Gangolfer Kreuzgangspiele 2001
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Pressebericht - Personen und ihre Darsteller

Zeit zu Reden -

Zeit zu Schweigen

ein Schauspiel in 19 Bildern von Herbert Rosendorfer

EINFÜHRUNG:

zu Pater Rupert Mayer
zum Stück
zum Autor

zu Pater Rupert Mayer

Die markante Person des Pater Rupert Mayer (1876-1945) steht im Mittelpunkt des Schauspiels "ZEIT ZU REDEN - ZEIT ZU SCHWEIGEN" von Herbert Rosendorfer.

Rupert Mayer, ein gebürtiger Schwabe, kam 1912 als junger Jesuit nach München. Das Verbot seines Ordens aus dem Kulturkampf war gerade erst aufgehoben worden. Seine erste Aufgabe bestand darin, sich um die vielen, mit sozialen Nöten belasteten Zuwanderer vom Land zu kümmern.

1914 zog er voll naiver patriotischer Begeisterung freiwillig als Feldgeistlicher mit in den Ersten Weltkrieg. Katholiken wollten damals beweisen, dass sie ebenso gute Deutsche sind wie Protestanten.. Er hielt nicht nur aufrüttelnde Feldpredigten für Gott und Vaterland, sondern blieb auch an vorderster Front bei seinen Kameraden, half Verwundete retten und Sterbende trösten und wurde so schon zur Legende. Später bekannte er einmal: So schlimm, wie er wirklich war, habe er sich den Krieg vorher nicht vorgestellt. In Rumänien wurde der mit Eisernem Kreuz und anderen Orden dekorierte Divisionspfarrer dann selbst verwundet. Er verlor sein linkes Bein.

Nach dem Krieg war er zusätzlich Präses der Marianischen Männerkongregation. Als "Apostel Münchens" galt er wegen seines unermüdlichen sozialen Einsatzes und wegen der geradlinigen Offenheit seiner Predigten. Vor allem von der Kanzel der St.-Michaels-Kiche aus wurde er zum einsamen Kämpfer gegen den totalitären Machtanspruch des Nationalsozialismus, den er von Anfang an in seiner Gefährlichkeit durchschaut hatte. Nicht frei von Spannungen war darum sein Verhältnis zum damaligen Münchner Erzbischof Kardinal Michael Faulhaber. Pater Mayer wünschte sich ein entschiedeneres Auftreten der Kirche gegen die Nazi-Machthaber. Faulhaber dagegen hoffte, Hitler werde das Konkordat und seine Versprechungen als Reichskanzler doch noch halten.

1935 bekam Pater Mayer Redeverbot, wiederholt wurde er von der Gestapo ver-hört. Nach seiner ersten Verhaftung und Verurteilung 1937 wegen Kanzelmissbrauchs predigte Rupert Mayer weiter. 1938 wurde er zu Schutzhaft bis Kriegsende verurteilt. Im KZ Sachsenhausen erkrankte er 1940 schwer. Um zu verhindern, dass der populäre Priester zum Märtyrer wird, und um ihn gleichzeitig mundtot zu machen, wurde er freigelassen, aber ins Kloster Ettal verbannt. Er selbst bekennt: Nie habe er die Güte Gottes mehr gespürt als im KZ. Über die Verbannung im "goldenen Käfig" aber schreibt er: "Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja dieser Tod ist für mich, der ich noch so voll Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefasst war. Der Gestapo und der ganzen Bewegung konnte ich und kann ich keinen größeren Gefallen erweisen, als hier ruhig abzusterben..."

Trotz Redeverbotes war er Symbol des Widerstands. Schon zu Lebzeiten wurde er fast wie ein Heiliger verehrt. Er verstarb kurz nach Kriegsende, am Allerheiligentag 1945, in München.

zum Stück:

"ZEIT ZU REDEN – ZEIT ZU SCHWEIGEN" - der Titel von Rosendorfers Stück, rührt von der bekannten Predigt des Münchner Erzbischofs Kardinal Faulhaber über Kohelet 3.7 her. Er hielt sie 1937, als Pater Rupert Mayer verhaftet worden war. In ungewöhnlich scharfer Weise verurteilte der Kardinal öffentlich diese Verhaftung und das Predigtverbot der Nazis und nannte sie ein rauchendes Flammenzeichen. Zugleich aber rief er die Münchner zur Einhaltung des Konkordates und der Ordnung auf: Es sei Zeit zu Reden vor Gott, nicht zu provozierenden Demonstrationen auf der Straße, sondern zu täglichen Gebets-Protesten in der Kirche.

