MOPP
(Max Oppenheimer)

RITRATTO DI CARL FLESCH

MENSCHEN FINDEN IHREN MAHLER
Zürich 1938, pp. 43-45
Das Tönegewirr des Orchesters, das zu stimmen aufhörte, erlosch allmählich. - Akkorde verebbten und Flötenläufe erstarben im Gepolter der Pauken. - Eine Tür klappte auf. Die Helligkeit, die hereindrang, ließ einen ergrauten Herrn erkennen, welcher der Mitte zustrebte. Vor sich her trug er behutsam eine Violine. Nun er in das Rampenlicht trat, empfing ihn Beifall, für den er zurückhaltend dankte. Dann stand er ruhig, als sammle er sich, indessen das Orchester die Einleitung zu Mozarts Violinkonzert in A-Dur vortrug. Wie Sphärenmusik klang es, als er mitspielte, und silbrigtönend führte seine Geige in einem verklingenden Adagio, das abgelöst ward von einem heiter scherzenden Allegro, in das bisweilen tragische Schatten huschten.
Dabei mußte ich an Mozart denken und daß er noch nicht neunzehn Jahre alt war, als er dies bezaubernde Werk schrieb, und daß er Hunderte solcher außerordentlicher Einfälle hatte und das weite Gebiet der Musik beherrschte wie kein anderer je vor ihm, daß er für alle Instrumente komponierte und für die menschliche Stimme, in allen Formen, in allen Arten ... und es doch im Leben zu nichts bringen konnte; und die flehentlichen Worte seiner Briefe fielen mir ein: »In Gottes Namen, so bitte und beschwöre ich Sie um eine augenblickliche Unterstützung nach Ihrem Belieben!« » ... Ich bin voll Kummer und Sorge - gegenwärtig habe ich Mangel, könnten Sie mir denn nicht mit einer Kleinigkeit an die Hand gehen - mir wäre für den Augenblick mit allem geholfen«, - und an das letzte Jahr seines, ach, so kurzen Erd'endaseins, an würgende Not und Bedrängnis, als er sich und seine Constanze in der eiskalten Stube zum Tanze drehte - um sich zu erwärmen. Wie durch einen Schleier sah ich den Geiger und hörte das menuettartige Rondo, das er wundervoll und mit höchstem Ausdruck spielte - bis es lispelnd verklang. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
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Am nächsten Tage aber, und noch völlig unter dem Eindruck des gestern Erlebten, malte ich das Bildnis dieses Geigers, der, wie selten einer, durch die Größe seiner musikalischen Auffassung, gleichermaßen wie durch die Beseeltheit seines Spiels imstande war, solche Eindrücke zu erwecken.