"Österreich heißt in diesem Jahr Mozart – aber,
das hat nichts mit ihm zu tun, ich fürchte, mehr mit Geld und Geschäft."
Nikolaus Harnoncourt hielt gestern, Freitag, zur Mittagsstunde in einem Festakt
im Großen Saal des Mozarteums seine Künstlerrede.
Mahnende Worte und Pessimismus über das Mozartjahr
fielen: Mozart verlange etwas von uns "mit der unerbittlichen Strenge des
Genies und wir bieten ihm unsere Jubiläen mit ihren Umwegrentabilitäten und
Geschäften". Mozarts Plädoyer sei die Kunst selbst: "Wir haben Rechenschaft
darüber abzulegen, was wir mit ihr gemacht haben und immer noch machen –
und darüber, was wir versäumen und nicht machen."
Die letzten Generationen hätten, so Harnoncourt, "ihr Schwergewicht mehr
und mehr auf das unmittelbar Verwertbare" gelegt. "Man meint wohl, die Glückserwartung
scheine nur im Materiellen zu liegen: Glück wird mit Wohlstand und Wohlstand
mit Besitz gleichgesetzt: Es geht mir besser, je mehr ich besitze."
Diese Einstellung wirke sich bereits in der Erziehung und in den Lehrplänen
der Schulen aus: "Nach und nach wird alles Musische verdrängt, alles, was
die Phantasie fördert und was unverzichtbar ist – fast müsste man schon sagen:
wäre – für ein menschenwürdiges Leben."
Musik ist keine Geheimsprache
Das Mozartjahr mahne uns "in aller Eindringlichkeit, dass unsere Kinder
ein Recht auf eine volle Bildung und nicht nur auf Ausbildung haben". Jene
Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die über Bildung
und Kultur handeln, seien "von peinlicher Dürftigkeit.
Harnoncourts zentrales Anliegen: "Es geht mir nicht so sehr um eine größere
Beachtung der Kunst in ihrem erlauchten Spitzenbereich, es geht darum, dass
diese höchsten Formen schließlich ins Leere rufen, wenn niemand mehr die
Sprache versteht. Die Musik ist ja keineswegs die abgehobene Geheimsprache
einer arroganten, selbstbewussten und privilegierten Minderheit, nein, jeder
kann ihre Botschaft mitbekommen, kann teilnehmen an ihren Reichtümern, wenn
die Antennen von klein auf richtig eingestellt werden."
Die Rolle, die wir der Kunst zubilligen, sei vielfach, sie uns dienstbar
zu machen, sie zu zähmen, aber auch uns mit ihr zu brüsten. "In unserem schönen,
geförderten Musikleben sollen die Menschen nach aufreibender Arbeit Freude
und Erholung finden – sollen wieder Kraft finden für den Alltagsstress.
Die Nazis nannten das "Kraft durch Freude" – ein gefährlicher Schritt
im langen und illegalen Prozess, Kunst "nutzbar" zu machen. Die Musik der
großen Komponisten hat diesen Trend fast nie bedient", sagte Harnoncourt.
Bei dem Festakt, an dem auch Bundespräsident Heinz Fischer eine Rede hielt,
musizierte Nikolaus Harnoncourt mit den Wiener Philharmonikern, zu hören
gab es dabei etwa auch Mozarts "Große" g-Moll-Symphonie.
Samstag, 28. Jänner 2006