DRITTER AKT


SZENE XIV

(Der 'Froschlaich' im Tiergarten. Mondschein mit ziehenden Wolken, stellenweise von drohendem Charakter. In der Entfernung, hört man den Postillon einer aus dem Tor fahrenden Reise-Diligence auf dem Horn blasen. Thusmann liegt unter einem Baum.)

Thusman
O, du unglücklicher,
bedauernswürdiger
Thusman, Geheimer
Kanzelei-Sekretär!
Was helfet mir Thomasii kluger Rat,
da ich nun ratlos bin
und nicht recht klug!
O, Demoiselle Albertine!
Was kann verdrießen sie dermaßen
an meiner löblichen Person?!
Welch böses Schicksal
mußte, Geliebter, dich
führen zu Relationen
mit schnöden Schwarzkünstlern,
Zaubrern, Juden, Malerwütrichen - schonungslosen,
die freche Pinsel
unzart handhaben!
Das ist das Ärgste
von allem Schlimmen!
Umsonst das Proben
chemischer Kunstgriffe
gegen des Teints
grünlichen Eigensinn,
der nur variiert
in Gradationen,
deutend auf Frühling,
Sommer und Herbst!
O, weißer Winter!
Schicklichste Jahreszeit!
Kehrst du nicht wieder mir,
stürz' ich mich zu den Fröschen,
sterb' einen grünen Tod!

(Die Frösche quaken im Chor.)

Ja, Geheimer,
Nun ist's aus.
Kein Thomasius
kann dich retten - !
Fahre hin, geschätzter Autor,

(er wirft das Buch in den Teich)

lehr' die Frösche Conduite.

(Er steckt den Stock aufrecht in die Erde)

Leben sie wohl, grausame Demoiselle Albertine Voswinkel!

(Er hängt seinen Roch daran)

Sie sehen ihren Bräutigam niemals wieder;

(jetzt stülpt er den Hut darauf)

er springt sogleich dem Thomasio nach!

(Er nimmt kleine Anläufe)

(Der plötzlich erschienene Goldschmied hält ihn fest.)


SZENE XV

Leonhard
Thusman, was habt ihr vor!
Ich bitt' euch, seid kein Esel
und macht nicht tolle Streiche!

Thusman (bissig, aufgeregt)
Herr Professor, ich bin fertig
und da hört die Rücksicht auf.
Nehmen sie demnach nicht übel
einem desperaten Amtsherrn,
wenn er endlich unverhohlen
wünscht, der Teufel möcht' sie holen:
sie und ihre Hexenkünste
und das maledeite "ihr"
"ihr" und "ihr" und "ihr" und "Thusman"!

Goldschmied
So sterbet!

(Er stößt Thusman ins Gras, wo der liegen bleibt)

Thusman (wähnend, er liege im Bassin)
O, kalter Tod!
O, grüner Teich!
O, grüne Welt, Adieu!
Leb' wohl, wackerer Kommissionsrat!
Die Frösche loben den Herrn zur Sommerszeit!

Leonhard
Seht ihr nun, Thusman,
daß ihr von Sinnen seid,
daß ihr im Fieber liegt,
elend und matt?!
Ihr wolltet mich zum Teufel schicken,
wie, wenn ich selbst der Teufel wäre
und sachte drehte euch's Genick?

Thusman (mit Leonhards Hilfe aufstehend, ganz zermürbt)
Ich seh', ich bin in ihrer Macht,
so schalten sie denn nach Belieben
mit meinen sterblichen Resten.
Jedoch, die unsterbliche Seele
Schonen sie bitte gehorsamst

Leonhard
Schwatzt nicht in einem fort
krankhaften Aberwitz!
Kommt nun rasch fort - !

(Er faßt ihn unter- den Arm)

Thusman (sehr beunruhigt)
Um tausend Himmels willen!
Wo führen sie mich hin?
Nicht nach der Stadt!? Nicht etwa in Gesellschaft - ?
Erblickt man mich, so gibt's ein Skandalum -

Leonhard
Ich weiß nicht, Thusman, was ihr habt
mit eurem menschenscheuen Wesen -
Zwar seid ihr naß und sehr recht garstig
Wartet - ich schaff' ein wenig Ordnung wieder.

