FERRUCCIO BUSONI

VON DER EINHEIT DER MUSIK

KRITISCHE UND KOMMENTIERTE
NEUAUSGABE HERAUSGEGEBEN
VON MARTINA WEINDEL

EDITORISCHE BEMERKUNGEN

Unter dem Titel Von der Einheit der Musik stellte Ferruccio Busoni (1866-1924) eine Auswahl seiner veröffentlichten und unveröffentlichten Schriften zusammen, die er 1922, zwei Jahre vor seinem Tod, mit einer Widmung an den Schriftsteller Jakob Wassermann (1873-1934) als Band 76 der Berliner Reihe Max Hesses Handbücher erscheinen ließ. Die chronologisch angeordnete Sammlung enthält Abhandlungen, Aufsätze und Essays unterschiedlicher musikalischer wie allgemein künstlerischer Sujets, darunter zwei eigene Übersetzungen, ein Werkverzeichnis und vier Zeichnungen des Autors. Neben dem Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (Triest 1907, Leipzig 1916) repräsentiert sie nicht nur ein Schlüsselwerk Busonischer Kunst- und Weltanschauung, sondern auch ein herausragendes Zeugnis literarischer Qualität. Ausgehend von der 1887 entstandenen kritischen Studie über Mozarts Don Giovanni bis hin zum musiktheoretischen Aufsatz Von den Proportionen von 1922 entfaltet sich vor den Augen des Lesers ein facettenreiches Bild sowohl von der Persönlichkeit Busonis als auch von dem Verlauf ihres geistigen und ästhetischen Reifeprozesses. So überrascht es nicht, wenn etliche Schriften inhaltlich aufeinander aufbauen oder, wie etwa bei der zweiten Auflage des Entwurfs einer neuen Ästhetik der Tonkunst (1916), als »Baustein« zu einem größeren Ganzen zusammengefügt werden.
Schon im Mai 1924 plante Busoni eine dreibändige erweiterte Neuausgabe der Sammlung (vgl. Galston, Kalendernotizen, S. 73f.). Dazu sollte es nicht mehr kommen; er verstarb am 27. Juli. 1956 besorgte Joachim Herrmann unter dem Titel Wesen und Einheit der Musik eine revidierte und ergänzte Wiederauflage mit themenbezogener Schriftenanordnung und modernen Normen angepaßter Orthographie. Ein textkritischer Bericht bzw. wissenschaftlicher Kommentar fehlen. Darüber hinaus entfernte der Herausgeber eher willkürlich einige ihm unwichtig erscheinende Essays, die allerdings für das Verständnis von Busonis Kunstästhetik zentral sind (vgl. z.B. Kenek, S. 88ff.). Hinzu kommt die Tatsache, daß die Ausgabe nun 50 Jahre alt und längst vergriffen ist. Die zwischenzeitlich veröffentlichten diversen Übersetzungsausgaben (siehe Roberge, A Bio-Bibliography, S. 149) haben zu keiner Besserung der Situation geführt. Auch sie entbehren eines wissenschaftlichen Kommentars und zwangsläufig der Originalität Busonischer Diktion. Daher ist die Publikation einer kritischen und kommentierten Neuausgabe dieser Sammlung in der Reihe Quellenkataloge zur Musikgeschichte die erforderliche wie logische Konsequenz der gegebenen Prämissen.

Zum edierten Text
Als Druckvorlage zum edierten Text diente die autorisierte Druckfassung von 1922. Die Wiedergabe des edierten Textes ist mit dem Wortlaut dieser Vorlage identisch. Die originale Orthographie wurde weitgehend gewahrt und, wo dies erforderlich war, stillschweigend vereinheitlicht; die Korrektur von evidenten Fehlern sowie die Ausschreibung von mißverständlichen Abkürzungen erfolgten ebenfalls kommentarlos. In die Interpunktion wurde zugunsten eines leichteren Verständnisses von syntaktisch logischen Zusammenhängen behutsam, ohne besonderen Hinweis eingegriffen. Vom Originaldruck abweichend ist im vorliegenden Text kursive anstelle von ursprünglich gesperrter Textauszeichnung. Die Anordnung der Schriften folgt Busonis chronologischer Aufstellung, die sich am Entstehungszeitpunkt, in drei Fällen am Veröffentlichungsdatum orientiert (Man achte das Pianoforte, Aus Zürcher Programmen: III. Liszt, Zu seiner Deutung). Auf die Wiedergabe von detaillierten Entstehungs- bzw. Erscheinungsdaten der jeweiligen Schrift wurde verzichtet; sie werden im kritischen Apparat angegeben und - wo nötig - diskutiert. Zeitangaben und Seitenverweise in eckigen Klammern stammen von der Herausgeberin. Aus typographischen Gründen konnten der originale Zeilenfall und die Anlage des Textes nicht beibehalten werden, jedoch entsprechen die Absatzbildungen der autorisierten Druckvorlage.

