I QUATTRO RUSTEGHI
von Ermanno Wolf-Ferrari

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Karnevalszeit in Venedig! Der Traum eines jeden, einmal selber die Farben, Masken, Spässe und Tänze miterleben zu können. Wer könnte ahnen, dass es Venezianer gibt, die an dem Treiben nicht teilnehmen! Genauso ist es aber im Hause Lunardo Crocciolas: Die arme Lucieta und ihre Stiefmutter Margarita werden vom tyrannischen Vater ins Haus verwiesen und zur Arbeit angehalten, während draussen der Karneval dem Höhepunkt zutreibt. Zu allem aber beschliesst der ungehobelte Patriarch auch noch, Lucieta einfach mit dem Sohn seines genauso skrupellosen Freundes Maurizio zu verheiraten, aber ganz nach alter Sitte: Die Väter kommen sich überein, die Mütter werden nicht gefragt, und das junge Paar darf sich vor der Trauung auf keinen Falle sehen. Was Wunder, dass sich die Frauen in Ermanno Wolf-Ferraris nach Goldoni komponierter Oper I quattro rusteghi (Die vier Grobiane) dies nicht gefallen lassen. Zum Glück sind da noch Marina, die Tante Filipetos (des Bräutigams in spe), sowie die kokette Felice, die sich neben ihrem langweilig-altmodischen Gatten Cancian auch noch einen Galan leistet. Gemeinsam entwickeln sie eine Strategie, um es den sturen Männern ein für allemal zu zeigen. Natürlich dürfen bei dem Spass weder Verkleidungskünste noch eine Prise Erotik fehlen...
Mit nicht weniger Freude wie die Donne curiose 1903, wurde Wolf-Ferraris zweite Oper nach einer Komödie von Goldoni aufgenommen. Die Formung des Librettos übernahm diesmal Giuseppe Pizzolato, die deutsche Textfassung wie bei den «Neugierigen Frauen» Hermann Teibler, die Uraufführung fand 1906 in deutscher Sprache am Hoftheater München statt.
Ohne sich zu wiederholen, konnte der Komponist hier die in den «Neugierigen Frauen» gewonnene stilistische Form der Opera buffa in eigentöniger Fortbildung der im 18. Jarhundert von Pergolesi, Galuppi, Piccinni, Paisiello, Cimarosa u.a. entwickelten heiteren italienischen Oper in einer Variante vorfuhren. Vom ganz Persönlichen seiner melodischen Erfindungskraft abgesehen, zeigte sich das Neue, unverwechselbar Wolf-Ferrarische dabei wieder im besonderen in der geistvoll-kapriziösen musikalischen Behandlung des Textes, im Verschmelzen des rezitativischen Singens mit belebenden kantablen Zügen, in einer Gestaltungsform, mit der das «Trockene» der vokalen Deklamation bei der Bewältigung der vielen Textworte überwunden wurde.
Neu war aber auch die damit verbundene Bereicherung der Gespräche durch die begleitenden «Einwürfe» des Orchesters, dessen Klangwelt Wolf-Ferrari für ein köstlich lebensvolles und charakteristisches, dabei stets durchsichtiges, feinädriges Musizieren zu nutzen wusste. In anderer Weise hat bekanntlich auch Richard Strauss persönliche Formen einer das bloss Rezitativische überwindende Gestaltung des musikalischen Gesprächstons gefunden - zuerst im Vorspiel zu «Ariadne auf Naxos» (1916), später in seinem «Intermezzo» (1924). Ob das Beispiel Wolf-Ferraris auf diese Entwicklung des Strauss'schen Konversationstons eingewirkt hat, ist nicht zu belegen.
Wie bei allen musikalischen Komödien Wolf-Ferraris gewinnt auch I quattro rusteghi seinen eigentümlichsten Wertt und Reiz durch den Zusammenklang des Lustigen mit dem Lyrischen. Hier wie dort spürt man das Temperament und das italienische Naturell des Komponisten neben dem von deutscher Art, Musik zu empfinden, wesenhaft beeinflussten künstlerischen Charakter des Deutsch-Italieners, in dessen Persönlichkeit das Erbe des deutschen Vaters und der italienischen Mutterso eigenartig harmonierten. Mit dem Satz «Er schreibt wie ein Italiener und empfindet wie ein Deutscher» hat Alexander Berrsche dieses Eigentümliche markant formuliert. In den Rusteghi offenbart sich der italienische Melodie-Sinn Ermanno Wolf-Ferraris nicht zuletzt in den ariosen Liedern: so in der dem Volksmund abgelauscht erscheinenden Weise der Marina «Mein Spieglein sagt mir immer, dass ich schön bin» - einer anmutigen Melodie im 6/8-Takt, die auch als Thema für das Orchester-Intermezzo zwischen dem ersten und zweiten Akt Verwendung findet, oder in dem Liedchen (2/4) des verliebten Filipeto: «Lucieta! Lucieta, gar lieblich klingt der Name.»
