacini (Geronio), Giovanni David (Narciso) und Pietro Vasoli (Prosdocimo).


Aufgrund der Uraufführungsrezension des «Corriere milanese» vom 16. August 1814 lässt sich vermuten, dass das Mailänder Publikum darüber ungehalten war, dass Rossini ihnen scheinbar lediglich eine Variante der «Italiana in Algeri» unterjubeln wollte. So heisst es dort: «Stellen Sie sich das Gedränge vor! Rossini, der Komponist von «Tancredi», «Italiana in Algeri»,
«La pietra del paragone» und «Demetrio e Polibio», stieg von neuem in die glanzvolle Arena: Ich sah auf der Stirne des jungen Athleten Hoffnungsschimmer leuchten und das bestärkte mich. - Ich hörte die Ouvertüre, die Arie Pacinis, die Kavatine der Festa, den Einsatz von Galli, ein Duett, ein Terzett, ein Quintett... ich prüfe, ich überlege, mache eine Feststellung und flüstere sie meinem Nachbarn, einem Mann von grösster Diskretion, ins Ohr: 'C'est du vin de son cru'. Er antwortet ein wenig lauter: «Schlechte Neuauflage». Ein Dritter hört es und schreit mit Donnerstimme heraus: «potpourri, pot-pourri!»
Damit abertaten sie dem jungen Komponisten bitter unrecht, der trotz grösster Zeitnot nicht - wie häufig bei ihm der Fall - auf Vorhandenes zurückgriff, sondern mit einer originären Partitur aufwartete. Anders als im Falle des zwei Jahre später entstandenen «Barbiere di Siviglia», dessen Uraufführung gleichfalls zu einem Desaster geriet, dann aber in der zweiten Aufführung die Kritiker zum Verstummen brachte, war dem «Turco» auch in der Folge kein Glück beschieden. Die Partitur wurde entstellenden Bearbeitungen unterzogen, deren folgenschwerste jene von Ferdinando Paër war, der 1820 für eine Aufführung des «Turco» im Théätre Italien in Paris einen beträchtlichen Teil der Originalnummern strich und sie durch verschiedene Stücke aus anderen Rossini-Opern ersetzte. In dieser Fassung erschien der «Turco» im Druck und war über ein Jahrhundert lang die einzig verfügbare Ausgabe dieser Oper.


So ist es nicht erstaunlich, dass «Il Turco in Italia» über lange Zeit ungerechterweise als Pasticcio-Werk betrachtet wurde. Erst eine Einstudierung an der New York City Opera im Jahre 1978, die sich auf die kritische Ausgabe stützte, brachte Licht ins Dunkel der Bearbeitungen und man erkannte den Wert dieser Partitur, über die sich Chefdirigent Franz Welser-Möst begeistert äussert. In reichem Masse finden sich schon hier all jene Qualitäten, die spätere Meisterwerke des Komponisten auszeichnen: Zu nennen wären da die differenzierten Spielanweisungen, an denen Rossini grossen Spass hatte. Etwa das «sul ponticello» Spiel der Streicher, das Bogenvibrato oder das auch beim frühen Mozart zu findende «battuta», d. h. das Schlagen der Saite mit dem Bogen. Dann natürlich das hier schon voll ausgeprägte «Markenzeichen» Rossinis, rämlich das aus der Orchestermusik der Mannheimer Schule heraus entwickelte wahnsinnige Crescendo, das etwa im 1. Finale des «Turco» aufs Äusserste gesteigert wird. Hinzu kommt die raffinierte Behandlung der sogenannten Harmoniemusik (Holzbläser und Hörner, wobei im «Turco» insbesondere das 1. Horn schon von der Ouvertüre an sehr gefordert ist), mit der Rossini seine komponierenden Zeitgenossen weit in den Schatten stellt und die das eingehende Studium von Haydn und Mozart verrät. Und apropos Mozart: Gleich zweimal erweist Rossini dem verehrten Vorgänger seine Reverenz.
Die Ankunft des Türken wird begleitet von einem Zitat aus Mozarts «Don Giovanni», dem Erscheinen des Komturs im zweiten Akt. Und wenn Fiorilla bzw. Selim ihrem Erstaunen über die Attraktivität des anderen Ausdruck verleihen, erklingt das «non mi voglio fa sentir» aus Leporellos Auftrittsarie.


