MARTINA WEINDEL

FERRUCCIO BUSONIS ÄSTHETIK


Martina Weindel sulla base non solo degli scritti teorici, degli articoli, delle annotazioni alle edizioni busoniane di Bach, Liszt, Mozart..., ma anche dell'impressionante numero di lettere pubblicato dal musicista nell'arco della sua vita, analizza con acribia la complessa, a volte enigmatica, struttura del pensiero estetico busoniano. Si tratta di un testo imprescindibile per chi voglia accostarsi all'estetica e alla filosofia musicale di Ferruccio Busoni, pensatore tra i più acuti e lungimiranti del XX secolo.











1. Einleitung [mit stark gekürzten Anmerkungen]

«Da es das Kennzeichen des Künstlers ist [...], dass er sich stets neue Probleme stellt und in deren Lösung seine Befriedigung sucht, so kommt jede Erleichterung von aussen naturgemäss dem Dilettanten zu statten, indessen der Künstler selbst sich von ihr als einer erreichten Aufgabe abwendet. [FB]

Ferruccio Busonis (1866-1924) schöpferische Überzeugung lässt sich ableiten aus einer faustischen Wesensart, die seine Kompositionsschülerin Gisella Selden-Goth (1884-1971) charakterisierte als «die rastlose, sich mit zunehmenden Alter immer noch steigernde Lernbegier einer von Natur aus reich und vielseitig begabten Individualität, der eine treibende Kraft zu stetiger Selbstentfaltung innewohnt [1921]. In dieser Wesensart, in der Universalität seines Persönlichkeitsbildes als Pianist, Komponist, Ästhetiker, Pädagoge, Bearbeiter, Herausgeber und Schriftsteller, zudem noch in der Auseinandersetzung mit der künstlerischen Umbruchszeit um 1910, die Adorno als ein «heroisches Dezenium» [Adorno] der Neuen Musik bezeichnete, liegt die thematische Vielfalt von Busonis Ästhetik begründet. Diese repräsentiert kein geschlossenes philosophisches Gedankengebäude, sondern erweist sich einerseits als die überwiegend aphoristische und essayistische Formulierung von Überzeugungen, die aus der künstlerischen Praxis resultieren, und andererseits als der Ausdruck eines Suchens nach neuen schöpferischen und musikalischen Entwicklungsmöglichkeiten. Dabei nimmt Busoni sowohl als Ästhetiker wie auch als Komponist eine janusköpfige Stellung ein, da seine Ideen und musikalischen Werke zukunftsgerichtet und zugleich der Tradition verpflichtet sind.
Busonis ästhetische Anschauungen beschränken sich nicht nur auf die explizite Formulierung in den beiden theoretischen Hauptwerken Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (1907, 21916) und «Von der Einheit der Musik» (1922), sondern durchdringen das Gesamt des schriftlich Fixierten, das aus Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Aufsätzen, literarischen Essays, Opernlibretti, Notizen und kompositorischen Werken besteht. Eine umfassende hermeneutische Untersuchung von Busonis Ästhetik stand bisher noch aus. Die meisten vorliegenden Analysen orientierten sich im wesentlichen an Kernsätzen aus den genannten theoretischen Werken und den älteren veröffentlichten Briefausgaben [*] ohne Berücksichtigung der übrigen Quellen, was allerdings für ein eingehendes Verständnis von Busonis Kunst- und Musikauffassung zwingend erforderlich gewesen wäre [*]. Von daher gelangte die Forschung zu einer eingeschränkten, eher fragmentarischen Sichtweise und somit zu Ergebnissen, die einer Revidierung bedürfen, wie beispielsweise die vielfach vertretene Meinung, Busonis Auffassung von einer jungen Klassizität sei gleichbedeutend mit 'Neoklassizismus". In einigen seiner Gedankengänge wurden bestimmte Widersprüche und Inkonsequenzen konstatiert (so bspw. in bezug auf das Verhältnis zwischen dem Postulat einer 'Freiheit der Musik' und dem Ideal einer jungen Klassizität, die sich jedoch bei umfänglicher vergleichender Synopse der zugänglichen Quellen nicht als Paradoxa, sondern als Konsequenzen eines durchaus gedanklich-logischen Entwicklungsprozesses auffassen lassen. Was die Auslegung von Busonis Schriften erschwert, ist die Tatsache, dass er selbst seine gedanklichen Ausführungen, bedingt auch durch die zumeist aphoristische Stilistik, nicht immer präzis und eindeutig dargelegt hat, so dass dadurch Missverständnisse entstehen, die erst durch ein umfassendes Zusammenführen von inhaltlich gleichen und sich entsprechenden Textstellen aus allen vorhandenen Quellen geklärt bzw. ergänzend zum Aufschluss gebracht werden können. Um ein möglichst vollständiges, detailliertes Bild von Busonis Ästhetik zu erhalten und den gedanklichen Verlauf eines ästhetischen Entwicklungsprozesses darzustellen, möchte die vorliegende Dissertation einen Beitrag zur Busoni-Philologie, d.h. eine umfassende Untersuchung und Deutung seiner ästhetischen Anschauungen, leisten unter Berücksichtigung des vielfältigen Persönlichkeitsbildes, der unterschiedlichen philosophischen und künstlerischen Inspirationsquellen, aus denen Busonis Denken gespeist wird, des künstlerisch-historischen Umfeldes und aller zugänglichen Quellen. Wichtig erscheint beim Vergleichen und Herausfiltern von inhaltlich sich entsprechenden und den davon differierenden Aussagen in den Quellen, nicht nur vermeintliche Widersprüche in Busonis Denken und Missverständnisse zur Aufklärung zu bringen, sondern ebenso gedankliche Abweichungen und Brüche sowie Gegensätze, die vor allem im Hinblick auf die Diskrepanz von Theorie und kompositorischer Praxis bestehen, aufzudecken und kritisch zu beleuchten.
Die Gliederung der einzelnen Kapitel, die inhaltlich aufeinander aufbauen, orientiert sich an dem jeweiligen thematischen Untersuchungsgegenstand. So wird ein Bogen gespannt von Busonis Welt- und Zeitvorstellung als Verständnisgrundlage für den daraus sich ableitenden Musik-, Form- und Künstlerbegriff über den Themenkomplex 'junge Klassizität' und die Rezeption von Busonis Ästhetik bis hin zum Vergleich von theoretischem Denken und musikalischpraktischer Umsetzung. Wenn bei der hermeneutischen Darstellung von Busonis ästhetischen Auffassungen, vor allem im Hinblick auf begriffliche Erläuterungen, bestimmte Zitate wiederholt werden, so ist dies nicht auf eine stilistische 'Nachlässigkeit' zurückzuführen, sondern erschien für ein eingehendes Verständnis der Ästhetik in ihrem jeweiligen philologischen Zusammenhang erforderlich.
Wie auch Albrecht Riethmüller 1988 bereits festgestellt hat, erweist sich die Quellenlage als «denkbar schlecht», zumal es weder eine Gesamtausgabe von Busonis Schriften, Briefen und Kompositionen noch eine nennenswerte Zahl kritischer Einzelausgaben gibt. An diesem Zustand hat sich bisher wenig geändert. Abgesehen von dem 1980 von Jürgen Kindermann herausgegebenen Werkverzeichnis sämtlicher überlieferter Kompositionen Busonis wurde die Beschäftigung mit den Quellen allerdings erheblich erleichtert durch die 1991 publizierte, von Marc-André Roberge zusainmengestellte Busoni-Biobibliographie, die nicht nur einen Überblick über alle tradierten musikalischen Werke, publizierten Schriften und Briefe Busonis gibt, sondern auch eine kommentierte Gesamtbibliographie zur bisher erschienenen Sekundärliteratur und eine Diskographie von den vorhandenen Werkeinspielungen bietet.
Untersucht wurden neben den bereits publizierten Schriften, Aufsätzen und Briefen Busonis unveröffentlichte Abhandlungen, Tagebuchaufzeichnungen, Notizen, Skizzen zum Instrumenten- und Theaterbau und Briefe, die grösstenteils im Busoni-Nachlass der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz Berlin und der Deutschen Staatsbibliothek Berlin aufbewahrt werden. Als problematisch erwies sich hierbei die Quellenlage in der Deutschen Staatsbibliothek, da der Nachlass noch nicht vollständig aufgearbeitet ist, so dass ein allgemeiner Überblick und vor allem ein Gesamtverzeichnis von den vorhandenen Briefen und nicht-kompositorischen Dokumenten fehlt. Von daher musste sich die Forschungstätigkeit auf die in vorbereiteter Aufarbeitung befindlichen Quellen beschränken. Von philologischer Bedeutung sind zudem noch die z.T. aus verschiedenen Nachlässen stammenden brieflichen Bestände der Rowe Music Library (Cambridge), der Library of Congress (Washington D.C.), der Hoskins Library (Knoxville, Tennessee), der Stiftung Rychenberg (Stadtbibliothek Winterthur), der Zentralbibliothek Zürich und der Fondazione Carlo Schmidl (Civico Museo Teatrale, Triest), die ebenfalls berücksichtigt wurden.

