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DIE INTERPRETEN ÜBER DIE OPER

© Magazin Opernhaus Zürich.
Testo pubblicato con il consenso scritto della direzione
della Dramaturgie che il curatore del sito ringrazia di cuore


Seitdem er sich vor 30 Jahren am Bolschoi Theater Moskau mit dieser Oper vorstellte, begleitet «Eugen Onegin» die Karriere Vladimir Fedoseyevs, welcher heute wie kein anderer als Tschaikowski-Spezialist gilt und dessen Orcheser dank der ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Oeuvre den Namen des Komponisten als Ehrentitel tragen darf. Aufsehen erregte Vladimir Fedoseyev, als er die Symphonien Tschaikowskis in einer auf die originalen Tempoangaben des Komponisten zurückgehenden Lesart vorlegte und sie dadurch endlich vom falschen Pathos und vermeintlichen Kitsch befreite. Diese Aufrichtigkeit der Gefühle versucht er auch in «Eugen Onegin» nachzuvollziehen nicht umsonst nannte der Komponist sein Werk nicht «Oper», sondern «Lyrische Szenen». Und so hält der Dirigent die Sängerinnen und Sänger liebevoll, aber hartnäckig dazu an, alles Opernhafte und Sängerische zu vermeiden, den intimen Ton des Zwiegesprächs zwischen jungen Leuten zu suchen, sich ganz dem Fluss des Dialogs zu überlassen und der Poesie der Worte - sind doch Puschkins Verse für sich schon Musik - nachzuspüren. Dadurch entsteht eine Frische und Natürlichkeit, welche verständlich macht, warum Tschaikowski sich wünschte, dass sein «Onegin» von jungen Sängern des Konservatoriums uraufgeführt werde und nicht von gestandenen, von den Konventionen des Opernbetriebs und von der Riesigkeit des Saales verdorbenen Solisten des Bolschoi Theaters. Übrigens habe das oft auf äussere Effekte bedachte, zum Beispiel nur auf hohe Töne wartende Publikum nicht wenig dazu beigetragen, dass auch «Eugen Onegin» schliesslich doch in diese falsche Schablone gepresst wurde. «Lyrische Szenen» bedeutet also die Suche nach dem Ausdruck reinster, natürlicher Gefühle. Wie die Musik Mozarts gehört dies aber für die Interpreten zum Allerschwierigsten. Doch mit einer stimmlich wie persönlich dem Rollenbild so sehr entsprechenden Besetzung wie in Zürich lassen sich die Hoffnungen des Maestro, der die hiesigen Bedingungen für ein ganz seltenes, grosses Glück hält, womöglich realisieren. Zugleich versucht er, den Sängern ein wenig vom bei aller Wortdeutlichkeit langen, weichen Legato zu vermitteln, das für den russischen Gesangsstil so typisch ist. Lebendig werden die Figuren aber auch durch Vladimir Fedoseyevs Art, die berühmten Ensembles zu charakterisieren, die an wichtigen Knotenpunkten wie in einer Photographie die Handlung einfrieren und die Gedanken der Protagonisten schweifen lassen. Tschaikowski war der erste russische Komponist, der in dieser Weise verschiedene Texte und Stimmungen miteinander verwob. Das Kunststück kann jedoch nur gelingen, wenn die betreffende Stimmung durch die Artikulation und die Balance so austariert ist, dass der unterschiedliche Charakter wahrnehmbar wird. Aus dem 1. Bild von «Pique Dame» kennen wir ein solches Ensemble - im ersten Bild des «Onegin» sind es das Quartett der Damen und vor allem die Begegnung zwischen den vier Protagonisten: Während sich Onegin recht unfreundlich über Olga und Lenski äusserst und Lenski seine Geliebte ihm gegenüber verteidigt, freut sich Olga darüber, dass Onegin und Tatjana voneinander fasziniert sind. Tatjana hingegen steht abseits, wie vorn Blitz getroffen - der Mann, dem sie gehört, ist leibhaftig eingetroffen. Solche Höhepunkte verlangen viel Feinarbeit und Schliff. Wie überhaupt in seiner künstlerischen Arbeit sucht Vladimir Fedoseyev aber auch hier keine Effekte, sondern kleine Details, eine grosse Einfachheit- und findet bei einem Genie wie Tschaikowski, selbst wenn er altbekannte Partituren öffnet, trotzdem immer wieder Neues.

