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Kritik Oper:
Mélisandes Winterreise
VON WILHELM SINKOVICZ (Die Presse) 16.11.2004
Wiens künftiges "Ring"-Team produzierte in der Zürcher Oper Debussys "Pelléas". Eine Sensation.
Beziehungslos in Rolf Glittenbergs neuer Eiszeit: Eva Liebau, Michael Volle | (c) Zürcher Oper (Suzanne Schwiertz)
Beziehungslos in Rolf Glittenbergs neuer Eiszeit: Eva Liebau, Michael Volle | (c) Zürcher Oper (Suzanne Schwiertz)

Pelléas und Mélisande" ist eines jener Werke, für die cum grano salis gilt, was Lessing augenzwinkernd über Klopstock geäußert hat. Das Stück wird gern analysiert und in seiner musikhistorischen Bedeutung gewürdigt. Sir Rudolf Bing, der legendäre Manager der Metropolitan Opera, brachte jedoch die Einstellung des Publikums auf den Punkt: In der Pause von Debussys Oper gingen die Leute etwas trinken und kämen zum zweiten Teil nicht wieder.

Seit Sonntag ist alles anders. Für diese Generation hat das Zürcher Opernhaus "Pelléas und Mélisande" gerettet. Dem künftigen Wiener Team für Wagners "Ring des Nibelungen", Dirigent Franz Welser Möst, Regisseur Sven-Eric Bechtolf und dem Ausstatterpaar Glittenberg, gelang die Umwertung aller Werte. "Pelléas" ist, das weiß man jetzt, das spannendste aller musiktheatralischen Psychodramen. Man muss nur die Partitur genau lesen und den Text in seiner Vielschichtigkeit plausibel machen.

Beides ist in Zürich geschehen. Vor allem die musikalische Leistung ist stupend. Vom ersten Ton an wird klar, dass Welser-Möst und das Zürcher Orchester nicht daran denken, sich in jene liebliche Pastell-Welten zu flüchten, mit denen vordergründig aus dieser heiklen Partitur so hübsche Effekte geschlagen werden können. Hier verschwimmt nichts, hier werden die immer neuen, erstaunlich modernen Klang-Experimente Debussys penibel realisiert, auch dort, wo statt eitel Wohlklang scharfe Kontraste, grelle, ätzende, keuchende, schneidende Bilder entstehen, um Schlaglichter auf die Befindlichkeit der handelnden Personen zu werfen.

Jede Phrase, jeder Ton ist mit Energie, mit Ausdruck aufgeladen. Die Musiker formen immer neue, intensive Steigerungswellen, am intensivsten dort, wo es ganz leise zugeht, wo die Emotionen sich subkutan entfalten; unterdrückte, doch immense Leidenschaften. Immer wieder reden die Personen in Maeterlincks Drama aneinander vorbei, jeder für sich, ein Gegenüber meinend, das real nicht existiert.

Da verknüpfen sich oft zwangsläufig mehrere voneinander unabhängige musikalische Entwicklungen zu komplizierten Klanggeflechten. Debussy wechselt die Beleuchtungen, nimmt Entwicklungen, die jäh unterbrochen schienen, zuweilen wieder auf, als wären sie im Stillen weitergewachsen und brächen mit unvermittelter Intensität plötzlich wieder hervor.

Die Szenerie vermittelt die Paradoxa des Werks, die klingend so unausweichlich erfahrbar werden, mit einer kongenialen Bildsprache. Rolf Glittenberg stellt die Handlung in eine neue Eiszeit, das Schloss ein kahler, grauer Bunker, die Natur von Schnee bedeckt, gefroren - freilich, wie in Schuberts Winterreise schwellen die Fluten unter dem Eis glutvoll.

Regisseur Bechtolf zeigt uns die Beziehungslosigkeit, indem er die Figuren mit Puppen verdoppelt. In der Regel spricht mit einer leblosen Kopie, wer zum andern zu reden scheint. Autismus. Seltene Momente direkter Dialoge werden zu schmerzvollen Erfahrungen. Kaum je war die Doppelbödigkeit von Maeterlincks Text so unmittelbar erfahrbar, wurde die Brutalität Golos gegenüber der unglücklichen schweigsamen Frau so ungeschminkt sichtbar. Selten auch hat ein Bühnen-Blick solche emotionale Kraft wie jener zwischen Pelléas und Mélisande, wenn die Musik im entscheidenden Moment völlig verstummt: "Ich liebe dich auch", flüstert Mélisande tonlos. Und was im Orchester immer unausweichlicher zu werden drohte, je leiser die Klänge wurden, wird in der absoluten Stille zum Orkan der Emotionen.

Debussy markiert hier den Gegenpol zur Klimax von Wagners "Tristan"-Duett; und in Zürich lernt man, dass der ebenso aufregend, ja existenziell ist. Ein Wunder, auch weil die Sängerbesetzung beinahe ohne Fehl und Tadel Musik wie Szene zu erfüllen vermag. Gewiss hat Rodney Gilfry, gesundheitlich ein wenig angeschlagen, Mühe mit den höchsten Tönen des Pelléas, ist vielleicht musikalisch eine riskante Besetzung, weil dem Komponisten für seinen Titelhelden eher ein tiefer Tenor als ein Bassbariton vorgeschwebt sein mag. Doch gibt Gilfry den liebenden, zärtlichen, sensiblen Mélisanden-Bruder im Geiste so überzeugend, dass manche ungerade Töne kaum ins Gewicht fallen.

Isabel Rey ist eine warm timbrierte Mélisande, die ihre Emotionen optisch wie akustisch hermetisch abzuriegeln weiß. Wir ahnen beständig, wie hoch es in dieser Seele hergehen mag, doch erreichen uns nur zarte, behutsame artikulierte melodische Schwingungen davon. Sie treiben den drängenden Golo von Michael Volle zur Verzweiflung: Der Bariton setzt gegen die in seinen Szenen oft mächtig anschwellenden Orchesterwellen ebenso mächtige ariose Entfaltungen, die stärksten Vokalmomente der Aufführung jedenfalls.

Laszlo Polgar (Arkel) und Cornelia Kallisch (Geneviève) runden das Ensemble ebenso wie Eva Liebau als kleiner Yniold mit feinfühligen Schattierungen ab. So feierte "Pelléas" seine Wiederauferstehung. Endlich kann man hören und sehen, dass Debussy hier tatsächlich ein Schlüsselwerk der Musikgeschichte geschaffen hat.

 
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