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EINE WERTVOLLE ENTDECKUNG!

DIE KALENDERNOTIZEN DES PIANISTEN GOTTFRIED GALSTON (1879-1950) - HIER ERSTMALS VERÖFFENTLICHT - DOKUMENTIEREN TEILWEISE MIT AKRIBISCHER GENAUIGKEIT GESPRÄCHE UND EREIGNISSE DER VON KRANKHEIT ÜBERSCHATTETEN LETZTEN DREI LEBENSJAHRE FERRUCCIO BUSONIS (1866-1924) SOWIE BEGEBENHEITEN IN DER ZEIT NACH DESSEN TOD. MIT DIESEN AUFZEICHNUNGEN LIEFERT GALSTON ALS SEIN FREUND, ASSISTENT UND WESENSVERWANDTER EINEN HÖCHST AUFSCHLUSSREICHEN FUNDUS AN INFORMATIONEN, DER NICHT NUR BUSONIS ZEIT- UND PERSÖNLICHKEITSBILD ERHELLT, SONDERN VOR ALLEM IN BEZUG AUF DIE MENSCHLICHE SEITE DES MUSIKERS ZU VÖLLIG UNERWARTETEN EINSICHTEN FÜHRT.





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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT
[siehe unten]

DIE KALENDERNOTIZEN S. 7

BEMERKUNGEN ZUR EDITION
UND ZITIERWEISE DER QUELLEN S. 11

DANKSAGUNG S. 12

TEIL I
DAS 'TAGEBUCH' S. 15
[AUSZUG]