Diese beiden kleinen Beispiele fügen sich nahtlos in ein musikalisches Konzept, das die Mehrschichtig-, auch Doppelbödigkeit des Librettos auslotet. Die Idee, einen Dichter in das aus der Tradition der opera buffa bestens bekannte Handlungsschema einzuführen, muss Rossini besonderes Vergnügen bereitet haben. Ist dieser Dichter einerseits sozusagen der Spielmacher, so bleibt doch andererseits immer in der Schwebe, was es mit den Personen auf sich hat, die er sich zunutze macht, um seiner Inspiration auf die Sprünge zu helfen. Realität und Imagination kreuzen sich beständig und halten Mitwirkende und Publikum in Atem.
In diesem Zusammenhang ist auffallend, dass Rossini keine einzige durchgängig langsame Nummer in dieser Oper schreibt, wie es für den Aufbau von Spannung eigentlich unerlässlich scheint. Es ist hier die innere Spannung, die gleichsam einen musikalischen Überdruck erzeugt, die auch in der Disposition der Gesamtanlage evident wird. Rossini gestattet sich kein Verweilen, lässt sich scheinbar von dem immer verwickelter werdenden Spiel mitreissen. Dem Dichter etwa werden - wie Don Alfonso in «Così fan tutte» - keine grösseren ariosen Äusserungen zugestanden, da er sich ja nicht selbst darstellen muss. Aber auch Fiorillas verschmähter Liebhaber mit dem schönen Namen Don Narciso wird als tenorales Gegengewicht zu den beiden grossen Basspartien erstaunlich kurzgehalten. Entstanden ist so eine kompakte Partitur, die - im Unterschied zu manchem früheren Werk - keinerlei Leerlauf kennt.
Viel wesentlicher als die vom Uraufführungspublikum monierten vordergründigen Parallelen mit der «Italiana in Algeri» ist für dieses «dramma buffo» - übrigens das einzige Werk Rossinis, das die Bezeichnung «buffo» im Untertitel trägt - das Spiel mit der Gattung an sich, das es den Autoren gestattete, ihr eigenes Tun durchaus auch ironisch zu reflektieren.
Ein besonders schönes Beispiel für die Doppelbödigkeit des ganzen Werkes ist die letzte Arie Fiorillas, «Squallida veste bruna», in der sie sich mit grossen Worten und Gesten à la opera seria von ihrem flatterhaften Leben lossagt, um sich hinkünftig in Sack und Asche zu hüllen. Rossini wählte hierfür allerdings die «falsche» Tonart F-Dur sowie einen melodischen Duktus, der quer zu den Worten steht.
Das lässt, so Franz Welser-Möst, an eine andere Arie denken, nämlich die Arie «S'altro che lacrime» der Servilia in «La Clemenza di Tito», die Mozart verblüffenderweise als Menuett in D-Dur komponierte. Librettist dieser Mozart-Oper war im übrigen Caterino Tommaso Mazzola, also jener Textdichter, der Felice Romani die Vorlage zum «Turco in Italia» lieferte.

Steht die «Italiana in Algeri» noch ganz in der Tradition der im 18. Jahrhundert so beliebten «Türkenoper», so bedeutet für den Regisseur
Cesare Lievi der «Turco in Italia» einen neuen Schritt im Schaffen Rossinis. Es ist die Idee vom Spiel im Spiel, von der Komödie über die Komödie, die ihn interessiert, die durch die Figur des Dichters aufs Schönste etabliert wird.
Damit knüpft diese Oper einerseits an jene Werke an, die gleichsam einen Blick hinter die Kulissen gestatten wie Cimarosas «L'impresario in angustie» (1786), Mozarts «Schauspieldirektor» (1786) oder Cimarosas «Il maestro di cappella» (1793), andererseits ist eine Konstellation geschaffen, die weit voraus weist, nämlich auf Luigi Pirandellos «Sechs Personen suchen einen Autor» aus dem Jahre 1921. In seinem Vorwort zu diesem Stück schreibt Pirandello: «Eine kleine, sehr flinke Magd dient seit vielen Jahren meiner Kunst, und sie ist immer neu und immer geschickt. Sie heisst Fantasie... Und es macht ihr Spass, mir Leute ins Haus zu schleppen, die mich zu Novellen, Romanen und Komödien anregen sollen, die unzufriedensten Leute von der Welt, Männer, Frauen, Kinder, verwickelt in seltsame Verhängnisse, aus denen sie nicht mehr herausfinden; ihre Pläne sind gescheitert, ihre Hoffnungen betrogen. Und mit denen zu verkehren, ist oft wirklich eine Plage.»


