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Die "feinen" Abendgesellschaften
 
Karlheinz Pichler  11.05. 02:42  Bühne   

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Auch wenn für den Regisseur Sven-Eric Bechtolf die Oper »Don Giovanni« von Wolfgang Amadeus quasi kaum aufführbar erscheint, hat er sich dennoch an die Realisierung dieses Werk herangewagt. Die Premiere im Opernhaus Zürich am vergangenen Sonntag hinterliess zwiespältige Gefühle.

Unter den von Mozart komponierten Opern nimmt »Don Giovanni«, die 1787 vollendet wurde, eine Sonderstellung ein. Es geht um sexuelle Befreiung und überkommene Konventionen, um Liebe und Intrige, um vitales Begehren und verschmähende Abkehr und letztlich um tödlichen Hass. Das Stück handelt inhaltlich von einem Triebbesessenen, der allem nachjagd, was einen Rock trägt. Stehen bei den anderen Werken Mozarts jeweils versöhnende Gesten am Schluss, so bleibt das Thema der Rache bei »Don Giovanni« bis zum letalen Ende im Raum bestehen. »Vielleicht zum letzten Male hebt hier das alte Barocktheater sein Haupt und zeigt uns Hölle, Erde und Himmel«, meint Ronny Dietrich im Opernhaus-Magazin.

Locker und der Leichtigkeit von Mozarts Musik entsprechend, versucht Bechtolf Mozarts Werk umzusetzen. Über weite Strecken gelingt das auch. Aber nicht immer, und daran ist nicht nur die physisch ermüdende lange Dauer des Werks von fast vier Stunden verantwortlich. Mitunter werden nämlich auch Schwerefelder erzeugt, die der Leichtfüssigkeit Mozart’scher Notengebinde entgegenzuwirken scheinen. Etwa wenn sich die Gesänge des Don Giovanni (Simon Keenlyside) und seines Dieners Leporello (Anton Scharinger) zum Duett kreuzen. Unterstützt wird die Leichtigkeit der Musik durch die ungezwungene, modulare Gestaltung der Bühne durch Rolf Glittenberg. Die Bühne erscheint als goldenes, offenes, vertikal gestelltes Kassettensystem, dass sich beliebig verkürzen und in die Tiefe verlängern lässt. Durch die Verspiegelung der Rückwand multiplizieren sich Wände und Lichter mitunter bis ins Unendliche.

In dieses flexible Bühnenbild lassen sich beliebig Ballszenen und Partyatmosphären hineinprojizieren. Festivitäten sind möglich, die Don Giovanni den passenden Rahmen bieten, um seinen Verführungskünsten freien Lauf zu lassen. Die Teilnehmer solcher Abendgesellschaften sind aber nicht barock kostümiert, sondern tragen mondäne, zeitgenössische Abendkleider, respektive weisse oder schwarze Smokings. Nur Don Giovannis Samtjacke hebt sich durch ein samtenes Weinrot farblich von den anderen plakativ ab. Die bei den Bällen im 18. Jahrhundert üblichen Maskeraden werden durch dunkle Sonnenbrillen angedeutet. Für diese Art der Kostümierung zeichnet übrigens Marianne Glitterberg verantwortlich.

Eine der Besonderheiten im »Don Giovanni« ist es, dass Mozart für die Ballszene mit dem Menuett, dem Contretanz und dem Deutschen Tanz die drei beliebtesten Balltänze der damaligen Zeit einbaute. Wobei sich in den verschiedenen Tänzen die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Hierarchien brechen. Da die Tänze mit ihren unterschiedlichen Taktarten gleichzeitig gespielt werden, entsteht ein chaotisches Grundgefühl, das man beinahe schon als modern bezeichnen möchte.

Speziell an der Neuinszenierung Bechtolfs ist, dass die Rezitative nicht vom Cembalo, sondern vom Hammerklavier (plus Cello) begleitet werden. Für den Dirigenten Franz Welser-Möst, der mit seinem einfühlsam geführten Orchester die musikalischen Fäden ausgezeichnet beherrschte, auch wenn es zwischen Solisten und Orchester die eine oder andere Unstimmigkeit gab, ist dies naheliegend. Denn spätestens seit seinem Klavierkonzert in B-Dur KV 238 habe sich Mozart des Hammerflügels und nicht mehr des Cembalos bedient, so Welser-Möst.

Über die letztlich ermüdende Langatmigkeit des Stückes konnten auch die gesanglich teils grossartigen Leistungen des Ensembles nicht hinweghelfen. Auch wenn etwa die Farbabstufungen und die Stimmführung der Sopranistin Eva Mei, die die Donna Anna verkörperte, oder auch diejenige von Malin Hartelius, die als Donna Elvira ihr Rollendebüt feierte, durchaus zu gefallen wussten. Auch Alfred Muff als Komtur, Piotr Beczalas als Don Ottavia, Martina Jankovàs als bäuerlich-charmante Zerlina, Reinhard Mey als impulsiver Masetto und Anton Schariton als lyrisch-baritoner Butler Leporello sangen ihre Parts überzeugend. Simon Keenlyside, der schon vor fünf Jahren im Rahmen der letzten Zürcher Don-Giovanni-Inszenierung ob seines Charismas hoch gefeiert wurde, hatte diesmal Höhenflüge und Tiefen zugleich. Vor allem bei den Piano-Partien musste man mitunter zittern, ob er auch tatsächlich auf Anhieb den richtigen Ton trifft.


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