TEIL II
DAS 'NOTIZBUCH' S. 195

ANMERKUNGEN S. 204

QUELLENNACHWEIS 257

VERZEICHNIS DER
ZITIERTEN LITERATUR S. 259

TEXTSTELLENREGISTER S. 263

ANHANG

ABBILDUNGEN S. 266

BILDNACHWEIS S. 272

PERSONENREGISTER S. 273

TRADUZIONE IN ITALIANO

VORWORT

DIE KALENDERNOTIZEN

Anknüpfend an den 1999 herausgegebenen Briefwechsel mit Ferruccio Busoni (1866-1924) werden im vorliegenden Band die Kalendemotizen von Gottfried Galston (1879-1950), die als tagebuchähnliche Aufzeichnungen und als kurze, stichwortartige Chronik überliefert sind, erstmals veröffentlicht. Die Dokumente, unter dem Gesamttitel Gottfried Galston's Kalendernotizen in Bezug auf sein Zusammensein mit Ferruccio Busoni, 14th Okt. 1921 - XII 1923 zu Mai 1925, zusammengefasst, befinden sich heute im Galston-Busoni Archive (Special Collections) der Library of the University of Tennessee, Knoxville und im Busoni-Nachlass der Berliner Staatsbibliothek.
Das 'Tagebuch' des Pianisten, auf 257 Seiten im Zeitraum vom Dezember 1923 bis Mai 1925 handschriftlich niedergeschrieben, ist das einzige Zeugnis, das mit akribischer Genauigkeit nahezu täglich die Gespräche und Ereignisse der von Krankheit überschatteten letzten Lebensmonate Busonis sowie die Begebenheiten in der Zeit nach dessen Tod dokumentiert; demnach besitzt es einen höchst aufschlussreichen Fundus an Informationen, der das Zeit- und Persönlichkeitsbild Busonis erhellt und dabei, vor allem in bezug auf die menschliche Seite des Musikers, zu völlig unerwarteten Einsichten führt.
Es gibt keinen Hinweis, dass Busoni oder die Angehörigen seines Kreises von der Existenz dieser Aufzeichnungen Kenntnis besassen. Man kann daher davon ausgehen, dass es sich hier um ein rein persönliches Zeitzeugnis handelt, das nicht für Andere bestimmt war. Was mögen die Beweggründe gewesen sein, die zwischen Lebenshoffnung und Todesangst schwankende, bedrückende Realität des Musikers aufzuzeichnen? Ein Movens war vermutlich die beiderseitige Wesensverwandtschaft als Schöngeister, Kulturmenschen, Bibliophile, Pianisten und Pädagogen, die eine gegenseitige Annäherung ermöglichte und Galston als Freund und Assistenten Busonis dazu veranlasste, die Erinnerung an diese universell gebildete, richtungsweisende Persönlichkeit so genau wie möglich festzuhalten; als ausschlaggebend erweisen sich jedoch die dem 'Mentor' und 'Vorbild' entgegengebrachte Liebe, Bewunderung und demütige Hingabe, die vor allem in Galstons eigenen Ansichten und Kommentaren sowie in seinen Zeichnungen offen in Erscheinung treten, mit denen er die Kalendernotizen illustrierte, um seinen Gefühlen und Beobachtungen Gestalt zu geben.
Galstons Verehrung für Busoni war weder eine Einzelerscheinung noch eine Seltenheit. Er gibt in seinen Notizen genau jene Wirklichkeit wieder, die sowohl den Familienmitgliedern Busonis als auch dessen Freunden und Schülern bekannt war. Obwohl regelmässig am Krankenbett des Meisters anwesend, hatte jedoch keiner von ihnen die Initiative übernommen, über jene schwierigen Tage voll Bitterkeit, Qual und Anspannung Buch zu führen: aus Scheu? Bequemlichkeit? Literarischem Unvermögen? Einzig Galston hielt am Abend in der Stille seines Heims die schweren Stunden schriftlich fest, die er über sechs Monate hinweg mit Busoni verbracht hatte; seiner Ausdauer und Mühe ist zu verdanken, dass diese Informationen nicht verloren sind.
Die krankheitsbedingten Leiden und zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes machten den gewöhnlich aktiven, vor Lebensenergie strotzenden Busoni oftmals bitter und daher unobjektiv in seinen Urteilen und Äusserungen. So liest man die scheinbar 'unnahbare Kühle', die ihm als einem der grossen Intellektuellen seiner Zeit anhaftet, im Licht einer ergreifenden, zuweilen unverhüllten Menschlichkeit, die verborgene oder verblasste Einzelheiten seines Lebens und Wesens aufdeckt. Vor dem Leser entspannt sich das Bild eines begeisterungsfähigen und mitreissenden Geistes, der imstande ist, seine ganze Epoche durch den Filter der eigenen vorbehaltlosen Persönlichkeit zu sehen und zu interpretieren. Von aufschlussreichem Wert sind dabei die vielen Berichte und Anekdoten über zeitgenössische Musiker, Schriftsteller und Künstler, da sie neben Busonis Lebenserinnerungen zumeist biograpische, aber auch zeit- und kulturgeschichtliche Auskünfte enthalten, die anderswo nicht zu finden sind. Gemeinsame Gespräche über Bibliophilie, Literatur, Kunst und Musik, die wie ein roter Faden die vorliegenden Aufzeichnungen durchziehen, bieten zusätzlichen Einblick in Busonis Kunst-, Literatur- und Musikverständnis und lassen sie gleichzeitig als ein wirksames Mittel erkennen, die Krankheit und beständige Sorge um die Vollendung des «Doktor Faust» für kurze Zeit zu vergessen.