Grischa Asagaroff verbindet seine Liebe zu Tschaikowski mit der Erinnerung an seinen aus Russland stammenden Vater, den «Onegin» aber auch mit der Münchner Aufführung mit Wunderlich, Prey und Stratas, die ihn schon während der Schulzeit faszinierte. Als erste Aufgabe in der Ära Drese an der Wiener Staatsoper wurde ihm die Einstudierung eines neuen «Onegin» mit der hervorragenden Besetzung Freni, Brendel, Dvorsky, Ghiaurov übertragen, damals aber noch in einer bereits bestehenden Ausstattung. Die Zürcher Neuinszenierung entsteht nun unter ganz anderen Bedingungen, nicht zuletzt mit einem ganz jungen Ensemble sowie hervorragenden Interpreten und Interpretinnen der für das Gesamtbild nicht weniger wichtigen Nebenfiguren. Mit dem Bühnenbildner Bernhard Kleber, dem Kostümbildner Reinhard von der Thannen, dem Lichtgestalter Jürgen Hoffmann sowie dem Choreographen Stefano Giannetti - übrigens ein ehemaliger Solist des Zürcher Balletts - bildete sich um Grischa Asagaroff ein Team, welches bereits während der Konzeptionsphase, besonders intensiv aber auch noch während der Probenzeit zusammenarbeitet. Selbst auf den szenischen Proben sind alle anwesend und stehen einander beratend zur Verfügung, so dass eine Arbeit entsteht, in der der Anteil des Einzelnen im Dialog mit den anderen zum Gesamtbild verschmilzt. Als Regisseur war Grischa Asagaroff das russische Kolorit sehr wichtig; es sollte aber nicht naturalistisch sein. Obwohl die anderen Figuren, vor allem wegen ihrer populären Arien, vom Publikum in der Regel mehr wahrgenommen werden, dreht sich das Stück für den Regisseur doch um Onegin. Tschaikowski stattete ihn zwar nicht mit der einprägsamsten, spektakulärsten oder lyrischsten Musik aus, doch ist - gerade auch darin - der zunächst so abweisende, zurückhaltende und zuletzt so leidenschaftliche Onegin genaustens und mit detailreicher Liebe charakterisiert. Schliesslich heisst das Stück auch «Eugen Onegin», ist also bei aller Zuneigung zu Tatjana und den anderen auf den Titelhelden fokussiert, einen «überflüssigen Menschen», wie er von Lermontow über Turgenjew bis Dostojewski im Buche steht. In Byronscher Nachfolge repräsentiert diese Gestalt die Generation düsterer, lebensüberdrüssiger, zielloser Dandys, wie sie auch das vorrevolutionäre Russland zahlreich hervorbrachte. Deshalb wird die Gesellschaft, die ihn so anwidert, welche aber auch ihn zurückweist, gerade in den grossen Chorszenen gleichsam durch Onegins Augen gesehen und von Regie wie Ausstattung fein überzeichnet - die beschränkte, provinzielle Landbevölkerung auf dem Ball bei Larins und die kalte, marionettenhafte Gesellschaft in St. Petersburg, welche in ihrer Förmlichkeit und Etikette erstarrt ist und Onegin nicht weniger als Tatjana und Gremin abstösst. Mit beissendem Sarkasmus beschreibt sie ja auch Puschkin, der selbst den Intrigen dieser Gesellschaft zum Opfer fiel und der wohl nicht nur dem schwärmerischen Lenski, sondern auch dem mit sich selber ringenden Onegin Züge seines eigenen Ichs einbeschrieben hat. Als Symbol für Onegins suchende Seele, für den «Schutzengel oder hinterlistigen Verführer», den Tatjana in ihm beschwört, aber auch als Vorahnung von Tod und Zerstörung aller Hoffnung auf eine erfüllte Liebe schwebt schliesslich eine geflügelte Figur durch diese «Lyrischen Szenen», gleichsam eine melancholische Ahnung vom Ende, wie denn der Regisseur durchgehend in der Beziehung Lenski-Onegin-Tatjana den unterschwelligen Tod spürt.