(Er fährt ihm mit dem Taschentuch übers Gesicht und hält ihm dann einen Handspiegel vor: Die grüne Farbe ist verschwunden. Voller Mondschein.)

Thusman
Ach - ! (sieht in den Spiegel, dann in kindlichem Entzücken:)
O Gerechter, was erblick' ich,
ungemein verehrter Meister,
diese Wohltat ist ihr Werk!

Leonhard
Vielleicht.

Thusman
Dero schneeweißes Schnupftuch,
das behaglich anzufühlen,
hat dies Wunder hier gewirkt!
Nicht mehr zieht's mich zu den Fröschen,
denn nun wird die Demoiselle
sicherlich und mit Entzücken
- hei'ahei, hoidideldei -
mich erkiesen zum Gemahl!

Leonhard (mit etwas Strenge)
Ich rat' euch, Thusman, lasset den Mutwillen,
seht das Unschickliche
eures Johannistriebs
endlich denn ein!
Den späten Appetit euch zu vertreiben,
Halt' manchen Schabernack ich noch bereit!
Drum merket wohl:
Verhaltet euch ganz stille
und meidet Albertinen
solang, als es mir ratsam dünkt;
bis ich das Zeichen gebe
zu dieses Spiels Beschluß!
Beherziget die Mahnung!
Müßte sonst gar zum grünsten Frosch euch wandeln,
daß ihr noch quaktet nach dem letzten Vorhang!
Gehabt euch wohl.
Ich hab' noch ein'ges vor. (schnell ab)

(Thusman, ganz eingeschüchtert, sieht sich nach Stock und Hut um.)

(Zwischenvorhang)


DRITTER AKT

Zweiter Teil


SZENE XVI

(Das erste Zimmer bei Voswinkel. Das Bild ist fort. Es ist Abend. Lampe oder Kerzen. Kommissionsrat allein.)

Kommissionsrat (in schlechtester Laune)
Wär' kaum zu wundern,
wenn mir die Galle
sich durch den Leib ergösse
und schwärzte mein Gesicht,
ein artig Gegenstück
zu des Geheimen "Grün"!
Erst fluchet mir der Alte
die Armut an den Hals -;
darauf der kniff'ge Goldschmied
produziert einen Sabbath,
koppelt mich gar dem Juden
zu einem Luftritt!
Ich hüt' mich wohl, die beiden mehr zu reizen -,
den Grünanstreicher aber
hab'ich komplimentiert, wie sich's gebührt!
Nun hat es wohl ein Ende -

Leonhard (schnell hereintretend, stark)
Guten Abend!

Kommissionsrat (erschrickt zuerst, dann erbost)
Was kommt ihr ungebeten, in der Nacht!
Schert euch hinaus und laßt mich ungeschoren
mit euren Gauklerkünsten -

Leonhard (ruhig kopfschüttelnd)
Seht, so sind
Menschen, und zumal Kommissionsräte,
wenn man wohlwollend sich um sie bemüht.
Euch armen Ratsherrn droht ein harter Schlag,
ich eile, ihn vielleicht noch abzuwenden,
und ihr -

Kommissionsrat (geängstigt)
O Gott, gewiß ein Falliment in Hamburg - London - bin ich ruinieret?

Leonhard
Nein, nein; - hier ist von anderem die Rede -
Ihr weigert Edmund Albertinens Hand - ?

Kommissionsrat (wieder obenan)
Ach ärgerlicher Schnack! Wie käm' ein Kommissionsrat
zu solchem Schwiegersohn -
Verkauft man seine Tochter
für bunte Leinewand? -
Geht mir! Geht!
Die Bilder hat er wieder,
mich schmiert er nicht mehr an!

Leonhard
Nicht ganz so:
in diesem Punkte geht ihr fehl,
mein wackrer Kommissionsrat.
Zur Stunde müht sich Edmund
das Bild zu retuschieren -

Kommissionsrat
Was tut's?

Leonhard
- recht kunst - und liebevoll.

Kommissionsrat (beunruhigt)
Wie ist das zu verstehn?