Zum kritischen Apparat
Der Abschnitt Überlieferung gibt entstehungsgeschichtliche und textkritische Auskunft über die dem edierten Text zugrunde liegende autorisierte Druckvorlage, ihren Erstdruck sowie über weitere, dem Erstdruck und der Druckvorlage zugrunde liegende überlieferte Textquellen, die als original gelten bzw. als autorisiert angesehen werden können. Die Anordnung der Textzeugen erfolgt chronologisch rückläufig nach ihrer jeweiligen textkritischen und stemmatologischen Abhängigkeit zur Druckvorlage. Eine knappe Quellenbeschreibung wird vorgenommen in Fällen, wo mehrere Textzeugen zum edierten Text erhalten sind. Genannt werden Fundort und Signatur, vorhandene Beilagen, Quellentyp, Zahl der Papierbogen und der beschriebenen Seiten, Schreibmittel, fremdschriftliche Zusätze, Stempelungen, Wahl besonderer Papiere und Paginierung. Des weiteren werden Originale Titulierungen und Datierungen in den von der Druckvorlage abhängigen Quellen in Kursivschrift diplomatisch wiedergegeben, oder es entsprechend vermerkt, wenn diese fehlen. Notwendige herausgeberische Zusätze und Hinweise sowie die vervollständigende Ausschreibung von Abkürzungen erscheinen hierbei in eckigen Klammern.

Die textkritische Anmerkung faßt die jeweilige stemmatologische Abhängigkeit von den autorisierten gedruckten Quellen (Erstdruck und/oder letzter autorisierter Druck) zusammen und benennt den Grad der textkritischen Abweichung oder Übereinstimmung der einzelnen Textzeugen zueinander. In Lemmata angeführte Textstellen beziehen sich durch entsprechende Seiten- und Zeilenverweise auf die korrespondierenden Passagen im edierten Haupttext; dahinter erscheinen die Abweichungen des betreffenden Textzeugen. Seitenverweise werden hierbei fett, Zeilenangaben mit Bezug auf die rechte Spalte des Haupttextes kursiv angegeben; Verweise auf die linke Spalte erfolgen in Normalschrift. Um einen Einblick in die Textentwicklung der jeweiligen Schrift zu vermitteln, werden in der Regel lediglich signifikante Abweichungen von der Druckvorlage und des Erstdrucks exemplarisch wiedergegeben und kommentiert.
Ein übergreifender Kommentar benennt und erläutert die entstehungsgeschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge, die zur kontextuellen Einbindung der Schrift notwendig sind. In den Erläuterungen werden alle Namen, Begriffe und Sachverhalte erklärt, die aus dem edierten Text selbst nicht unmittelbar hervorgehen oder mißverständlich sind. Hier korrespondieren wiederum Seitenund Zeilenangaben sowie Lemmata mit den übereinstimmenden Textstellen der vorliegenden Edition. In Einzelfällen, insbesondere bei inhaltlich komplexen Schriften, wie etwa den Vorbemerkungen zu den Etüden von F. Liszt, werden bereits vorgenommene Erläuterungen zur Entlastung des Lesers nochmals angeführt. Erläuternde Zitate aus Zusatzquellen entsprechen - von posthum veröffentlichten Dokumenten abgesehen - entweder dem autographen Original oder dem autorisierten Druck; abweichend zur Vorlage sind hier einfache statt doppelte Anführungszeichen sowie kursive anstelle von gesperrter, fetter oder unterstrichener Textauszeichnung. Beim Literaturnachweis von Busonis Briefen und Schriften entfällt die Autorenangabe; ein Nachweis von Notenausgaben erfolgt nur dann, wenn spezifische Sachverhalte im Text eines konkreten Hinweises bedürfen. Notwendige herausgeberische Ergänzungen und vervollständigende Ausschreibung von Abkürzungen erscheinen in eckigen Klammern, ebenso die Übersetzung von italienischen Textpassagen. Auf die Übertragung von englischen und französischen Textstellen wurde verzichtet. Von der Herausgeberin verwendete Abkürzungen und Siglen werden in entsprechenden Verzeichnissen angegeben und erläutert. Im Literaturverzeichnis erscheint die im Kommentar und in den Erläuterungen zitierte Primär- und Sekundärliteratur.

MARTINA WEINDEL