Im «Turco» treffen wir auf eine vergleichbare Ausgangslage, nur ist es hier der Autor, der unter Produktionszwang steht und von daher seine Personen sucht - in seiner Fantasie. Aus dieser Idee, die Handlung als Imagination des Dichters und nicht als realistisches Geschehen zu inszenieren, ist eine Grundsituation geschaffen, die ein höchst vergnügliches Spiel gestattet. Dass es dem Komponisten wie auch seinem Librettisten um mehr als eine Neuauflage der «Italiana in Algeri» ging, davon zeugen für Cesare Lievi auch die oft nur angerissenen, und nicht bis ins letzte logische oder psychologische Detail geklärten wechselnden Situationen und Konstellationen.
Gerade damit erzeugen die Autoren die Illusion eines einmaligen kreativen Prozesses, in dem der Dichter das Potential seines Stoffes nach verschiedenen Seiten hin auslotet oder von der Eigendynamik, die seine Fantasiegestalten entwickeln, überrascht wird. In seiner Inszenierung möchte Cesare Lievi gerade dieses nach herkömmlichen dramaturgischen Gesetzen scheinbar Widersprüchliche herausarbeiten, um so darin neuen Sinn - sei es Hintersinn oder gerne auch Unsinn - zu entdecken.
Denn vor allem ist dem Regisseur daran gelegen, den «Turco in Italia» als ein Scherzo und so leicht wie ein Glas Champagner zu servieren - natürlich mit den bekannten Folgen, die ein solches Glas haben kann. Da geraten schon mal Sein und Schein durcheinander oder ausser Kontrolle, schlägt die Fantasie des Dichters ihm ein Schnippchen oder versteigt sich zu ebensolchen aberwitzigen Kapriolen, wie Rossini sie komponiert hat.

Tullio Pericoli, der für seine leichte, aber auch spitze Feder bekannte Zeichner, hat einen Bühnenraum entworfen, der sich zunächst so leer präsentiert wie des Dichters Hirn. Doch kaum fliegen diesem die ersten Ideen zu, verdinglichen sich die imaginierten Situationen und Personen wie durch Zauberhand - eben so, wie es nur in der Fantasie möglich ist.
Und so, wie sich aus Tullio Pericolis stets zunächst mit Bleistift und Feder entworfenen Zeichnungen Bilder, Geschichten und Gestalten entwickeln, baut sich nach und nach eine Szenerie auf, die sich ganz der Logik der Fantasie überlässt und die jeweils erforderlichen Schauplätze sichtbar macht. Mit gewohnt hintergründigem Humor und seiner Liebe zum Detail, von der natürlich auch die Kostüme profitieren, liefert er so einen höchst persönlichen Kommentar zum Geschehen.
Rossini - für
Cecilia Bartoli eine Oase der guten Laune, in der sie sich regenerieren kann, eine stets gerne fortgesetzte Reise durch eine kleine italienische Insel, die strahlt in südlichem Licht, voller Farben, Gerüche, Bäume, Zitronen... Mit der Fiorilla, die sie zum ersten Mal auf der Bühne verkörpert, schuf der Komponist eine Frau von Welt, die sich von solchen wie Rosina, Angelina, sogar Isabella unterscheidet. Kein Mädchen mehr, zwar jung, doch ebenso lebenserfahren wie lebenslustig, unabhängig denkend, überbordend vor Energie und Temperament. Ihr gesetzterer Gatte Geronio bringt sie in Rage: Ständig provoziert ihn Fiorilla, geht sogar so weit, den ausländischen Gast, Selim, zu sich nach Hause zum Kaffee einzuladen - für damalige Vorstellungen sicher eine äusserst skandlöse Vorstellung! Aber sie tut dies nicht sosehr, um Geronio zu beleidigen, als vielmehr aus Frustration: er soll aus seiner Lethargie erwachen, endlich handeln, auf sie eingehen. Und so findet schliesslich in der dramatischen - übrigens unverständlicherweise während Jahrzehnten gestrichenen - Briefszene im 2. Akt der grosse Umschwung statt: Don Geronio bittet in einem Brief um die Trennung.


