Tatsächlich liest dieser Dirigent Partituren offenbar genauer als die meisten seiner Kollegen. Wenn er ein viel gespieltes Werk neu einstudiert, dann sichert das auch jenem Hörer, der die "Bohème" Dutzende Male gehört hat, völlig neue Klangerlebnisse.
Puccinis Werk ist in Zürich nun alles andere als ein rührseliger Melodienreigen in weich wattiertem Instrumentalgewand. Unter Welser-Mösts Führung zeichnen die Musiker knappe, klare Konturen, skizzieren mit dem Scharfblick und Witz eines Karikaturisten Charakterbilder der einzelnen Bohemiens und ihres von Ironie, Zynismus und frechem Umgangston geprägten Lebens.

 

Erst der Auftritt Mimis zeigt die zartfühlende Seite des Komponisten: Mit einem behutsam gehauchten Streicherakkord wendet sich der Charakter der Musik - und die Gefühlswelt des tenoralen Helden: Selten erlebt man einen einzigen musikalischen Moment so intensiv wie diesen unter den Händen der Zürcher Musiker. Extreme Stimmungswelten, aber auch extreme dynamische Kontraste charakterisieren Mösts Puccini-Lesart, die ernst nimmt, was in den Noten steht, und nicht nivellierend das orchestrale Geschehen dem vorgeformten Bild eines spätromantischen Klangideals anzupassen sucht. Puccini war ein wacher Zeitgenosse der frühen Moderne, ein Vorreiter auch der wahrhaftigen, von Sekunde zu Sekunde flexiblen, aufmerksam alle Seelenregungen, aber auch alle naturalistischen Details widerspiegelnden Kompositionskunst. So betrachtet, führt von der "Bohème" ein gerader Weg zum "Wozzeck". [...] Das Zürcher Orchester erzählt es uns en miniature ebenso beredt wie in den großen, zarten Melodiebögen, die es im entscheidenden Augenblick auch zu spannen versteht.

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Welser-Moest's Puccini is highly emotional without being at all sentimental. He keeps tempi crisp and tight, makes short and devastatingly effective work of the climaxes and lets the lyrical moments sing. His cast is truly outstanding, particularly Chilean soprano Cristina Gallardo-Domas. She is the quintessential Mimi, utterly winning to watch, all waif-like charm and huge eyes, with a voice that can open with vast warmth or suggest brittle fragility, innocent and knowing in turn.
The garret-dwelling Bohemians are luxuriously cast. Michael Volle is a Marcello with great depths of humanity, Laszlo Polgar a sweetly dissolute Colline with a thousand comic nuances, Cheyne Davidson a charismatic Schaunard, Elena Mosuc both endearing and maternal as the flighty Musetta. Marcello Giordani's Rodolfo has seen a fair bit of life already, yet that hasn't dimmed his taste for no-holds-barred ardor. His is a smoky, smoldering tenor with a vehement, untiring upper register. [BLOOMBERG.COM]