Die Verf. möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass ein Teil der unveröffentlichten Briefe Busonis, die bisher nur in der englischen und italienischen Übersetzung herausgegeben wurden, in der vorliegenden Dissertation weitgehend zum ersten Mal in der originalen Sprache, Orthographie und Interpunktion wiedergegeben werden. Hierbei werden Text- bzw. Briefstellen, die Busoni selbst gesperrt geschrieben hat, aus drucktechnischen Gründen fett abgedruckt. Zur wissenschaftlichen Auswertung wurden u.a. auch Briefe herangezogen, die an Busoni gerichtet sind (z.B. von Freunden, Schülern, Verlegern etc.) und ergänzende Informationen liefern. Als besonders aufschlussreich und höchst informativ erwiesen sich die tagebuchähnlichen Kalendernotizen
von Busonis Klavierschüler Gottfried Galston (1879-1950), der im Zeitraum von Dezember 1923 bis Mai 1925 mit akribischer Genauigkeit nahezu täglich die Ereignisse aus Busonis letzten Lebensmonaten, Gespräche mit dem Komponisten und Begebenheiten aus der Zeit nach dessen Tod aufgezeichnet hatte. Die Kalendernotizen befindet sich noch unveröffentlicht in der Hoskins Library (Knoxville, Tennessee) und werden hier ebenfalls zum ersten Mal passagenweise zitiert.

* Seit 1987 liegt eine neuere Auswahl von überwiegend unveröffentlichten Briefen Busonis vor, die von Antony Beaumont in englischer Übersetzung herausgegeben wurde. Die gleiche Ausgabe gab 1988 Sergio Sablich in einer erweiterten, italienischen Fassung heraus. ZURÜCK

Diese Tendenz wird vor allem sichtbar bei der Neuausgabe «Wesen und Einheit der Musik» (1956), in welcher bestimmte Quellen aus der Erstausgabe der Schriftensammlung «Von der Einheit» unter dem herausgeberischen Eindruck von vermeintlicher 'Bedeutungslosigkeit' einfach weggelassen wurden. ZURÜCK