Dies bedeutet für Fiorilla eine Erniedrigung, aber auch ein Zeichen von Liebe: einerseits wäre es für sie äusserst peinlich, zu ihren Eltern zurückgeschickt zu werden. Andererseits zeigt ihr Ehemann endlich, dass ihm ihre Eskapaden nicht gleichgültig sind. Mit solchen unabhängigen, starken Frauenfiguren und mehr als zuvoraus dem alltäglichen Leben gegriffenen Situationen stellte Rossini die theatralischen wie sozialen Konventionen seiner Zeit auf den Kopf. Vielleicht hängt dies mit dem Verschwinden der dominierenden Stars der Opernwelt, den Kastraten, zusammen, die ein neuer Typus, der virtuose Mezzosopran bzw. Alt, ersetzen sollte. Wobei gleich angefügt werden muss, dass man damals nicht nach dem Umfang der Stimme unterschied, sondern nach ihrer expressiven Kraft und dem Temperament der Sängerin. So liegt die Tessitur der Fiorilla vielleicht ein wenig höher als die der Rosina, Cenerentola oder Isabella, doch verlangt sie eine reiche Mittellage und im Accompagnato der erwähnten Briefszene eine dramatische Ausdruckskraft, die weit überjene hinausgeht. Was die Verzierungen betrifft, meint Cecilia Bartoli, dass man da, wo sie vom Komponisten ausgeschrieben sind, selbstverständlich die von Rossini gewünschten singen muss. Besonders schön aber ist es, an anderer Stelle nach den Fjorituren zu suchen, die die Linie des Komponisten respektieren, die aber auch ein wenig den eigenen Stimmcharakter, die eigene Musikalität einfangen, und wie durch den individuellen Pinselstrich eines Malers, der Figur einen persönlichen Anstrich verleihen.


Eigentlich hatte das Rossini-Repertoire Ruggero Raimondi nie besonders angezogen, bevor ihm Claudio Abbado nicht die Gelegenheit gab, in Produktionen von «Il Viaggio a Reims», «Il Turco in Italia» usw, aufzutreten. Seitdem kehrt er gerne ab und zu zu diesem Komponisten zurück, machen ihm doch dessen einmaliger Sinn für Ironie, sein Gefühl für Humor und Situationskomik grösste Freude.
Und Cesare Lievis originelle szenische Umsetzung wird dieser wenig bekannten Operscherlich zu mehr Anerkennung verhelfen als bisher. Rossini schrieb dem Selim - wie auch manchen der anderen Figuren - keine eigentliche Arie, schuf ihm hingegen genügend Raum für effektvolle und virtuose Auftritte: die augenzwinkernd auf den «Don Giovanni» des von Rossini hochverehrten Mozart anspielende Introduktion, die dankbaren Duette mit den Damen und mit Geronio. Vom logischen Aufbau her ist diese Rolle nur lose gefügt, zum Beispiel scheint Selim gegen Ende der Oper aus der Handlung zu verschwinden.
Ruggero Raimondi sieht ihn einerseits als Gegenkraft zu Fiorilla, die ihre Suche nach Neuem widerspiegelt, ebenso aber die Bedingungen schafft, die sie braucht, um sich mit ihren Lebensverhältnissen auseinanderzusetzen. Ein vom «Don Giovanni»-Virus befallener Playboy, der im Ausland das sucht, was alle Männer von den Frauen wollen. Bei Fjorilla kommt er aber nicht zum Ziel, weil sie sich ihm nicht hingibt, sondern ihn ihrerseits bezwingen will. Zwischen den beiden entbrennt ein Kampf, der zu keinem Resultat führt. Selims Erscheinen löst die Krise zwischen Fiorilla und Geronio aus, ihn selber führt diese Begegnung zu Zaida zurück. Je heftiger Geronio und Zaida reagieren, desto mehr verlieren sich Fiorilla und Selim aus den Augen, als sie merken, dass sie im früheren Partner die langersehnte Sicherheit und Treue finden.
Die Schwierigkeit bei Rossinis buffa-Opern liegt - wie übrigens auch etwa bei Donizetti, z.B. dessen «Don Pasquale» - darin, die Balance zwischen dem Komischen und dem Ernsten zu finden: Im Spiel darf man nicht übertreiben, denn oft werden Personen und menschliche Narreteien dargestellt, die tr aurig, sogar tragisch sind. Komisch ist dabei nur die Situation, die das sichtbar macht. Und dies soll das Publikum zum Lachen, nicht weniger aber auch zum Nachdenken bringen.


