MOPP
(Max Oppenheimer)

RITRATTO DI THOMAS MANN

MENSCHEN FINDEN IHREN MAHLER
Zürich 1938, pp. 46-48
Am leuchtertragenden Schreibtisch, gerade und doch leicht vornübergeneigt, ein Blatt vor sich, das er bedächtig und regelmäßig mit steilschrägen Schriftzeichen bedeckte, saß Thomas Mann. Nun er den Kopf hob, fixierten brillenscharf und glitzernd seine stahlgrauen Augen einen Punkt in der Ferne. - »Ich soll sprechen! Wird das nicht stören? Nein?« Eine Braue zuckte nach oben, und schon lag die Feder, behutsam Lind mit der Spitze abwärts, zur Seite des Manuskripts.
»Schöpferisch sein, heißt, wie Sie bemerkten, bewegt sein!« - »Aber wovon?« - »Von Sehnsüchten, Idealen? - Für uns Deutsche war es immer der Süden, für Goethe die Antike, der Orient sogar - und Wagner? - Er lebte in Italien, und dort schrieb er deutsche Opern - und für Platen waren es klingende venezianische Laute, Namen, vokalschwere, melodische, um die er seine Sprache hing wie ein Band ... « (In seiner Stimme waren nun Festigkeit und schöner Schwung.)

Mein Auge ließ das hohe Meer zurücke,
Als aus der Flut Palladios Tempel stiegen,
An deren Staffeln sich die Wellen schmiegen,
Die uns getragen ohne Falsch und Tücke.

Wir landen an, wir danken es dem Glücke,
Und die Lagune scheint zurückzufliegen,
Der Dogen alte Säulengänge liegen
Vor uns gigantisch mit der Seufzerbrücke,

Venedigs Löwen, sonst Venedigs Wonne,
Mit eh'rnen Flügeln sehen wir ihn ragen
Auf seiner kolossalischen Kolonne.

Ich steig an Land, nicht ohne Furcht und Zagen,
Da glänzt der Markusplatz im Licht der Sonne:
Soll ich ihn wirklich zu betreten wagen? -

Wir alle haben ihn betreten. Wer als Deutscher ein Weltbild formt, ist ergriffen von den Fjorden - und der Lagune; das ist unser Schicksal - aber auch unsere Stärke.