Michael Volle sang die Partie des Onegin erstmals vor drei Jahren in Köln in einer Inszenierung von Willy Decker. Obwohl ursprünglich in der Kirchenmusik bei Bach, Schütz und Händel zuhause, erinnert er sich noch an ein ganz starkes frühes Hörerlebnis mit Tschaikowskis « Pathetique», insbesondere wegen des Übergangs vom 3. zum 4. Satz und der emotionalen Intensität dieses letzten Teils. Deshalb hegt er seitdem für diesen Komponisten eine besondere Liebe. Während er sich einerseits freut, dass in seiner Karriere bisher die richtigen Rollen stets zur richtigen Zeit, d.h. in Relation zur stimmlichen Entwicklung kamen, interessiert sich Michael Volle andererseits für Charaktere, welche seiner eigenen Natur nicht unbedingt entsprechen und deren Darstellung ihn deshalb herausfordern. Beim Beckmesser, den er gerade mit grösstem Erfolg an unserem Hause verkörpert, wie beim Onegin gehört dazu das scheinbar arrogante Aussenseitertum, welches als nur äusserliche Selbstsicherheit im Verlauf des Stücks zerschmettert wird. In das Kalte, Lebensüberdrüssige, das Ziel- und Freudlose der ersten fünf Bilder in «Eugen Onegin» muss er sich hingegen hineinleben und das Leidende, den letzten Zusammenbruch - als Onegin von der wiedergefundenen Tatjana «knallhart» abgewiesen wird - glaubhaft machen. Allerdings fühlt sich Michael Volle der schwärmerischen, emotionalen Veräusserung Onegins in den letzten beiden (Petersburger) Bildern sehr nah. Den Angelpunkt, in dem sich diese Aspekte verbinden und von dem aus er sich das Stück eröffnen kann, ist der grosse Einschnitt im Leben Onegins, das Duell. In diesem Moment zerbricht sein hartes, abweisendes Äusseres. Das Duett mit seinem cis-moll macht eine Versöhnung scheinbar möglich, doch ist es bereits zu spät - dass er Lenski erschiesst, wirft Onegin aus der Bahn, und er wird sich davon nie mehr erholen. Sein Weg führt unaufhaltsam zum Schluss, wo er sich seinen Gefühlen so vorbehaltlos ausliefert, wie er es wohl noch nie zuvor getan hat. Hier lernen wir gewisse emotionelle, schwärmerische Seiten Onegins kennen, welche er bisher negiert, wohl aber in Lenski erkannt und geliebt hatte. Bei allem Bemühen um das Ausfüllen des Charakters muss man aber an dieser Stelle vorsichtig sein, um noch genügend Kraft für die hohe Tessitura zu haben-doch auch hier freut sich Michael Volle, dass es ihm dank der sängerischen Erfahrung der letzten Jahre -nicht zuletzt auch wegen so anspruchsvoller Partien wie dem Beckmesser - immer leichter fällt, solche Klippen zu umschiffen.

Anfang Februar singt
Dmitri Hvorostovsky zweimal den Onegin. Der aus Sibirien stammende Bartion gehört zu den begehrtesten internationalen Opernstars, besonders auch für die Partie des Onegin. In Zürich ist er bisher erst in einer einzigen Vorstellung von «Don Carlo» als Posa aufgetreten, weitere folgen im Sommer 2004.

Es sei fast nicht vorstellbar, meint die St. Petersburgerin
Maya Dashuk, dass eine russische Sopranistin die Tatjana zum ersten Mal im Ausland singt - doch ist die junge Sängerin im Zusammenhang mit ihrem 1. Preis beim Caballé-Wettbewerb 1999 westeuropäischen Managern ins Auge gestochen und aus diesem Grund seither mit Partien von Verdi, Puccini und Bizet vor allem in Italien, u.a. in Rom, Parma, Verona und Torre del Lago aufgetreten. Nach Zürich engagiert wurde sie aufgrund eines Vorsingens für Vladimir Fedoseyev - als der Anruf an jenem Morgen kam, war sie eigentlich bei minus 35º Kälte draussen unterwegs, um ein portugiesisches Visum zu besorgen... Und so kam es dazu, dass Maya Dashuk ihre erste Tatjana in Zürich erarbeitet. Natürlich ist diese Figur für sie, die, wie alle Russinnen, mit Tatjana aufgewachsen ist, eine Traumpartie. Darstellerisch möchte sie vor allem die für Ausländer so schwierig nachzuvollziehende typisch russische Nostalgie herausarbeiten. Auch Tatjana wird verzehrt von dieser «toskà», die weit über das Klischee der «russischen Seele» hinausgeht, dieser Melancholie, dem nachdenklichen, oft traurigen Sehnen nach der Natur, nach ihrem Zuhause, ihren Büchern, der verlorenen und verflossenen Zeit. Das Alleinsein zieht sich durch ihr ganzes Leben, und Puschkin zeigte dies deutlich.
Allein der Vorname seiner Hauptfigur - heute einer der beliebtesten - galt damals als ganz und gar unstandesgemäss, Tatjana hiessen höchstens Leibeigene und Mägde. Dies zeigt zwar ihr Russischsein und ihre Nähe zum Volk und begründet, warum sie sich im Petersburger Hochadel des letzten Aktes nicht zuhause fühlt. Doch auch mit dem Volk ist sie nicht wirklich verbunden, spricht sie doch kaum oder nur schlecht Russisch - ihr berühmter Brief sei, so Puschkin, aus der Sprache des Adels, dem Französischen, übersetzt... Ihre Belesenheit setzt sie sodann stark von den Frauen ihrer Zeit und ihrer Familie ab - nur Onegin ist sie dadurch ähnlich. Nach Lenskis Tod wird die jüngere Schwester Olga verheiratet, nur Tatjana bleibt lange allein, bis sie schliesslich nach Moskau auf den Brautmarkt geschickt und mit dem Fürsten Gremin verheiratet wird. Durch Gremin reift sie, wird ihm, den sie tief achtet, zur Gattin und Frau. Ihre Liebe hingegen gehört nur Onegin. Dass sie zuletzt auf ihn verzichtet, zeigt diese neugefundene Reife und Stärke. Offensichtlich hat sie aber auch für sich mit dem Schicksal abgeschlossen, erwartet nichts mehr von ihrem unglücklichen Leben, auch keine Kinder, welche sie als grösste Erfüllung wohl nur der einzigen wahren Liebe hätte schenken können. So steht sie standhaft, aber innen leer, wie ein mächtiger alter Baum, der langsam von innen vertrocknet, im Wind.