Leonhard
Das Lächeln ist vergrämlicht, die Augen blicken trübe,
das Haar schön grauer,
das Antlitz gefurcht.
Aus den zerrißnen Taschen fallen Dukat' und Scheine;
man merkt, woran ihr seid.
Und auf dem Brieflein
so ihr in Händen haltet,
steht zu lesen
vom Bankerupt, das letzthin euch betroffen.
So wird das Bild beim Händler ausgehangen
am Bankgebäude, in der.Jägerstraße -

Kommissionsrat
Der Satan! - Nein! - Ich meld' es derJustiz - !

Leonhard (immer eindringlicher)
Hat nur ein Häuflein
sich dran ergötzt:
in einer Stunde
weiß es die Stadt.
Hundert Kommente, boshaft ersonnen,
steigern das Zerrbild
ins Fratzenhafte -,
kichernd beschmeißt es
der freche Pöbelwitz.
Das Falliment wird
Tagesgespräch -

Kommissionsrat (sich windend)
O, haltet ein - ! Geht hin zu diesem Menschen,
bietet ihm fünfzig - bietet hundert Taler -

Leonhard
Ha, ha! mit Geld ist hier nichts auszurichten.
Ganz abzusehn, daß Tante Lehsen, ihm achtzigtausend Taler hinterläßt -

Kommissionsrat (betroffen)
Was - achtzigtausend? - Hören sie, Herr Leonhard,
ich glaube, Albertine
ist ganz auf ihn versessen;
vernarrt, verschaut,
wie eben Mädchen sind.
Ich bin ein weicher Vater -
mag keine Tränen leiden, -
und noch dazu ein Kunstnarr -
(das ist einmal, ihr wißt, mein großes Faible -)
der Bursche hat Talente -
auch andre Qualitäten -
Wissen sie was: aus purer Herzensgüte
geb' ich sie ihm - dem Lehsen - meine Tochter -

Leonhard
Hm! (Kurze Pause.) Ein.andres Stückchen
ist zu berichten,
diesmal ein spaßhaftes.
Eu'r Schulgenosse, Thusman, der Geheime
mochte sich eben im Bassin ersäufen: ein Suicidium aus verschmähter Liebe!!
Mit Not gelang es mir ihn abzuhalten, indem ich ihn mit eurein Wort vertröstete.
Ihr müßt es halten!
soll nicht die Welt hinstellen euch als Mörder;
als Freundesmörder, keinen Mann von Wort.
Ist das Vertraun zu eurem Wort gebrochen -

Kommissionsrat
Hört auf! - Martert mich nicht! - Wer konnte denken,
Daß der Geheime solch verliebter Aff' wär'!
Ich halte Wort, - 's ist ausgemachte Sache,
daß Thusman -

Leonhard (unterbricht ihn)
Hm!
Noch vergeßt ihr die Werbung des Juden
und Manasses entsetzlichen Fluch:
An diesem habt ihr -
weist ihr den Neffen ab
fortan den grausamsten
zähesten Feind.
Spekulationen
wirkt er entgegen,
schmälert mit Tücke
euren Kredit.
Auf jedem Wege
weiß er zu schädigen,
bis daß sein Fluch
an euch sich erfüllt. -

(resumierend)

Genug, mögt ihr nun Albertinens Hand
von jenen Drein welchem auch immer geben,
aus einer Not geratet ihr in zweie.

Kommissionsrat
Möchte sie doch der Cerberus zerbeißen,
den Bensch, den Lehsen - und auch den Geheimen -

Leonhard
Nun, nun, vielleicht gibt es wohl noch ein gutes Mittel -

Kommissionsrat
Welches? So nennt's, ich geh' auf alles ein.

Leonhard (bedächtig)
Saht ihr schon im Theater den "Kaufmann von Venedig"?

Kommissionsrat
Das ist das Stück, in dem Herr Devrient
'nen mordsüchtigen Juden spielt.

Leonhard (bestätigend)
Den Shylock.

Kommissionsrat
Ich hab's gesehen. Was sollen jetzt die Possen?

Leonhard
Ich mein', ihr solltet tun wie Porzias Vater:
Den Freiern stellt ihr drei verschloßne Kästchen,
der richtig wählt wird Albertinens Mann.