Zu den Köstlichkeiten der Partitur zählt aber auch die Standpauke, die die beherzte Frau Felice den Herren Lunardo, Simon und Cancian hält, und ebenso das Terzett der über ihre Frauen erbosten Männer, sowie, nicht zu vergessen, der Reichtum der Oper an kleinen und grösseren Ensembleszenen für drei bis zehn Stimmen.
Die Moral dieses Stücks ist in unseren Zeiten nicht sehr notwendig, denn es gibt jetzt nur wenige der Anbeter der alten «Einfachheit». Doch existieren trotzdem noch genug Ehemänner, die in ihren vier Wänden unleidlich sind und ausserhalb des Hauses den liebenswürdigen Kavalier spielen.

Carlo Goldoni
Nello Santi dirigiert I quattro rusteghi zum ersten Mal, hat aber vor vielen Jahren für Radio Bern Wolf-Ferraris selten gespielte Oper «Der Kukuck von Theben» (komp. 1938-42) und mit dem Orchestre du Conservatoire de Paris verschiedene Vorspiele und Intermezzi auf Platte aufgenommen. Der Maestro, der unweit von Venedig geboren wurde, benennt ohne Nachzudenken die wichtigste Charakteristik der Venezianer: Sie seien grosse Herren - im Volksmund teile man Venetien in vier Teile: «I veneziani sono gran signori, i padovani gran dottori, i veronesi tutti matti, i vicentini magniagatti... » -, auf ihre Herkunft stolze edle Herrschaften, ein eigentlich nach dem Niedergang der alten Nobilität aufgekommener Geldadel.
Weitgereiste, mächtige Seeleute haben sie viel von anderen Völkern, etwa den in unmittelbarer Nähe siedelnden Slawen übernommen. Der enge Raum jedoch, auf dem sie leben, ist wohl der Grund für ihre gleichzeitige Verschlossenheit und gewisse Beschränktheit. Wolf-Ferrari vermochte in wahrhaft grosser Weise den venezianischen Geist hundertprozentig wiederzugeben. I quattro rusteghi ist aber auch die Oper, die - wenn man Puccinis einaktige «Miniatur» Gianni Schicchi ausser Acht lässt - am ehesten die Errungenschaften des «Falstaff» fortsetzt. Darüber hinaus kann man, was die Kongenialität der Umsetzung von Weltliteratur in Musik betrifft, das Verhältnis Wolf-Ferrari - Goldoni durchaus mit dem Verdis und Shakespeares vergleichen: Der Bezug Sprache-Musik ist ebenso einzigartig. Daherfiel die Wahl auch auf die venezianische Sprache, deren Reichtum an Worten und Redewendungen - die Kaufleute Venedigs lernten sich wohl auf ihren Handelsreisen in den Orient mit grosser Gewandtheit ausdrücken -von der Musik präzise aufgenommen und reflektiert wird.
Goldoni, der als Advokat in Chioggia tätig war, schuf übrigens Sujets und Figuren, die allesamt reale Vorbilder gehabt haben könnten. Da sich aber Venedig über die Jahrhunderte nur wenig verändert hat, gleichen auch heute noch viele Venezianer den «rusteghi». Dieses Wort wird aber oft aus dem Venezianischen schlecht übersetzt. Ein «rustego» ist nicht, wie es die vereinfachende Übertragung glauben macht, ein Rüpel. Ein «rustego» ein im Grunde genommen guter, aber harter, oft schüchterner Mann (daher gerät er immer gleich in eine abwehrende Haltung), der nach alten strengen Regeln lebt. Er ist aber auch kultiviert, gebildet, folgt seinen Lebensprinzipien.