Er stirbt, meint
Piotr Beczala verschmitzt, wegen dem Testosteron... weil er sich ein Mal wie ein Mann benehmen wollte. Lenski und Onegin sieht der polnische Tenor als zwei Gegenpole: jeder verkörpert für den anderen das, was ihm selber fehlt. Und so bewundert Lenski in seinem von im selber so verschiedenen Freund dessen Präsenz, Männlichkeit, gesellschaftliche Gewandtheit, vielleicht auch dessen Art, sich um alle zu foutieren. Jedoch provoziert Onegin Lenski vom allerersten Auftritt an, macht sich über alles, was ihm heilig ist, lustig und treibt es auf dem Ball immer bunter - bis Lenski schliesslich die Nerven verliert. Geballt kommen plötzlich die Frustrationen und Komplexe dem erfahrenen Lebemann gegenüber zum Ausbruch. Obwohl ihn Onegin dann mehrfach beruhigen will, ist er nicht mehr aufzuhalten. Der Rest, die grosse Arie und das Duell sind nur noch die Konsequenz, die Versöhnung unvorstellbar, der Tod sicher. Tschaikowski schildert deü Lenski ausführlicher, doch nicht so ironisch wie Puschkin und stattete ihn mit der schwärmerischsten Musik in der Oper aus. Dennoch ist es Piotr Beczala wichtig, seine Partie über das Singen hinaus mit dem richtigen Charakter zu erfüllen. Wie es Vladimir Fedoseyev fordert, der ganz aus der Empfindung der Musik und aus dem Gehalt des Wortes interpretiert, müssen sich die Sänger um die ganze Spannweite vom Flüstern bis zum Hochdramatischen bemühen, um die Differenziertheit von Tschaikowskis Komposition zum Ausdruck zu bringen. Dass ihm dabei die romantischsten Stellen zufallen, hat wohl damit zu tun, dass der Komponist einen Dichter darstellen wollte -ähnlich wie Massenet den Werther: Auch wenn dieser auftritt, öffnet sich jedesmal eine Blume.

Für
Liliana Nikiteanu ist die Olga nicht die erste russische Partie - den Zarensohn Fjodor sang sie u.a. unter Claudlo Abbado - aber immerhin die erste russische Frauenpartie, die sie verkörpert. Mit der Arie von Tschaikowskis Jeanne d'Arc eroberte sie jedoch die internationalen Wettbewerbe und erhielt in Genf sogar Komplimente von der grossen russischen Mezzosopranistin Irma Archipova. Die Olga hält Liliana Nikiteanu für eine Schwester Dorabellas, welche sie soeben in Dresden an der Semperoper wieder gesungen hat. Wie Dorabella könnte sich auch Olga, ohne sich grosse Gedanken zu machen, für einen anderen entscheiden - bei Puschkin heiratet sie ja in derTat bald nach Lenskis Tod. Sie ist lustig, vielleicht oberflächlich, natürlich noch sehr jung und beabsichtigt ganz bestimmt nichts Böses. Wie so oft im Leben, schätzt sie nicht, was sie hat. Seit Jahren weiss sie, dass sie den hingebungsvollen Lenski heiraten wird, dass er ihr gehört. Und das ist ihr einziges Ziel im Leben: «Ich muss einen Mann heiraten, damit ich etwas bin», sagt Sophie im «Rosenkavalier». In ihrer Sicherheit realisiert Olga deshalb nicht, dass sich eine Eskalation anbahnt, dass für Lenski die Ehre eine so grosse Rolle spielt, dass letztendlich sie am Duell schuld ist. Doch am meisten beschäftigt Liliana Nikiteanu folgende Frage: Warum hat Olga, die jüngste im Bunde, die tiefste Stimme? Dies entspricht eigentlich nicht unserer Typologie von Charakter und Stimmlage...