Kommissionsrat
Ein Vorschlag, würdig eines Abenteurers!
Wollt' ich ihn auch befolgen, sagt, wiefern
er mir zum Vorteil schlüge?
Denn die beiden
die falsch gezogen,
- sie grollten mir darum nicht minder -

Leonhard
Hier sitzt der wichtige Punkt!
Vertraut ihr mir
die Organisation der Lotterie, so bürg' ich -
mit feierlichstem Eide bürg' ich euch - für den glücklichen Ausgang. ja, ihr erntet
den Dank der beiden obendrein -

Kommissionsrat
Das wäre denkbar -?

Leonhard
Ja.

Kommissionsrat
Unmöglich.

Leonhard
Doch! so muß es kommen.

Kommissionsrat
Seltsam! - So geb' ich nach.

Leonhard
Die Kästchen schaff' ich her.
Auf morgen, denn!

Kommissionsrat
Auf morgen!

Leonhard
Euer Diener. (schnell ab) (DerKommissionsrat gedankenvoll durch eine andere Tür.)


SZENE XVII

(Durch eine dritte Tür stürmt Albertine, sobald die Scene leer geblieben, herein.)

Albertine
Was mußt' ich hören?
Mein Lebensglück
Preisgegeben dem Zufall!
Mein Vater, für sich fürchtend,
läßt ein Gewinstspiel
an Stelle seines väterlichen Wortes
über mein Schicksal sprechen!
Und Edmund zeigt sich nicht und schweigt;
bald wird die Ungewißheit
zur tödlichen Gewißheit,
daß er mich nicht'imehr liebt.
Wie wend' ich's ab, das Gräßliche - !
Soll ich; entfliehn - bleibt mir ein andrer Ausweg?
Doch, wenn ich zu ihm eilte
und er - wiese mich ab? -

(Sie setzt - sich , ermattet)

Noch eine Hoffnung dämmett weich in mir:
der rätselhafte Goldschmied
vermag wohl. manches und scheint ihm gewogen.
Wär' er nur hier -
ihm würd' ich ganz vertraun.
(Sie versinkt in einen traumhaften Zustand)


SZENE XVIII

Leonhard
(sanft, hinter Albertine stehend)
Laß ab von der Betrübnis, liebes Mädthen,
der deinem Vater
zum Glückspiel riet, -
er wird das Spiel zum Glück geraten lassen.
Zu nah liegt meinem Herzen Edmunds Wohlfahrt,
und bei mir steht die Macht, sie zu bestimmen.

Albertine (im Schlafe)
Wer bist du, güt'ger rätselvoller Mann?

Leonhard
(Seine Stimme klingt leiser und fremder)
Man sagt, daß jener Leonhard Turnhäuser,
ein schweizerischer Goldschmied ohnegleichen,
zu Dürers Zeit als Meister hochgeehrt -
des Leben hart bedrohten seine Neider,
verschwunden sei auf unerklärte Weise -
von seinem Tode wurde nie vernommen. -
(in leichterem Ton)
Möglich, daß ich derselbe Leonhard bin, -
Und wär' ich's auch - wer würd' es gelten lassen
Drum bin ich der, wofür mich einer hält.
Genug, daß ich zur Endung der Historie,
die hier sich abspielt, unentbehrlich bin!
(wieder ernster)
Was aber Edmund noch betrifft - so schaue!
(Der Hintergrund teilt sich. Man erblickt das Innere einer ernsten italienischen Kirche, darinnen Edmund, an einem großen Altargemälde beschäftigt, steht. Von ferne Orgelklang und ritualischer Gesang.)
Dort steht seine Zukunft!

Unsichtbarer Chor
Deus et ars et natura
Vera sunt trinitas
Nulla religio superior
Vita omnia comprehendit.

Leonhard
So sollst du ihn lieben,
so mußt du ihn erträumen!
Nicht verleg' ihm den Weg,
wenn ihn der Genius
von dir fortzieht
und es ihn zwinget
zur freiern Höhe -
Selbst kehrt wieder zu dir
und ganz besitzest du ihn dann! Morgen siehst du noch einmal mich. Leb' wohl!
(Die Erscheinung und Leonhard verschwinden.)

Albertine (aufstehend)
Wie wohl tat mir der Schlaf, wie träumt' ich schön!
Mit mir erwachten neue Hoffnungen:
ich glaube wieder: Edmund wird der meine!