GALSTON NELLA SUA ABITAZIONE BERLINESE (1922)
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Mit bewegender Intensität dokumentiert Galston ebenso die Hilflosigkeit und Verzweiflung, die sich mit dem nahenden Ende Busonis immer stärker unter seinen Angehörigen, Freunden und Schülern ausbreiten und schliesslich nach dem Tod des Musikers schmerzliche Gewissheit erlangen: Sie haben ihren Bezugspunkt und geistigen Führer verloren, und mit diesem Verlust zerfällt der ganze Busoni-Kreis. Auch Galstons Aufzeichnungen werden danach zunehmend sporadischer und zehn Monate nach Busonis Tod letztlich ganz eingestellt.
Einen völlig anderen Gestus besitzt dagegen seine kurzgefasste Chronik, die als ein siebenseitiges maschinenschriftliches Dokument mit einem Durchschlag überliefert ist und den Einzeltitel Gottfried Galstons Kalendernotizen in Bezug auf sein Zusammensein mit Ferruccio Busoni in dessen letzten Lebensjahren aufweist. Beginnend mit dem 14. Oktober 1921 erstrecken sich die Aufzeichnungen über einen Zeitraum von 33 Monaten bis zum 21. Juli 1924, sechs Tage vor Busonis Tod. Wie der Wortlaut des Titels beweist, liegt hier eine spätere Abschrift der verschollenen autographen Vorlage vor, wobei ungeklärt bleibt, ob die Kopierarbeit von Galston selbst oder von einer anderen Person durchgeführt wurde und ob es sich bei dem Titel um die Originaltitulierung handelt. In diesem Zusammenhang lässt sich ebenfalls nicht belegen, ob die Notizen Busoni oder den Mitgliedern des Busoni-Kreises bekannt waren.
Im Gegensatz zum 'Tagebuch' trägt diese Quelle den Charakter eines in unregelmässigen, stellenweise grösseren Zeitabständen geführten kleinen 'Notizbuches', das in knappen Eintragungen nur die anscheinend wesentlichsten Begebenheiten um Busoni verzeichnet, die sich innerhalb dieser Zeitspanne vor Galstons Augen ereignet haben. Zugunsten einer sachlichnüchternen Darstellung wird dabei auf die Wiedergabe von persönlichen Ansichten, Kommentaren sowie detaillierten Beobachtungen und psychologisierenden Schilderungen gänzlich verzichtet. Wie aus dem oben erwähnten Briefwechsel mit Busoni zu schliessen ist, begann Galston mit diesen Aufzeichnungen unmittelbar nach seiner Übersiedelung von München nach Berlin. Hier boten sich ihm nicht nur bessere Bedingungen für eine gesicherte Anstellung als Pianist, sondern gleichzeitig auch die Möglichkeit, seinem verehrten Meister nahe zu sein. Über die Motive, die zur Entstehung des 'Notizbuches' geführt haben, lassen sich jedoch nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise waren es die gleichen wie die, die zur Niederschrift des 'Tagebuchs' beigetragen haben könnten. Wahrscheinlich ist ebenso, dass diese Aufzeichnungen, zunächst noch für sich selbst geschrieben, schliesslich als Gedächtnisstütze oder Anhaltspunkte für eine geplante Publikation über Busonis letzte Lebensjahre dienen sollten - ein Vorhaben, das später vielleicht wieder aufeezeben worden sein könnte. Für diese Annahme spricht zui einen die sachliche Komprimiertheit und Stichwortartigkeit der Quelle, zum andern auch die Tatsache, dass Galston bereits 1921 mit seinen Notizen begonnen hatte und sie auch später noch parallel zum 'Tagebuch' weiterführte. Offen bleibt allerdings, warum die Aufzeichnungen gerade mit dem Eintrag vom 21. Juli 1924 enden, während jedoch das 'Tagebuch' fortgesetzt wird.
Trotz ihrer Knappheit bieten die Kalendernotizen aufschlussreiche Informationen um Busoni und bilden gemeinsam mit dem 'Tagebuch' ein für die Forschung interessantes Zeugnis der damaligen Zeit- und Kulturgeschichte.


BUSONI IST TOT
[pp. 185-188]


Sonnabend 26 Juli [1924] Seit vorgestern scheint eine weitere Verschlechterung des Zustandes eingetreten zu sein. FB erkennt Umgebung nur mühsam. Sprechen fällt immer schwerer.

