Dienstag, 4. März 2003

. . .
.
Frontseite
.
AKTUELL







» 


Kommentar
International
Wirtschaft
Börsen · Märkte
Schweiz
Zürich · Region
Sport
Feuilleton
 
 
 
Vermischtes
Wetter
.
HINTERGRUND









Dossiers
Netzstoff
Forschung · Technik
Tourismus
Medien · Informatik
Literatur · Kunst
Zeitfragen
Buchrezensionen
English Window
.
NZZ · FINFOX




Börsenübersicht
Ihr Finanzplaner
Ihr Portfolio
Ihre Kursliste
.
SERVICE





Veranstaltungen
Restaurantführer
Kreuzworträtsel
Webcam Zürich
Bildschirmschoner
.
MARKTPLATZ







Partnersuche
Flugtickets
Preisvergleiche
Swissguide
Jobclick
Immoclick
Autoclick
.
NZZ-ARCHIV


NZZ ab 1993
Recherchedienst
.
ZEITUNG


Tagesausgabe NZZ
NZZ am Sonntag
.
NZZ-VERLAG






Kontakte
Abo-Dienst
Produkte
Online-Werbung
Anzeigen-Werbung
Mediainformationen
.
NZZ-SITES



NZZ Folio
NZZ Format
NZZ-Gruppe
.
. . . . .
NZZ
Druckformat  |  Artikel versenden
4. März 2003, 03:13, Neue Zürcher Zeitung

Musikalische und szenische Spannung

Ballettpremiere im Opernhaus Zürich

Im neuen Programm des Zürcher Balletts werden zwei Choreographien von Heinz Spoerli aufgeführt, «Igor» zu Strawinskys Konzert für Klavier und Blasorchester und die «Josephslegende» von Richard Strauss. Eine grössere musikalische Diskrepanz lässt sich kaum denken als die zwischen dem formal strengen Stil des Klavierkonzertes und den schwelgerisch üppigen Klangorgien des pseudobiblischen Dramas; und dementsprechend diejenige zwischen abstrakten choreographischen Formspielen und glühenden Ausbrüchen sinnlicher Leidenschaft.

Der Titel «Igor» ist eine Hommage à Strawinsky, dessen Partitur Spoerli adäquat in Tanz umsetzt. Er bildet in seiner Choreographie die Komposition nicht detailgenau ab, er porträtiert sie. So entsprechen dunklen Bläserpassagen schwer am Boden lastende Paarfiguren, die rhythmische Vielfalt wird gespiegelt in der kunstvollen Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Bewegungsdynamik, die Klarheit der musikalischen Form in der durchsichtigen Struktur der Raummuster. Und die Gruppe wie auch das souveräne Solopaar Ana Quaresma und kos Sebastyén füllen diese Bewegungsspiele mit lebendiger Formgenauigkeit. So verbindet sich der Tanz zur Einheit mit dem musikalischen Geschehen. Der Pianist Alexey Botvinov und das von Christoph König dirigierte Orchester der Oper Zürich betonen in ihrer Interpretation den herben Klangcharakter und den vorwärts drängenden rhythmischen Grundimpuls des Werkes und verleihen ihm gleichzeitig ganz eigene sinnliche Reize.

Geradezu entfesselte Sinnlichkeit aber entfaltet das Orchester nach der Pause in der «Josephslegende», in den einschmeichelnden Kantilenen und in den gewaltigen Klangorgien von Strauss, wobei die grosse Lautstärke der Aufführung durchaus dramatische Kraft verleiht, aber auch unabweisbar vor Ohren führt, wie sehr Strauss hier oft im bloss routinierten Tönen verbleibt. Das auch zur Enttäuschung von Hugo von Hofmannsthal, der mit Harry Graf Kessler zusammen das Libretto geschrieben hatte. Dem Dichter ging es, wie in der Bibel, nicht um die Keuschheit eines jungen Mannes, die in unserer Kultur ohnehin kein Thema ist, sondern um die Treue zur angestammten gottgeprägten Kultur, die gegen die Versuchung durch die heidnische, sinnliche Verderbtheit verteidigt werden musste. Darum sollten musikalisch deutlich zwei grundverschiedene Welten geschildert werden. Doch das findet sich in der Partitur kaum in Ansätzen. Strauss hat sich ganz der Versuchung durch ägyptische Sinnlichkeit hingegeben.