Ungewöhnlich ist es schon, dass ein junger Sänger wie der aus Triest stammende Paolo Rumetz den selten gespielten «Turco in Italia» schon sechs Mal, darunter in Triest, Bologna und Paris, gesungen hat... Neben dem Selim und dem Poeten ist der gepiesackte Gatte Don Geronio eigentlich die dritte Basspartie in dieser Oper (das Stimmf ach Bariton gab es zu jener Zeit noch nicht). Sie ist in der Art des Bartoio und des Dulcamara eher hoch gelegen und zeichnet sich durch die für Rossini typischen halsbrecherischen Textpassagen aus. Obwohl eine Buffo-Figur, will sie Cesare Lievi nicht überzeichnet haben. Geronio ist, so Paolo Rumetz, überfordert vom Lebenshunger, der unstillbaren Energie Fiorillas. Er liebt sie sehr, mag aber Gemütlichkeit, ruhige Abende, gutes Essen - und eine Ehefrau, die ihm dient und ihn verehrt. Könnte man diese Figur mit dem Komponisten selber vergleichen, der doch viele Jahre später seiner ersten Frau, der emanzipierten - weil berufstätigen -, temperamentvollen und berühmten Sängerin Colbran, schliesslich Olympe Pelissier vorzog, welche ihm mit grosser Hingabe ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmen sollte?
Für
Judith Schmid ist die Zaida die erste Rossini-Partie, die sie auf der Bühne verkörpert. Freilich hat sie während ihres Studiums schon Rollen wie etwa die Rosina oder die Cenerentola erarbeitet, denn die Auseinandersetzung mit dessen gesanglichen Anforderungen sieht sie als einen wichtigen Bestandteil für ihre Gesangstechnik. Wesentlich für die szenische Erarbeitung einer Rolle ist für Judith Schmid das Erfassen des Charakters der Figur: Zaida ist durch «Mobbing im Harem» zur Flucht gezwungen worden, da sie als Lieblingsfrau des Fürsten Selim, der sie zu heiraten begehrte, den Neid ihrer Kolleginnen auf sich gezogen hat, die sie ungerechterweise, aber erfolgreich bei Selim der Untreue bezichtigten. Sie musste sich eine neue Existenz als wahrsagende Zigeunerin im Ausland aufbauen, doch bei aller Erniedrigung hat sie sich ihren Stolz bewahrt. Vorallem leidetsiedaran, dass sie Selim gegenüber,
der sie sogar zu töten befahl, niemals ihre treue Gesinnung beweisen konnte. Das unverhoffte Wiedersehen gibt ihr endlich dazu die Gelegenheit. Dann allerdings wird sie - wie die anderen Figuren auch - zum Spielball des Dichters, der aber für Judith Schmid einen wichtigen Satz für ihr Rollenverständnis liefert: «Die verliebte Zigeunerin ist nicht komisch, sondern schön und interessant.»


Mit der Partie des Don Narciso, die Reinaldo Macias als Rollendebüt erarbeitet, schuf Rossini erstmals die für seine nachfolgenden komischen Opern typisch hohe Tenorrolle. Untypisch jedoch ist ist das Rollenprofil, denn für einmal geht der Tenor leer aus. Rossini zeichnet hier ein Portrait jenes kuriosen Hausfreundes, der im galanten Rokoko schon fast etatmässig zum Hausstand gehörte. Während er im ersten Akt vorwiegend in die Ensembles integriert ist, folgt im zweiten Akt seine grosse Szene «Intesi: ah! tutto intesi», in der ihm der Komponist höchste Virtuosität abverlangt.
Oliver Widmer als der Poet Prosdocimo führt die Nöte und Beschwernisse eines Dichters vor, die für ihn bei allem Spass am Spiel einen durchaus seriösen Hintergrund haben. Der Erfolgszwang, unter dem Rossini stand, aber auch die Notwendigkeit für einen Librettisten, gleichzeitig Theatergesetze zu bedienen und trotzdem seinem Publikum immer neue und überraschende Situationen zu liefern, werden im «Turco in Italia» durchaus nachvollziehbar dargestellt. Auch wenn Rossini - im Sinne des Stückes - keine eigene Arie für den Dichter schrieb, bekommt er doch in seinen zahlreichen, das amouröse Geschehen vorwärtstreibenden, begleitenden oder beobachtenden Auftritten hinreichend Gelegenheit, sich musikalisch zu profilieren.
Valery Tsarev ist Zaida in der Rolle des Albazar treu ergeben, hat er sie doch vor dem Tod bewahrt und auf ihrer Flucht begleitet. In der orientalischen Welt ist der Tenor als Mitglied des Internationalen Opernstudios derzeit sehr heimisch, verkörpert er doch gleichzeitig auf der Studiobühne den Prinzen Ali in Glucks «Pilger von Mekka».