MOPP
(Max Oppenheimer)

RITRATTO DI EGON SCHIELE

MENSCHEN FINDEN IHREN MAHLER
Zürich 1938, pp. 34-36
Zwischen den beiden Stühlen und den drei Staffeleien meines Ateliers stand plötzlich ein junger Mensch. Die dunklen Augen seines kahlgeschorenen Asketenkopfes sahen mich unverwandt an. Dann sagte er: »Ich möchte Ihnen meine Bilder zeigen!« Wir gingen sogleich. Gegenüber dem Nordbahnhof, im fünften Stock eines öden Hauses und an eine Kiste gelehnt, standen Gemälde. Farben lagen auf dem Fensterbrett und Berge von Zeichnungen bedeckten den Boden. Die Bilder waren auf Hintergründe gemalt, die mit Staniol beklebt waren. Die Linienführung war bizarr und sehr ornamental. Ich sagte, daß ich eine andere Auffassung vom Malen hätte, aber die Intensität, auf die es allein ankäme, schiene mir außerordentlich und der meinen irgendwie verwandt. - »Deshalb komme ich zu dir«, sagte er. - Zwei Tage und drei Nächte blieben wir beieinander, durchstreiften die Vorstädte und das Hügelgelände und gaben unsere letzten Kreuzer für ein Glas Milch am Morgen. Wir ergründeten alle Probleme der Kunst, denn wir waren jung: er achtzehn, ich dreiundzwanzig. Monate malten wir nebeneinander, standen einander Modell und teilten Not und Farben. Wir waren arm - halb verhungert, aber wir hatten ein Ziel und waren stolz auf unsere Bedürfnislosigkeit.
Als keine Farben mehr da waren, unternahm ich es, unsere Zeichnungen zu verkaufen. Zwölf von den seinen, farbig gehöhte, und vier von den meinen.
»Was soll ich mit dem Zeug«, sagte ein Kunsthändler, ohne nach dem Preise zu fragen. Und in Döbling entließ mich der einzige Sammler, der damals in Wien moderne Kunst kaufte, mit den Worten: »Leider, mein Lieber, habe ich schon zuviel von euren Sachen!« - Ich ging geknickt und entmutigt. Auf der Straße traf ich den Oberbaurat W., der große Staatsaufträge hatte. Er gab zwanzig Kronen für sechzehn unserer besten Blätter, und lächelnd sagte er: »Kommen S' nicht gleich wieder!«
Als ich
Schiele zu Hause das Ergebnis, Farben und vier Semmeln auf den Tisch legte, machte er jene verachtende Handbewegung und hatte jenen schmerzlichen Ausdruck, die das Motiv meines Porträts bildeten, das ich sogleich von ihm malte.