Diese überfeinerte Sinnlichkeit sollte laut Libretto in grosser barocker Üppigkeit auf die Bühne gebracht werden. In der kühlen Ausstattung von Andreas Reinhardt ist davon nichts zu spüren. Hohe, elegante Gitterwände umgeben die Bühne, eine steile Treppe führt auf eine Party- Terrasse und weiter, wohl in den Himmel, denn auf ihr erscheint der Engel, auf ihr führt er am Schluss Joseph aus der Welt der Versuchung hinaus. Spoerli kennzeichnet diesen Engel äusserlich in keiner Weise als solchen, wie er denn überhaupt das Geschehen einfach als Dreiecksgeschichte auf die Bühne bringt, ohne die Gestalten in einer Handlung gesellschaftlich, geschweige denn mythisch erkennbar zu machen. Sie sind alle einfach da. Als Haremsdamen, als Boxergruppe, als Partygäste umgeben sie die Urkonstellation des menschlichen Dreiecks, von Mann und Frau in sinnlicher Verstrickung mit einem Jüngling. Mehr präzise Handlung hätte dem Geschehen mehr Struktur und damit mehr durchgehende Spannung verliehen.

Doch findet Spoerli für das in seinem Grundanliegen eigentlich gar nicht darstellbare Werk eine szenisch bildmächtige Lösung. Das, was über die Dreiecksgeschichte hinausgeht, das Geheimnisvolle, wird eindrücklich spürbar, vielleicht gerade weil es äusserlich so geheimnislos erscheint. Der Engel ist ein strahlender junger Mann in weisser Trikothose. Aber er spricht die Sprache einer andern Welt in einer gleichsam abstrakten, reinen Form, die Dirk Segers zum Ereignis werden lässt. Steif und leer bewegen sich die Partygäste, rein dekorativ die Haremsdamen, attraktiv kraftvoll die Boxer. Und immer wieder gehört die leere Bühne den drei Protagonisten, auf der sie verloren sind, wie in ihrer Sinnlichkeit, und die sie doch so ganz füllen mit ihrer Leidenschaft, Stanislav Jermakov als Mann, der kühl überlegen mit den Frauen spielt und unerwartet auch den Reizen des Jünglings verfällt, dem François Petit hinreissend die Züge spontaner Jugendfrische und grosser Verletzlichkeit durch die doppelte Versuchung verleiht. Karin Seneca aber zeichnet mit leidenschaftlicher Kraft und Sensibilität tief beeindruckend das Bild einer Frau, die aus ihrer stolzen Sicherheit heraus ihrer eigenen Sinnlichkeit bis zum Selbstverlust verfällt.

Richard Merz

 

.
. . .
.
.  Suchen .
.
.
.
 
.
.
.
.  Weitere Artikel .
.

Musikalische und szenische Spannung
.
Fortwirkende Erbschaften
.
Nestor der Komponisten
.
Gebrochene Poesie
.
Das schwarze Schaf
.
Erinnerungsarbeit
.
Die Hässlichkeit der Welt
.
Abenteuer Konstruktion
.
Kleiner Fisch im grossen Netz
.
Aufrüttelndes Spiel
.

Sämtliche Artikel

 

.
.  Herausgegriffen .
.
Hinweis Buchrezensionen
Sämtliche Buchbesprechungen der letzten 30 Tage
.

 

Die Ausgeh-Agenda von NZZ Online
.

 

Hinweis Spezialthemen
Zeitfragen
.
Politische Literatur
.

 

.

 

.
.
. .
.
.

Kontakt
Impressum

.
. .
.
. .
.
.

Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG

.
. .
.

 

.