Ende des dritten Aktes.


NACHSPIEL

(Am Vormittage darauf.)

(Festliche, leichte Musik, im Konversationston. Saal bei
Voswinkel, heiter - festlich arrangiert. Blumen und
Girlanden.Anmuhges Bild im höchsten
Biedermeier Geschmack).

(Ein zugezogener Vorhang teilt den Raum
nach der Tiefe in 2 Teile.)


SZENE XIX

(Voswinkel allein, in Erwartung.)

Ein Diener (meldend)
Der Herr Geheime Kanzlei-Sekretär Thusman.

Thusman
(eifrig eintretend, mit Blumenstrauß; apfelgrüner Frack)

Ich eil' auf Amors Flügel her -
Und mir folgt auf dem Fuße
auf rollendem Kristalle
die kapriziöse Göttin der Glückesgaben.

Kommissionsrat (handschüttenld)
So hoff' ich es mit dir, lieber Geheimer.

Diener
Der Herr Manasse und Herr Baron von Bensch

Bensch (frech)
Schwiegerpapa in spe, sie grüß' ich kindlich -

Kommissionsrat (wie oben)
Willkommen, Herr Baron und ihr, Manasse.

Manasse (für sich und ohne den Gruß zu erwidern)
In meine Schlingen
sollt ihr mir alle.
Rennt in die Beine
dem Ahasverus.
Ein schöner Handel,
ein guter Tausch.

Diener
Herr Leonhard und Herr Edmund Lehsen.

(Edmund tritt ein Reisekleidung, Leonhard hinter ihm.)

Kommissionsrat
Wie, mein junger Künstler,
zur Reise so gerüstet?
Wohin und wann
wenn es erlaubt, zu fragen.

Edmund (mit Wärme)
Enttäuschte Liebe
treibt von hier mich fort -
und hin nach Rom,
Wo hohe Ziele winken.
Noch heute tret' ich
meine Wanderung an.

Kommissionsrat
Ei, ei - was Nagelneues.

Edmund
Doch sie begehrten meiner.

Kommissionsrat
Ja.

Edmund
Und weshalb?

Kommissionsrat
Sie erfahren's,
sobald mich jeder
freundlich angehört.
(Die drei Freier und die beiden Besonderen setzen sich.
Kommissionsrat vor ihnen stehend.)
Verehrliche Bewerber, lieben Freunde,
mein Busen teilt sich dreifach zwischen euch
und einen jeden schätz' ich gleich und lieb' ich.
Dich, mein Geheimer, kenne ich wohl am längsten
als 'nen gediegnen Freund und reinen Herzens;
sie, Herr Baron, sind allgemein beliebt
als Esprit littéraire - als Mann von Bildung
und von Geschmack - ein Freiherr, und mit irdischen
Gütern bedacht - gewandter Amateur
auf der Viola da gamba, etcetera, etcetera,
und anderes mehr.
Sie, Edmund Lehsen,
erobern meinen Kunstsinn durch aufstrebendes
Genie: - ein Punkt, darin ich sterblich bin!
Sie alle ehren mich durch ihre Werbung,
ein jeder bürgt mir einzeln und gewiß
für Albeitinens Wohl und Eheglück. -
O warum hab' ich nicht drei der Töchter!
Und weshalb wurde mir
das Kind als Drilling nicht geboren? Dann säße
jedem von ihnen eine ähnlich geartete Jungfrau,
eine gleiche Albertine zur Seite! - Schade!
Wie's nun steht,
beschloß ich schweren Herzens,
den Richterstuhl dem Schicksal einzuräumen.
Drei wohl verschlossene Kästchen stehen zur Wahl:
Wer jenen Schrein ergreift,
der Albertinens Bildnis schließt,
erhält, zugleich mit ihm, auch ihre Hand.
Verstehn wir uns? Sind wir einig?

Thusman
Du bist hier die Autorität -

Edmund
Ich bau' auf meiner Lieb' Untrüglichkeit -

Bensch
Ich füg' mich der Majorität -

Kommissionsrat
So wünsch' ich, daß das ernste Spiel beginne;
tretet beiseite.