In weiteren Vorstellungen debütiert
Judith Schmid als Olga. Zu ihrem Repertoire gehört bereits die Polina in «Pique Dame», und im April erarbeitet sie sich dann ein weiteres typisch russisches Mädchen, welches durch ihre Unbeschwertheit die melancholische Sopranistin zu trösten versucht: die Varvara in «Katja Kabanova», basierend auf dem Stück von Aleksandr Ostrowski. Zunächst bereitet sich Judith Schmid aber auf Konzerte Ende Januar vor: ihren ersten Liederabend mit Martina Janková am Opernhaus Zürich sowie ihr Debüt im KKL Luzern.

László Polgär hat den Fürsten Gremin - erstaunlicherweise bisher seine einzige Opernrolle im russischen Fach - bereits in Budapest gesungen, doch damals noch in ungarischer Sprache. Gelernt hat er die Arie jedoch vor vielen Jahren während seines Studienaufenthaltes in Moskau bei Jewgeni Nesterenko, an dessen Erklärungen, besonders im Hinblick auf die Aussprache, er sich noch gut erinnert. Als erfahrenem Liedsänger fällt es Läszló Polgar leicht, in dem einzigen, kurzen Auftritt des Gremin dessen ganzen Charakter, dessen ganze Geschichte mit allen Farben und Möglichkeiten der Stimme zu erzählen. Die grosse Arie besteht für ihn aus drei deutlich abgesetzten Teilen: zunächst die Erzählung von der Liebe zu Tatjana - sie hat sein Leben verändert-, dann die Beschreibung des oberflächlichen, ihm verhassten Treibens am Hof und schliesslich - in der Reprise - die Reflexion des ersten Teils, nunmehr introvertiert und innig. Ob er von der Beziehung zwischen Onegin und seiner Frau etwas ahnt? Wohl streift ihn ein Verdacht, doch, so meint Läszlö Polgar, ist seine Liebe zu Tatjana stärker. Denn er vertraut ihr.

Für einen russischen Bassisten wie
Pavel Daniluk, der in einigen Vorstellungen den Gremin übernehmen wird, ist diese Arie ein Teil seiner selbst: Sie sang er stets am Konsetvatorium, mit ihr debütierte er auf der Bühne (Der Regisseur bedeutete ihm nur, wo er auf-, abzutreten und zu stehen hatte...) und mit dieser Arie beeindruckte er bei allen Wettbewerben und Vorsingen. Eine ganz besondere Beziehung verbindet den ehedem in Nischni Nowgorod lebenden Sänger zu Puschkin, befindet sich doch etwa 100 km von dieser Stadt entfernt das Gut Boldino, wo der Dichter eine lange Zeit in der Verbannung verbrachte und wo noch heute im Herbst ein Musikfestival stattfindet, an dem Pavel Daniluk oft teilgenommen hat.

Das Frauenquartett wird durch die Mezzosopranistinnen
Stefania Kaluza und Cornelia Kallisch vervollständigt, welche beide immer wieder ihre Einfühlsamkeit und Gestaltungskraft in Hauptpartien des russischen Repertoires unter Beweis gestellt haben. In kleineren Partien zu hören sind zudem Valeriy Murga als Hauptmann Sarezki, der unter anderem dafür sorgt, dass das Duell nach den überlieferten Regeln abläuft, und Martin Zysset als Triquet, ein auf unerklärliche Weise in der tiefsten russischen Provinz gestrandeter Franzose, der die Ballgäste mit einem Couplet à la française entzückt. Wie in allen russischen Opern fällt auch dem von Jürg Hämmerli einstudierten Chor des Opernhauses - mit dem Vorsänger Vesselin Tchakov - eine wichtige und klangvolle Rolle zu.