Herbert Rosendorfer behandelt den historischen Stoff "frei": Heute problematisch erscheinende Züge Pater Rupert Mayers treten dabei in den Hintergrund. Er erscheint in erster Linie als Kämpfer für Menschenrechte, die "vornehmste Erungenschaft des Christentums": "Wer für die Freiheit stirbt, stirbt für den Glauben!" Er steht angesichts des Kriegsinfernos vor der Frage, ob "Gott sich in seinen Geschöpfen getäuscht" habe. Glaube und Vernunft bringt er nicht mehr in Einklang und verstummt. Rosendorfer setzt sich zudem etwa mit der Problematik der Heiligenverehrung auseinander, und mit der von Himmel und Hölle. "Darf man dem blutigsten eisernen Geier die Hölle wünschen?

"Keinesfalls soll der Irrtum aufkommen, dass es sich um eine Dokumentation handelt" schreibt Rosendorfer selbst. Doch er möchte dem Leben und Geist des Pater Rupert Mayer gerecht werden.

Das persönliche Drama Pater Rupert Mayers wird in Spannung gesetzt zur politischen Entwicklung zwischen 1933 und 1945. Diese spiegelt sich auf alltäglicher Ebene in 10 Szenen vor dem Tabakladen wider. Zwei normale Bürger, der Tabakist Grundler und sein Stammkunde Kaltenstadler räsonieren in Dialogen voller Komik über die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen von liberaler Bürgerlichkeit, über Judenhass, bis zu totalem Krieg und Verdrängung der Vergangenheit und zeigen sich in jeder Lage voll angepasst. In unserer Inszenierung wird durch die wechselnden Plakate an der Litfaßsäule diese Entwicklung zusätzlich ins Bild gebracht.

Ein Stück über das Dritte Reich zu spielen, mag auf manche Einwände stoßen: Das traurige Kapitel deutscher Geschichte wird wieder und wieder in der Schule durchgenommen. Gedenkereignisse und Gedenkstätten, Tagungen, Filme und Bücher gegen das Vergessen und Verdrängen gibt es zur Genüge. Warnungen vor einem neuen Auschwitz, Vergleiche mit heutigen Verbrechen verfehlen längst ihre Wirkung, weil diese Rituale schon zu häufig bedient wurden, und führen zur Banalisierung. Schnell stellen sich Überdruss und Abwehrmechanismen ein.

Solche Bedenken gegen viele Versuche der Vergangenheitsbewältigung werden aber bei Herbert Rosendorfers "19 Bilder über die letzten Lebensjahre des Pater Rupert Mayer" nicht bestätigt:

Gerade weil das Stück nicht pathetisch-moralinsauere Belehrung ist, sondern Satire, geht es unter die Haut. Gerade weil es nicht unmittelbar Bilder des Schreckens bringt, sondern spießbürgerliche Unterhaltung darüber, kann es unmittelbar anrühren, gerade weil nicht nur Unmenschen, sondern "Menschen quasi" dafür verantwortlich sind, verharmlost es nicht. Gerade weil wir dabei lachen dürfen, kann uns das Lachen immer wieder vergehen.

zu Herbert Rosendorfer

1934 in Gries/Bozen geboren, lebte der Autor viele Jahre in München, wohin 1939 seine Eltern zogen. Hier machte er Abitur, besuchte ein Jahr die Akademie der Bildenden Künste, studierte Jura und war als Staatsanwalt und 1969-1993 als Amtsrichter tätig. Dann war er bis 1997 Richter am Oberlandesgericht in Naumburg. Seit 1990 ist er Professor für bayerische Literaturgeschichte. Derzeit lebt er in der Nähe von Bozen. Er darf als einer der besten Satiriker Deutschlands gelten. Zugleich ist er einer der produktivsten. Am bekanntesten sind seine "Briefe in die chinesische Vergangenheit" (1983).