Die Auführunggeschichte dokumentiert, dass immer wieder grosse Interpreten in I quattro rusteghi auftraten; Nello Santi erinnert sich zum Beispiel an Nicola Rossi-Lemenis Lunardo. Zwar ist sie keine überaus schwierige Oper, aber eine äusserst delikate, die auch vom Orchester - nicht nur in den zahllosen Solostellen - Beweise höchster Qualität und Virtuosität fordert.
Regisseur Grischa Asagaroff, der wie Ermanno Wolf-Ferraris Vater aus München stammt und am Teatro La Fenice Mozarts «Mitridate» einstudiert hat, liebt Venedig sehr, vor allem die Winkel, die von den Touristen verschont bleiben, das Spazieren durch die Hintergassen, die Stimmungen, weiche die Stadt auch bei schlechtem Wetter erfüllen. Im Gegensatz zu «Le donne curiose» verspürt er in I quattro rusteghi nicht nur die unbeschwerte Heiterkeit derOpera buffa, der Charakterkomödien Goldonis, sondern, zum Beispiel in den Gesprächen der Männer, immer wieder auch den Geist des 19. Jahrhunderts, das Mittelständische Bourgeoisie. Diese Geschichte könnte ebensogut auch in Zürich oder in einer deutschen Kleinstadt spielen... Neben den Italienismen hört man in der Musik zwar Ankläge an Verdi oder Puccini, aber auch an Smetana und Wagner. I quattro rusteghi enthält kaum Arien, dafür grosse Duette, Trios und Ensembles bzw. durchkomponierte Szenen wie den grossen Auftritt Felices im 3. Akt. Bemerkenswert ist auch die Leitmotivik, die das Stück durchzieht. Und doch wird alles beherrscht vom Gefühl des Wassers, des Meeres, besonders natürlich im berühmten «Intermezzo», das, wie der Komponist es vorschlägt, in unsererAufführung den 1. Akt beschliesst und das Publikum heiter in die Pause entlässt.
Den Bezug zu Goldoni und der Commedia dell'arte stellt eine achtköpfige Gruppe ausgewählter Mitglieder des Statistenvereins her, welche unter der Leitung des Pantomimen Luigi Prezioso als traditionelle Figuren des venezianischen Theaters wie Arlecchino, Colombina, Pantalone usw., zwar nicht in die Handlung integriert, aber als Verbindungsglied agiert. Die von Luigi Perego geschaffene Ausstattung ihrerseits nimmt mit Motiven des Malers Canaletto das Thema Venedig auf, zugleich bietet sie eine Vielfalt an schnell verwandelbaren Schauplätzen. Die Kostüme der Sängerinnen und Sänger dagegen sind im Stil des 19. Jahrhunderts entworfen, was auch optisch das Ambiente des Bürgerlichen hervorhebt.
Die verschiedenen Figuren müssen, wie es das Stück fordert, vom Regisseur fein voneinander unterschieden werden. Dabei hilft die Sprache, das den Mitwirkenden unterdessen schon ganz familiär gewordene Venezianische, welches sie seit einigen Monaten mit dem ehemaligen Maestro suggeritore des Teatro alla Scala, dem Venezianer Maestro Luciano Barengo studiert haben. Im Gegensatz zur Hochsprache vermag das Venezianische - weil ungewohnt - das Stück in der Perzeption für die Zuschauer ein wenig zu brechen, mittels seiner Farbigkeit und Kraft andererseits den Dialog und die Charaktere unmittelbarer wirken zu lassen.
Im übrigen ist diese Oper - gleich in welcher Sprache -ein ideales Repertoirestück. Musikalisch ist es zwar anspruchsvoll, von der Ausstattung her aber nicht allzu schwer zu realisieren; eine wunderbare Ensembleoper, die nicht von einzelnen Stars lebt, auch nicht von ungewöhnlich schönen Stimmen. Mit guten Komödianten, Typen, die den Hauptpersonen entsprechen, wird eine Aufführung der Quattro rusteghi garantiert ein unglaublicher Spass.
Roberto Scandiuzzi ist nach Nello Santi der zweite Venezianier im Bunde. Jede Region Italiens unterscheide sich stark von den anderen, und natürlich enthalte jede Beschreibung Allgemeinplätze. Und doch seien die Venezianer eine eigene Rasse. Unter anderem hänge dies mit ihrem einmaligen Erbe aus der Renaissance bzw. dem 17. und 18. Jahrhundert zusammen, den Reichtümern, der Kunst, den grossen historischen Momenten, die sie mit immensem Stolz erfüllen. Einen Venezianer andernorts zu beeindrucken, ist daher gar nicht so einfach. Als Meeres- und Handelsstadt hat sich Venedig der Welt geöffnet und ihr viel gebracht, sehr bewusst hat sie aber auch ihre eigene Identiät konserviert. Die Einwohner der Innenstadt (im Gegensatz zu denen der Inseln) sind aristokratisch, zurückhaltender als beispielsweise die Römer, gut gekleidet, stolz auf ihre reiche Sprache.
