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FASZINIERENDES ZWITTERWESEN

Alexander von Zemlinsky «Es war einmal»

an der Statní opera Prag
(18.3.)

 

[...] Das von Maximilian Singer angefertigte Libretto als solches ist an manchen Stellen sprachlich arg hölzern. Aber das scheint den Komponisten geradezu herausgefordert zu haben: Erst die Differenziertheit seiner Musik beglaubigt die Vielschichtigkeit der Leidenschaften und den pointiert unrealistischen Parcours von Situationen und Emotionen, den das Stück durchläuft. Auch dies sagt einiges aus über die Komplexität des Lebens, über die Wechselhaftigkeit der menschlichen Psyche - und über die Möglichkeit, dies alles in einem Kunstwerk zu reflektieren. Geradezu seismographisch wird eine Vielzahl menschlicher Regungen in Musik übersetzt.
Dem Zemlinsky-Spezialisten Antony Beaumont, der demnächst an diesem Hause auch den König Kandaules vorhat, ist es zu verdanken, dass solche Differenzierungen in Prag gut zur Geltung kamen. Dabei präsentierte sich das in den letzten Jahren oft gescholtene Staatsopern-Orchester in starker Form. Überzeugen konnten aber auch einige der Vokalsolisten, vor allem die Sopranistin Maria Tkadlciková in der Rolle der Prinzessin und der von der Dresdner Semperoper gekommene Tenor Klaus Florian Vogt als Prinz. Regisseur Jirí Nekvasil und Bühnenbildner Daniel Dvorák setzen ganz auf narrative Klarheit und hübsche Gefälligkeit, ohne damit die Tiefen dieses Stückes wirklich angemessen auszuloten. Gewiss ist «Es war einmal» weniger visionär als die großen Musikdramen Wagners, es ist kaum in ähnlicher Weise ein gefundenes Fressen für modernes Regietheater. Dennoch wären mutigere szenische Lösungen denkbar. Sie könnten dazu beitragen, den Verdacht der puren Harmlosigkeit, dem gerade einige der frühen Zemlinsky-Stücke bis heute ausgesetzt sind, zu entkräften - was immerhin auf musikalischer Seite eindrucksvoll gelang.
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