SZENE XX

(Der hintere Vorhang wird auseinandergezogen. Albertine, bräutlich geschmückt, wird sichtbar und tritt vor.
Hinter ihr bemerkt man, mit einer gewissen Feierlichkeit arrangiert, einen Tisch, worauf drei Kästchen. Die drei Freier sind über die Erscheinung Albertinens in vollem Entzücken.)

Die drei Freier
Wie ist sie schön
in ihrer Jugendfrische,
ein Pfirsich, kaum gereift, ist sie,
'ne Perle in der Nische;
rosige Wangen,
schlanke Gestalt:
Sie übt an uns der Schönheit Reiz
mit spielender Gewalt.

Edmund
So schwebte mir ihr Bild im Sinn -

Thusman
So tanzte sie zur Mitternacht -

Bensch
Wenn sie nur erst Baronin ist,
adlig ist,
jemand ist,
dann gebet acht'

Albertine
Liebwerte Herren,
ich heiße sie willkommen.
Möge des Zufalls Wort
mir und ihnen frommen!

Edmund
O Hoffnung.

Thusman
Sehr verbunden.

Bensch
Ohne Zweifel.

Albertine (für sich)
Wen ich ersehne heiß,
Vom dem mein Herze weiß, Ihm sei der Preis!

Dazwischen: Bensch u. Thusman

Herrlich - prächtig - reizend - lieblich - Schönheit - Anstand - Anmut - Jugend.

Die Freier
Ja sie ist schön
in ihrer Jugendfrische,
ein Pfirsich, kaum gereift, ist sie,
'ne Perle in der Nische.

(zu drei:)
Albertine! Albertine!
Liebenswürdigste Tochter von Berlin!

Kommissionsrat
(den offiziellen Ton wieder aufnehmend)
Das ältste Anrecht hat hier der Geheime,
nach seinem Rang ist der Baron der erste,
Herr Lehsen wird als jüngster sich bescheiden,
die Reihenfolge scheint mir so geordnet.

(Bensch und Lehsen treten in den Nebenraum)

Thusman
So wag' ich mich in des Orakels Tempel:
Amor, Fortuna,
ihr Göttlichen, euch vertrau ich mich an!

(er tritt durch den Vorhang, der geschlossen wird)

(Kurze Pause.)

Thusman
(mit einem Kästthen in den Händen, es betrachtend)
Welch schön verschlungne Schrift! Wie angenehm
sich das Arab'sche paart
mit römischer Fraktur!
(Er liest auf dem Deckel die Inschrift) «Wer mich erwählt, bekommt viel mehr, als er gehofft.»
Hab' ich denn noch gehofft? - war ich vielmehr nicht ganz -
in Desperation geraten? - Kommissionsrat!
Hier steht mein Glück, mein Trost! - ich hab' gewählt.

(Albertine reicht ihm den Schlüssel. Der Kasten wird geöffnet.)

Thusman
Ein Buch -? Nein, nicht ein Buch, nur leere Blätter!
Geschlagner Sekretär - zerstörte Hoffnungen!
Nun ist es gänzlich aus - fort in den Froschlaich!

Unsichtbarer Chor
*)
(in der Luft schwebend)
«War dein Treiben auch verkehrt, Großes Heil dir widerfährt;
Was du findest, ist bewährt: Ignorantiam macht's gelehrt, Sapientiam dir's beschert.»

Leonhard
Klingt es euch nicht in die Ohren?

Thusman
Was hilft mir dieser Singsang?

Leonhard (vortretend)
Werd's euch sagen:
Was ihr in Händen haltet, ist ein Schatz.
Stecket das Buch in eure Tasche.

Thusman (tut es)
Nun?

Leonhard
Denkt euch ein Werk, das ihr jetzt sehr vermißt.

Thusman (zögernd)
Unchristl'cher Weise warf ich den Thomasium fort.

Leonhard
Faßt in die Tasche!

Thusman
Ha! gerettet ist er
vom schnöden Froschvolk!

Leonhard
Steckt es wieder ein:
Denkt nun ein seltnes Buch, das ihr begehrt -

Thusman
O Gott, wie wünscht' ich längst Johannes Beerens
»Musikalischen Krieg« , worin beschrieben
die Fehde zwischen Sang und Harmonie

Leonhard
Faßt in die Tasche!