Für Roberto Scandiuzzi selber ist seine Muttersprache sein Code, lässt ihn viel präziser formulieren, besonderes im Familiären oder wenn die Emotionen hochgehen. Diese Oper zu singen ist für ihn ein Traum, denn wie alle Venezianer liebt er die Stücke Goldonis, kennt die Texte und dessen spezifischen Theaterstil auswendig, erinnert sich zudem aus der Kindheit noch bestens an viele echte «rusteghi»: trocken, streng, ungehobelt. Auch ihm sagen nun aber viele Freunde: «Du singst I quattro rusteghi? Kein Problem, du musst nur dich selber spielen...» Da liegt natürlich die Frage nahe, was Robert Scandiuzzi seiner Tochter sagt, wenn sie mit einem ihm unbekannten Jungen ausgehen will. - Ganz klar, dasselbe wie Lunardo. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie längst nicht mehr auf ihn hört...
Auch Giuseppe Scorsin, der in Treviso geboren wurde und am Teatro La Fenice in Venedig gearbeitet hat, erklärt den Charakter der Venezianer mit den besonderen geographischen und architektonischen Verhältnissen der Stadt, wo es zeitlich wie materiell aufwendig und anstrengend ist, sich fortzubewegen bzw, etwas zu transportieren (echte Venezianer erkenne man daran, dass sie im Unterschied zu den Touristen stets ohne Gepäck unterwegs sind, weil man so weit zu Fuss gehen muss ... ). Das alltägliche Leben konzentriert sich daher auf einen ganz kleinen Raum - den typischen Platz, den «Campiello» -, in dem jeder eine in Bezug auf seine Gruppe, seine sozialen Beziehungen festgelegte Funktion hat. Oberall ist es sehr eng, jeder kennt jeden, weiss alles über alle; um aneinander vorbeizukommen, muss das Leben so streng, genau reguliert sein. Dies mag auch den Typ des «rustego» erklären, der eisern am Alten, am Status quo festhält, der Ordnung, ohne die die Stadt nicht überleben könnte. Cancian ist der nachgiebigste der vier, seine Maxime «mi no sto a combattar» -jedoch nicht in dem Sinne, dass er ein Pantoffelheld ist, sondern dass er seine Situation, die vielen Verpflichtungen - wohl auch ökonomische -, die ein Eheleben mit sich bringt, so akzeptiert, wie sie ist. Aber er sagt auch als einziger, dass er seine Frau Felice liebt. Deshalb, und um der lieben Ruhe und Ordnung Willen toleriert er auch ihre «Schwächen», nicht ohne natürlich manchmal mit seinen Kumpanen zu murren, wenn sie es wieder auf die Spitze treibt.
Paolo Rumetz stammt zwar aus «dem Dorn im Fleisch Venedigs», Triest, doch liebt er die Lagunenstadt sehr, die seiner Heimat kulturell und sprachlich doch sehr nahe liegt. Die Venezianer seien wie die Typen aus den Komödien von Goldoni, dem grössten italienischen Theaterautor, und man könne sie heute noch in den «calli» und «campielli» ihrer Stadt antreffen. Paolo Rumetz kennt I quattro rusteghi seit der Kindheit und hat sie sogar am Teatro La Fenice gesungen, wo man das Mitfiebern und die Teilnahme des Publikums in ganz besonderem Masse spüren konnte. In der Musik Wolf-Ferraris hört man, wie die Farben und das Licht der Stadt einmalig eingefangen sind, zugleich aber, meint der Interpret des Maurizio, spüre man eine Nostaigie, eine Sehnsucht, die wohl nicht eingeflossen wäre, hätte der Komponist seine Heimat nicht für so lange Zeit verlassen. Böse seien die «rusteghi» nicht, nur ist es für sie als Herren einer gewissen Stellung normal, dass man ihnen ohne viele Worte gehorcht. Sie lieben Ordnung, sind sehr konservativ, womöglich ein wenig misanthrop. Allein mögen sie aber auch nicht sein, sonst hätte zum Beispiel Lunardo keine zweite Frau (Margarita) geheiratet, Cancian würde nicht tolerieren, dass ein Galan seiner Frau folgt, sonst sperrten die Vier ihre aufsässigen Gattinnen wirklich ins Kloster... Die Typen sind von Goldoni genau charakterisiert, der Text sehr lustig, auch wenn man viele Ausdrücke und Redewendungen nicht einmal ins Italienische, geschweige denn in eine andere Sprache übersetzen kann. Und doch ist es Wolf-Ferraris Musik, die, wenn eine seiner Komödien erklingt, einem das Herz erwärmt und stets tief berührt.
