Testo pubblicato con il consenso scritto della Direzione
della Dramaturgie che il curatore del sito ringrazia di cuore.


© OPERNHAUS ZÜRICH

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Erich Wonder hat hierfür einen Raum entworfen, der an die 1927 eröffnete Brasserie «La Coupole» im Pariser Stadtteil Montparnasse erinnert, die mit ihren 800 Quadratmetern, hunderten von Sitzplätzen und Stehgelegenheiten an der ausladenden Bar Vorbild wurde für die heute europaweit gefragten sogenannten XXL-Restaurants, die viel mehr sind als nur Stätten der Nahrungsaufnahme. Man kommt zum Sehen und Gesehenwerden, Schau- und Flirtmöglichkeiten bieten sich en masse, die Menge der Ansprechpartner ist immens. Keiner bleibt lange alleine.
Solcherart atmosphärisch aufgeladene Grossrestaurants verquirlen gesellschaftliche Schichten, sorgen für Egalité und der vermeintlichen Erlösung aus der Einsamkeit. Dieses Ambiente ermöglicht auf einer zweiten Ebene - der der Gäste -, die Auseinandersetzung zwischen Bellezza, Piacere, Disinganno und Tempo theatralisch zu verstärken, zu kommentieren oder zu kontrapunktieren, denn bei aller inneren Dramatik dervorgeführten Diskussion stelltsich eine «Handlung» im herkömmlichen Sinne nicht her.
Die psychologischen Strategien, die von beiden Parteien angewendet werden, um Bellezza auf ihre Seite zu ziehen, lassen etwa an die Stücke eines Jean Anouilh denken, von dem der bedenkenswerte Satz stammt: «Die Stimme des Gewissens wäre ein besserer Berater, wenn ihr nicht immerzu souffliert würde, was sie sagen soll.» Reflektierende Arien, wie man sie in einem Oratorien in der Mehrzahl erwarten würde, gibt es in «Il trionfo» nur zu Beginn und am Ende. In den übrigen Rezitativen und Arien wird die psychologische Kriegsführung konsequent vorangetrieben, jedes Argument aus dem vorhergehenden entwickelt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung aber führt Händel eine überraschende Lösung herbei, indem er die Macht der Musik wirksam werden lässt. Zu Piaceres Arie «Lascia la spina», in der sie Bellezza einmal mehr auffordert, sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen, schreibt Händel eine Musik, die die Textaussage völlig unterläuft und in ihr Gegenteil verkehrt. Die abgrundtiefe Traurigkeit, die diesen Tönen entströmt, weiss um die Vergänglichkeit und offenbart die Wahrheit. So bekennt dann auch Bellezza im folgenden Rezitativ: «Con troppo chiare note la Veritä mi chiama» - und «mit diesen klaren Tönen» kann nur die Musik gemeint sein. Sie wendet sich von Piacere ab, wiewohl Auslöser des Gesinnungswandel, und beginnt Fragen zu stellen in der Hoffnung, einen für sie gangbaren Weg zu finden. Disinganno und Tempo aber nutzen diese Gelegenheit, Bellezza ihre Wahrheit aufzuzwingen.
So gross die Versuchung auch sein mag, den in den Gesangstexten von Händels Oratorium angesprochenen Bildern nachzugeben, so verkehrt wäre es, diese auf der Bühne zu doppeln. Zum einen werden sie schon durch Händels Musik unüberbietbar aufgegriffen, zum anderen besteht der Reiz dieser Arbeit für das Leitungsteam darin, die Modernität des Stückes aufzuzeigen.