OLIVER WIDMER
Guilelmo - die Zürcher Neuinszenierung folgt in der Namensgebung dem Erstdruck des Librettos und nicht der später modernisierten Form «Guglielmo» - ist für Oliver Widmer ein weniger tiefgründiger Charakter als Ferrando. Jung und naiv, ohne jegliche Erfahrungen, schwimmt er auf dem Meer der Unwissenheit. Die hohe Emotionalität der Situationen, in die er gleichsam hineingestossen wird, überraschen ihn selbst. So ist etwa der Schmerz über den Abschied im Quintett des 1. Aktes von seiner Seite sicher nicht geheuchelt, sondern völlig ernst gemeint. Symptomatisch für seine noch sehr unreife Beziehung zu Fiordilgi scheinen dem Sänger die Attribute, die er gegen Don Alfonso für die Einmaligkeit seiner Braut ins Feld führt; sie haben mit einer wirklichen Wahrnehmung ihrer Person nichts zu tun. Ohne über Konsequenzen nachzudenken, lebt Guglielmo von einem Moment zum anderen, sein Liebesduott mit Dorabella ist von der ersten Note an aufrichtig, wie denn sein ganzer Charakter von Mozart sehr gerablinig gezeichnet ist. Äusserst schmerzhaft erfahren in «Così fan tutte» die beiden jungen Paare den Prozess des Erwachsenwerdens. Eine wesentliche Rolle spieltbabei gerade für Guglielmo auch die Verkleidung, denn in der Maske eines Exoten kann man die gute Erziehung ruhig einmal vergessen. Dass Guglielmo seine Gefühle nicht verstellen kann, zeigt sich besonders deutlich bei der von Don Alfonso inszenierten Hochzeitszeremonie, wo er nicht mehr bereit ist, gute Miene zum grausamen Spiel zu machen. Wie es nach dem bösen Erwachen weitergeht, bleibt offen. Vielleicht - so Oliver Widmer- wird aus Guglielmo einmal ein Don Giovanni.