Der vierte «rustego», Simon, ist wohl der verbissenste, gröbste, der für seine Frau Marina kein gutes Wort übrig hat. Carlos Chausson verkörpert erstmals diese für das Publikum wohl amüsante, doch eigentlich böse Figur. Nicht einmal den Neffen seiner Frau, Filipeto, mag er in seinem Haus dulden («Ich hab nichts gegen ihn, doch er macht mich fertig...»), obwohl er nur wenige Stunden später zu seinem Freund Lunardo eingeladen ist, um die Hochzeit eben jenes Filipeto, gesungen vom jungen italienischen Tenor Luigi Petroni, zu feiern.
Neben Paulo Rumetz und Luigi Petroni, die beide ihre Partien bereits gesungen haben, steht auch Elizabeth Rae Magnuson nicht zum ersten Mal als Felice auf der Bühne. Noch als Mitglied des Internationalen Opernstudios hat sie diese Rolle, noch in deutscher Sprache, erarbeitet, weiche damals für sie noch so unbekannt war, wie bis vor kurzem das Venezianische. Und doch freut sie sich, dass sie für einmal eine Partie wiederholen kann, die sie bereits im IOS gelernt hatte, und immer wieder tauchen während der Proben Erinnerungen an jene Aufführungen auf.
Die temperamentvolle Felice ist in Wahrheit die Hauptfigur des Stücks, sie ist die, die alles kontrolliert, sie bringt die Intrige ins Rollen, sie widersetzt sich als einzige den widerborstigen Männern, kann sogar, wie jene sich halb ängstlich, halb ehrfürchtig zumurmeln, «auch einmal dreinschlagen»... Elizabeth Rae Magnuson geniesst es, mit dieser Figur alle szenischen und darstellerischen Register ziehen zu können, die in der überaus intensiven grossen Szene des 3. Aktes ihre Steigerung und ihren Höhepunkt erreichen. Originell findet sie die Tatsache, dass sie als Felice neben dem Ehemann in aller Öffentlichkeit mit einem «cavalier servente», einem Galan, unterwegs ist, dem von Peter Straka gesungenen edlen Ritter Riccardo, der übrigens als einzige Figur Hochitalienisch spricht. Die ganze Welt denke, meint Elizabeth Rae Magnuson, dass sich Männer in Italien neben der Ehefrau eine Geliebte halten und dies gesellschaftlich mehr oder weniger akzeptiert sei. Diese ungewöhnliche Umkehrung der Rollen macht die Felice auch sehr modern, ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die Chuzpe, mit der sie den Männern auf der Nase herumtanzt, beinahe zu einer Vorkämpferin der Frauenbewegung!
Verbündete findet Felice bei Marina, Simons Frau, die Stefania Kaluza erstmals singt, und Margarita, mit der auch Katharina Peetz ein Rollendebüt gibt. Während sich Margarita mit ihrem Gemahl Lunardo herumschlägt, ist Marina selbstbewusst, tut ihr bestes, um ihrem groben Ehemann Simon zu widerstehen, und ist sofort bereit, an der Intrige mitzuwirken, die ihren Neffen Filipeto und die Tochter Lunardos, Lucieta - gesungen von Martina Jankovà - zusammenbringen soll. Denn Lunardo und Maurizio haben wohl beschlossen, ihre Kinder (natürlich ohne Pomp und Zeremonie) miteinander zu verheiraten, doch sollen sie sich, «wie es sich gehört», vor der Hochzeit nicht sehen.
Felice, Marina und Margarita freuen sich zwar sehr über diese Verbindung, sind sich aber einig, dass Braut und Bräutigam sich zunächst einmal sehen müssen und entwickeln einen Plan, um das Vorhaben der Väter zu durchkreuzen...