Thusman
(zieht ein ungeheures Folio)
Beers «Musica militans»!!

Leonhard
So habt ihr durch das Büchlein
die reichste Bibliothek
beständig in dem Rockschoß - (Thusman, ohne weiter zu hören, eilt kopflos hinaus. Das Kästchen wird wieder, geschlossen, in die Reihegestellt.)

Kommissionsrat (laut)
Mein Herr Baron von Bensch! Nun ist's an ihnen!

Bensch (mit Seitenblick)
Herr Thusman hat verspielt -
Mein Mittelweg ist golden
(Er geht hinter den Vorhang - Zeremonie wie vorher - und kommt mit dem goldnen Kästchen wieder)
Ein goldnes Kästchen,
darauf Dukaten glänzend abgebildet -
(liest die Inschrift)
»Wer mich erwählt, Glück ihm nach seines Sinnes Art.«
Nun ja: Dukaten sind nach meinem Sinn,
und Albertine ist es ebenfalls -
Was wähl' ich lange? - Hier ist meine Wahl!
(er erhält den Schlüssel)
Wie? - eine leere Tasche! - Was soll das? -
Gab ich mich je mit leeren Taschen ab? -
(giftig)
Hier, liebes Mädchen, nehmet sie als Brautgabe -

Leonhard
Erlaubt, mein Herr, die Form wär' nicht korrekt,
stellt euch zufrieden mit der leeren Tasche,
die einen ungeahnten Wert begreift.
Ein jedes Kupferstück, so ihr hineintut,
gibt sie zurück als blinkenden Dukaten.

Unsichtbarer Chor
«Hast gewonnen, was dein Herz
Wünschen konnt' mit wehem Schmerz;
Alles andre ist nur Scherz;
Immer vor - niemals rückwärts
Geht ein blühender Kommerz.»

Manasse (auper sich)
Gott meiner Väter Her mit der Tasche! Für dieses Zauberstückgab ich mein Seelenheil, dreihundert Jahre sind es seither

Bensch
Weg, alter Handelsnarr -

Manasse
Natter.

Bensch
Nun ist's mein Eigentum.

Manasse
Du Giftwurm!

Bensch
Gespenst.

Manasse
Tollhund.

Bensch
Teufel.

Manasse
Sohn einer Schlange.

Bensch
Geldwürger.

Manasse
Wurmstichige Frucht meines Stammes.
(Sie ringen verzweifelt und lautlos und würgen sich gegenseitig zur Tür hinaus.)

Leonhard
Nun ist der grausige
spukhafte Judengreis
endlich hinausgeschafft,
wir sind ihn los!

Kommissionsrat (laut)
Herr Edmund Lehsen, sie sind an der Reihe.

Edmund (hervor)
So ward's noch nicht entschieden,
noch lebt die Hoffnung mir;
verdreifacht führ ich sie in mir beständig
und Liebesglück ergreife ich eigenhändig.

(Er stürzt wahllos auf das dritte Kästchen, enthusia
stisch lesend:)

«Wer mich erwählt, dem wird geträumte Seligkeit!»
Während der Schlüssel gereicht und der Kasten geöffnet
wird, ertönt der unsichtbare Chor.)

«Ja, du trafst es, lies dein Glück
In der Schönsten Liebesblick.
Was da war, kommt nie zurück,
So will's irdisches Geschick.
Was dein Traum erfüllen muß,
Lehrt dich der Geliebten Kuß.»

(Edmund und Albertine fallen sich in die Arme.)

Albertine, Goldschmied, Edmund, Kommissionsrat
Alles hat sich wohl gefügt,
Liebe hat allein gesiegt:
jeder einzle hat beglückt
seines Wesens Frucht gepflückt.

Leonhard
(indem er Edmund am Arm faßt und mit sich zieht,
sehr entschieden:)

Nun fort, nach Rom!

Unsichtbarer Chor
Nun fort nach Rom!

(Sie gehen hinaus - Albertine und Kommissionsrat eilen (an das Fenster und winken zum Abschied mit Tüchern.

Ende

*) Die dem Chore zugewiesenen Strophen sind wörtlich dem Originale E.T.A. Hoffmanns entnommen.

(Juni 1906. Endgültige Redaktion: März 1909)