Sonntag 27 Juli Eine leichte Halsentzündung hiess mich vorsichtig sein, so war ich vorgestern nicht bei FB gewesen. Gestern aber trieb mich die Unruhe hin. Zeitungen stiessen schon Unkenrufe aus 'die auf das Schlimmste vorbereiten' sollten. Es war wieder eine Verschlechterung eingetreten, wie mir Lello [der Sohn Raffaello] und die Krankenschwester gleich bei der Tür sagten. Es war diese unsympathische Stunde (von 3-4), wo bei FB immer Kaffeehaus und Tratschbetrieb war. Lello und seine Japanerin, die neue Krankenschwester (mir sehr zuwider), Benno [der Sohn Benvenuto], [Michael von] Zadora ... Dieser sprühte Entrüstung über FBs ungerechte, heftige Ausfälle gegen Flaubert. So zählte er auf in seiner zappelig zerahrenen Art, wie FB auf jedes Werk Flauberts geschimpft, wie er behauptet, 'es gäbe niemand, der irgend ein Werk Fl[aubert]'s zuende gelesen hätte. So langweilig wäre das alles...' und so... Ich fand diese Art 'table talk', Wand an Wand mit einem in der Agonie liegenden Meister, 'dem' Meister - recht geschmacklos und warf (also vielleicht etwas barsch) ein: Das alles 'sei ja ganz anders.' Worauf Zadora frech wurde. Worauf ich mich entschuldigte, am Leben zu sein, schwieg - und bald darauf verschwand.
Frau Gerda bekam ich gar nicht zu Gesicht.
Zadora ist au fond ein lieber und herzensguter Kerl. Aber erstens ist er, wie alle Schüler einer gewissen Qualität, voll Ressentiment gegen den Meister, von dem sie nie loskommen und dann ist er masslos 'nervös'. Seine Bildung ist die übliche, und die Urteile sind etwas... jugendlich. Er ist zwar über vierzig, aber doch noch ein Junge in vielen Sachen. Gestern gieng es mir - was selten vorkommt - doch 'über die Hutschnur', neben dem Sterbezimmer solchen Quatsch mitanzuhören zu müsen. Ich verwünschte mich, dass ich mich an diesen verfluchten Kaffeehaustisch gesetzt hatte.
FB hat während seiner 2jährigen Krankheit diese Phasen der Auflehnung und der bitteren Revision mit Schmähung und Ungerechtigkeit gegen 'abgestempelte Gipfel' gehabt. So war die Schmähsucht gegen Beethoven, gegen Wagner, gegen Flaubert, Balzac etc., etc. zu verstehen: Ein Scheidender, der hemmungslos Götzen zerschlägt, vor denen er (mit den anderen) früher faul gebetet. All das war vorübergehend, und schon war er wieder im Begriff, zur endlichen Mitte der auseitigen gerechten Würdigung zurückzukehren... aber da geht er von uns. Ausserdem: es waren nur Momente, wo er so sprach. Momente irgend eines Druckes. Somit aber hess er schon - mit Auswahl gelten, was Geltung hat. Ich erinnere mich aus der letzten Zeit seiner richtigstellenden Bewunderung: Beethoven = Missa sol[emnis], Letzte Quartette, op. 106.
Balzac: kleine Erzählungen, z.B.: 'Sarrasine'
Flaubert: 3 Contes, St. Antoine.
Nur mit Wagner - da war er ganz und gar unversöhnlich und zu gar keinem Einlenken bereit.
All das war aber auch die bittere Oppositionslust eines Verbitterten. Er glaubte, ungerecht und böse gezüchtigt zu sein. Schuldlos fühlte er sich und bitter (ungerecht wurde er).
Und das alles hätte ich vorbringen können - zu erklären dass es 'anders' sei, als Zadora es darstellte. Aber nitschewo...

Der Himmel verhüte, dass ich in die bevorstehenden, fürchterlichen und abscheulichen Keilereien und blutigen Keifereien hineingezogen werde, die jetzt im Hause des Dahingegangenen losbrechen werden!!

[Schwarz umrandet:]

Heute Sonntag 27 Juli zwischen 4-5 Uhr morgens ist FB entschlafen.
Ich kam von Unruhe getrieben um 11 Uhr vormittag hin. Benno empfieng mich verlegen lächelnd. Auf meine Frage nach der Nacht und ihren Verlauf antwortet er nicht. Lächelt verlegen. Wir treten ins Musikzimmer. Zadora am Sofa. Ich frage wieder. Endlich sehe ich und höre. Nebenan liegt der Tote. Ich wende mich ab...
Frau Gerda nicht zu sehen. Lello nicht da. Ich trete ins Sterbezimmer. Frau Gerdas Bett: die Matratzen bar, kreuz und quer und nebenan ein weisses Laken, versteckt eine ganz geringe schmächtize Masse.
Ich hebe das Tuch. Gelb, gross, friedlich der glatte Kopf Bart rasiert. (?) Ist eine schmale Binde um die Stirne?? Ich eile hinweg.
Jetzt ist unser Führer, unser Gewissen, von uns genommen. Rabiate Schwärze [?Unleserlich], die Züge können aufatmen.
Wer aber wird sein Werk und Wirken weiterführen?? - -

Es trieb mich wieder auf die Strasse und in die Nähe des Hauses am Viktoria Luisenplatz. Rita Bötticher [eine enge Freundin Busonis und seine Sekretärin] mit Mutter - in Schwarz - [in der] Luitpold-Strasse getroffen. Gleich wollten sie Schmähkonzerte, Schimpfen und Schmähen einsetzen gegen Frau Gerda und die flegelhaften Söhne. Ich stellte das schnell ab. Rita B.[ötticher] erzählte, was sie von der Krankenschwester über die letzten Stunden FB's gehört hat. Um 12h Mitternacht ass FB noch ein Ei. Die Schwester reichte es ihm. Er fragte sie: 'Ist das der Tod?' Und später [Ende des schwarzen Randes]
[s. Anhang, Abb. 5]
als die Krankenschwester eine beruhigende Medizin reichte, seufzte er: 'Ich bin ja schon todt.'
Um 4 Uhr früh kam Dr. Meyer und bald darauf sei er in den Armen des Arztes und der Schwester gestorben. Sie wuschen und kleideten ihn, und er wurde rasiert. Der Kopf wirkt jetzt wieder gross und mächtig.

