HOMEPAGE

OPERNHAUS ZÜRICH WEBSITE

 

LA DAMNATION DE FAUST

MAGAZIN OPERNHAUS ZÜRICH

[© Magazin Opernhaus Zürich. Testo pubblicato
con il consenso scritto della direzione della Dramaturgie]

 

Obwohl eine der ältesten «Faust»-Vertonungen - die entsprechenden Werke von Schumann, Gounod, Boito, Liszt, Mahler (die achte Symphonie!) und Busoni entstanden alle spâter - ist «La Damnation de Faust» von Hector Berlioz inhaltlich und formal eine der originellsten und eigenständigsten. Ein grosser Teil des Textes geht wörtlich auf Goethe und dessen französische Übersetzung durch Gerard de Nerval zurück, doch kamen ganz neue Szenen dazu, unter anderem eine in Ungarn, wo unter den Klängen des Ràkòczy-Marsches eine Armee vorbeizieht und damit eine der berühmtesten Nummern von Berlioz zum besten gibt.
Am 11 . Dezember 1803 - also fast auf den Tag genau 197 Jahre vor unserer Premiere - wurde Hector Berlioz in La-Cöte-St.-André, einem kleinen Dorf zwischen Grenoble und Lyon geboren. Von den strengen Eltern wurde er, wie schon sein Vater, für eine Karriere als Arzt ausersehen, und nur mit grosser Mühe und nach jahrelangen Auseinandersetzungen vermochte Hector sich gegen die Eltern zu wehren und sich seiner eigentlichen Berufung, der Musik, zuzuwenden. Dieser Kampf war symptomatisch für seinen weiteren Werdegang und den Verlauf seines gesamten Lebens. Stets musste sich Berlicz mit seinen ungewöhnlichen Projekten gegen Dilettanten, Intriganten und beschränkte Spiessbürger durchsetzen. Von Zweifeln und Depressionen geplagt, folgte er doch seiner Eingebung und verwirklichte viele seiner Vorstellungen den gängigen Traditionen und Erwartungen zum Trotz.
Als Kind hatte er Unterricht in Flöte und Gitarre gehabt, doch widmete sich Berlioz in Paris sowohl am Konservatorium als auch privat hauptsächlich der Komposition und dem Dirigieren. Mit der Zeit wurde er zu einem begehrten Dirigenten und zu einem der ersten Pultstars der Musikgeschichte. Berühmt waren seine Aufführungen von monumentalen Werken in ungewöhnlichen Sälen, als erster organisierte er sogenannte «festivals», d.h. besondere Konzertereignisse. Daneben war er als Publizist, Kritiker und Musiktheoretiker tätig, wobei insbesondere sein Traktat über die Instrumentations- und Orchestrationskunst einen grossen Einfluss auf nachfolgende Generationen hatte und das Bild des modernen Symphonieorchesters nachhaltig beeinflusste.
In den Hauptstädten der Welt war er gern gesehener Gast, und die Fürsten vieler Länder, selbst der preussische König, gehörten zu seinen neugierigsten Zuhörern, die es nicht erwarten konnten, «Romeo et Juliette», die «Symphonie fantastique» oder Ausschnitte aus dem alle Dimensionen sprengenden «Requiem» kennenzulernen. Nur in der Stadt, die ihm am meisten am Herzen lag, in Paris, blieb ihm die letzte Anerkennung versagt. Musste er Aufführungen seiner Werke selber organisieren und aus eigener Tasche bezahlen, so wurden ihm doch zahlreiche Steine in den Weg gelegt und der Erfolg von den zahlreichen Neidern vergällt. Nach der ersten, konzertanten Vorstellung von «La Damnation de Faust» an der Opéra Comique im Jahre 1846 war Berlioz infolge der grossen Investitionen verarmt und musste von mitleidigen Freunden Geld füreine Reise nach Russland annehmen, wo er auf Verbesserung seiner Verhältnisse hoffen konnte.
Schon 1829, beim ersten Lesen von Goethes «Faust», war Hector Berlioz so beeindruckt gewesen, dass er acht Szenen, vor allem geschlossene Nummern wie den Ostergesang, das «Lied von der Ratte», die «Ballade vom König in Thule» usw. vertonte. 1845/46 reiste er durch Mitteleuropa und griff sein «Faust»-Projekt unter den Eindrücken seiner Erlebnisse u.a. in Wien, Pest, Breslau und Prag wieder auf. Er musste die «Huit scenes» nur wenig überarbeiten, fügte einige Bilder und die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen hinzu und schuf das zunächst «opera-concert» und dann «légende dramatique» genannte Werk, das wir heute kennen.
«La Damnation de Faust» ist eher statisch, kontemplativ, gleicht in seiner Verbindung von Elementen der Klassik und der Romantik den grossen historischen Gemälden eines Géricault oder Delacroix und wird daher oft im Konzertsaal aufgeführt. Die Farbigkeit der Ballett- und Chorszenen, die Lebendigkeit der drei Hauptfiguren und die anschauliche Plastizität der Musik an unterschiedlichsten Schauplätzen machen Berlioz' «Faust»-Version aber auch für eine szenische Umsetzung attraktiv.
Berlioz' Musik ist nicht, wie oft kolportiert, nur monumental und pompös, und gerade in «La Damnation de Faust» steht das Verhältnis zwischen Grossartigem und Verinnerlichtem in meisterhafter Balance. Eines seiner grössten Vorbilder war denn auch Christoph Willibald Gluck, dessen Klarheit und stilistische Schlichtheit Berlioz stets zum Masse dienten.