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INHALT

DIE TOTE STADT

pp. 254-262

Julius Korngold (1860-1945)

Promotion zum Dr. jur. in Wien, daneben Musikstudium am Konservatorium, u.a. bei Anton Bruckner. Anwalt in Brünn, nebenberuflich Musikkritiken. 1902 holt ihn der Wiener «Kritikerpapst» Eduard Hanslick an die «Neue Freie Presse», wo Korngold nach Hanslicks Tod (1904) dessen Nachfolger wird und das Musikressort 32 Jahre lang leitet. Korngold nimmt Partei für Wagner und Mahler und gegen die atonale Musik. Er ist einer der ersten, der die Bedeutung Debussys und Strawinskys richtig einzuschätzen versteht. 1938 folgt er seinem Sohn ins amerikanische Exil.


Erich Wolfgang Korngold (1897 - 1957)

Mit seiner musikalischen Pantomime Der Schneemann, 1910 an der Wiener Hofoper uraufgeführt, wird der junge Komponist als «Wunderkind» bekannt. Danach Studium bei Alexander von Zemlinsky. Die größten Erfolge erringt er mit seinen Bühnenwerken: Violanta (1916), Die tote Stadt (1920) - eine der meistgespielten Opern der zwanzigerjahre -, Das Wunder der Heliane (1927). 1934 folgt er Max Reinhardt nach Hollywood, wo er beginnt, Filmmusik zu schreiben. Vor allem Die tote Stadt, seine Violinkonzerte und die Streichquartette erfreuen sich heute wieder steigender Beliebtheit.
Wien von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs - das ist gleichbedeutend mit einer der kreativsten und spannendsten Epochen unserer jüngeren Musikgeschichte. Die historischen Auseinandersetzungen um die Musik Richard Wagners und Johannes Brahms, Anton Bruckner, Gustav Mahler, Richard Strauss, Alban Berg oder Arnold Schönberg und seine Zwölftonmusik hatten hier ihr Zentrum - Auseinandersetzungen, in denen Julius Korngold Partei nahm und in seiner Eigenschaft als Musikkritiker der einflußreichen «Neuen Freien Presse» meinungsbildend wirkte. Die im kaliformschen Exil verfaßten Memoiren des streitbaren Kritikers geben ebenso kurzweilig wie informativ Auskunft über den Geist der Epoche, deren bedeutendste Musiker-Persönlichkeiten und die kleinen und großen Intrigen der damaligen Musikszene.
Zudem begleitet Korngold kommentierend und analysierend den Werdegang seines Sohnes Erich Wolfgang Korngold, der es vom komponierenden Wunderkind zu einem der in den zwanziger Jahren in Deutschland wie in Österreich meistgespielten Opernkomponisten brachte und später als Komponist von Filmmusik in Hollywood Karriere, machte.

Wer das Musikleben des letzten halben Säkulums mit wachen Augen und Ohren verfolgt hat, der kennt Namen und Werk dieses großen Kritikers. Julius Korngold nahm bis zum Zusammenbruch Europas eine Stellung ein, die seinem Wort einen nachhaltigen Klang und seinem Urteil wirkliche Macht verlieh. In Wien, der klassischen Musikstadt des alten Kontinents, schrieb er in der größten und kulturell wichtigsten Zeitung die Musikkritik, und da er sein Amt mit wahrhaft universaler Kenntnis, mit zergliedernder Gewissenhaftigkeit und einer nur ihm eigenen eifernden Begeisterung versah, so errang er schon frühzeitig den internationalen Ruf eines der bedeutendsten kritischen Schriftsteller auf seinem Gebiet. Er horchte mit leidenschaftlichem Herzen und feinen Ohren der Musik. Und die Musik und ihre Liebhaber horchten aufmerksam seinem Wort.

Franz Werfel, 1942

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