Rita B[ötticher] behauptet, über alle Pläne und Werke, Absichten und Bestimmungen FB's von ihm unterrichtet zu sein. Schon aber steht sie grollend abseits. Flegeleien der Familie vorschiebend. Leichtentritt sei gestern schweren Herzens abgereist. Er sei der 'gegebene' Nachlassordner und Verwalter? Ecke Luitpold und Münchner Str. in der Konditorei Thier sassen Petri und Frau. Ich konnte nicht hinzu. Mir graut vor Possen und Komödien und fratzenhaften Wichtigtuereien der nächsten Tage.

Sicher ist: - dem Meister der Töne und dem herrlichen Geist grosser Harmonien ward kein friedliches Sterben beschert. Immer in all diesen schweren, schweren zwei Jahren gab es hässlichen Kampf um ihn, mit ihm, er gegen alles, alles um ihn, in Streit und Keilerei. Eifersucht, Missgunst und Gereiztheit zerrissen die Luft bis zur allerletzten Stunde. Da denk' ich an Weill, wie er meint: Das war ein heidnisches Sterben. ...

Und er wird nicht aufhören, Streitobjekt zu bleiben. Denn jetzt kann Eifersucht und Machtkitzel weiterstreiten um den Nachlass der Güter und Werke und um ihre 'richtige' Verwaltung!!!

Oh, Menschen, Menschen, Menschen ...

Montag 28. Juli

Heute um 12.30 wurde (nachdem das Gesicht des Toten rasiert) von Bildhauer Kurt Kroner und Gehilfen [die] Gesichtsmaske (und Photographien) genommen. Wieder sah ich die Leiche und war entsetzt: Wie fürchterlich verändert, wie durchaus fremd und elend fern sah das aus! Besonders die untere Gesichtshälfte: das ist ein Fremder. Und so also sieht jetzt die 'Wohnung' aus ohne den Geist.

Rummel im Haus. Petri, Zadora, Kestenberg, Weill, Dr. Löwenstein, Frl. Simon, die Frauen Schwiegertöchter und Söhne. Beratungen über Beerdigung, Schwierigkeit der Verbrennung. Feier von der Akademie veranstaltet. Begräbniseinladungen an 100 Menschen...
Frau Gerda heute wieder nicht gesehen...

28/VII Montag

Nachmittag dort. Frau Gerda umarmt und getröstet. Sie weinte, schien mir aber aufrecht und mutig. Die Worte, die ich ihr sagte: wir müssen weiterleben, wir haben noch viel und wichtiges für ihn zu besorgen und zu bewirken - schien ihrer eigenen Überzeugung zu entsprechen. Die Söhne sassen mit Zadora im Speisezimmer und schimpften, spotteten, medisierten und parodierten jeden Besucher und Freund, der kam und gieng. Diesem Haus und Kreis (der zerbrochen) muss ich jetzt adieu sagen. Man soll mich rufen, wenn - man mich braucht...

30 Juli Mittwoch Heute um 12 h war in der Akademie am Pariserplatz für geladene Gäste eine Trauerfeier. Grosser Zudrang von Menschen. Familie und nähere Freunde wurden zuerst in ein gesondertes Zimmer gebeten. Dort versammelten sich Die Söhne und Schwiegertöchter

Jarnach
Weill
Zadora
Petri und ich
Gurlitt jun.[ior]
Kestenberg
Frl. Chiwick
Frl. Friedberg
Frl. Irene Sanden (Schäffsberg, Grünberg)
Frau Prof. Weigert (Behmer)411
Frl. Dr. Simon
die Frauen Zadora's Petri's, Kestenberg's, Jarnach's [rechts daneben…] Frau Gerda blieb fern. Man sagt:?? ein gegenseitiges Versprechen der ehegatten, nicht der Beerdigung beizuwohnen, sei der grund? [...]







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BY KIND PERMISSION OF
FLORIAN NOETZEL

HEINRICHSHOFEN BÜCHER