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FRANZ WELSER-MÖST
UND «DIE TOTE STADT»
VON ERICH WOLFGANG KORNGOLD
Testo pubblicato per
gentile concessione della direzione della Dramaturgie
che il curatore di questa Web Site ringrazia
di cuore.
© Opernhaus
Zürich
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Den sensationellen Erfolg, den Korngold seinerzeit mit der
«Toten Stadt» erntete, erklärt Franz Welser-Möst
damit, dass der Komponist sehr genau den Nerv der damaligen Zeit
traf, in der sich eine gewisse Orientierungslosigkeit bemerkbar
machte. Er bediente Sehnsüchte einer vom Krieg gezeichneten
Generation, in der sich Trauer um Verlorenes mit dem Wunsch nach
Bewältigung der Vergangenheit mischten. So schreibt Korgold
u.a., ihn habe «der Kampf der erotischen Macht der lebenden
Frau gegen die nachwirkende seelische Macht der Toten, die tiefere
Grundidee des Kampfes zwischen Leben und Tod überhaupt,
insbesondere der schöne Gedanke notwendiger Eindämmung der
Trauer um teure Tote durch die Rechte des Lebens» an diesem
Stoff angezogen.
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Erstaunlich ist es für den Dirigenten, dass schon in
diesem frühen Werk alles enthalten ist, was auch die
späteren Werke kennzeichnet etwa die rund dreissig Jahre
danach in Hollywood komponierte Symphonie in Fis, die er zusammen mit
Mariettas Lied und Liedern des 14jährigen Komponisten auf Platte
eingespielt hat. Da lässt sich kein stilistischer Unterschied
erkennen. Die Partitur der Oper ist handwerklich hervorragend und
sie ist elendiglich schwer für alle Beteiligten. Eine
einzelne Orchesterstimme sei, wie ein Kollege bemerkte, komplizierter
als der gesamte Klavierauszug. Von den technisch hohen Anforderungen
abgesehen, bedarf es grösster Aufmerksamkeit, um die schnell
wechselnden Rhythmen, von denen zumeist mehrere übereinander gelagert
sind, oder die minutiös festgelegten dynamischen Vorschriften
exakt auszuführen.
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So kompliziert die Partitur ist, so genau muss man sein, um
der Gefahr der Einebnung zu entgehen, denn sonst hat man schnell die
berühmte «dicke Sauce». So sehr man auch geneigt
sein mag, das Werk mit seinen Puccini- und Straussanklängen der
Spätromantik zuzurechnen, so sehr neigt es sich auch dem
Impressionismus etwa eines Ravel zu. Und es erstaunt, dass bei dem
ungeheueren Orchesterapparat und den «Millionen von
Noten» es zu keinen Problemen mit der Lautstärke kommt.
Korngold hat ein ungeheuer schillerndes Werk geschrieben, das man mit
dem Wort «raffiniert» vielleicht am Treffendsten
charakterisiert. Wie ein Zauberkünstler weckt er Illusionen,
scheut auch nicht den Effekt und entspricht damit den Forderungen,
die sein Vater Julius Korngold an die modernen Opernschaffenden
stellte: «Unerlässlich auch, dass sich die Oper nicht zu
weit in Künstlichkeit verirre, nicht den Boden des
Volkstümlichen unter sich verliere. Sie ist und bleibt die
Stätte sinnlicher Fassbarkeiten, an die Lebensnotwendigkeiten
des Theaters mehr gebunden als andere dramatische Gattungen. [S]
Opernmusik, die wahre und echte Theatermusik ist, die Szene sieht,
sich auf den Theatereffekt versteht, hört darum noch nicht auf,
wahre und echte dramatische Musik zu sein, sofern sich nur elementare
Kraft, Gefühl und Leidenschaft, das Vermögen der Gestaltung
und Charakterisierung in ihr aussprechen.»
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Die Musik der «Toten Stadt» ist ausgesprochen
bildhaft und von unmittelbarer Wirkung, und es ist bestimmt kein
Zufall, dass der Komponist zum Pionier auf dem Gebiet der Filmmusik
wurde. Zwar wollte er, wie auch etwa Franz Lehár oder Johann
Strauss, in den letzten Jahren seines Lebens der «leichten
Muse» entkommen, etwa mit der erwähnten Symphonie den
Beweis antreten, ein «ernsthafter» Komponist zu sein,
doch schon die «Tote Stadt» erinnert in vielen Passagen,
etwa dem Beginn der ersten Szene des zweiten Aktes an den
späteren Hollywood-Komponisten.
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Und das sollte man weder belächeln noch negativ
bewerten, zumal in Anbetracht des hohen Stellenwertes, das dieses
Medium besitzt. Gerade in den letzten Jahren lässt sich
vorwiegend bei amerikanischen Komponisten wieder ein Rückbezug
auf den Film als Inspirationsquelle beobachten, und es scheint kein
Zufall, dass «Die tote Stadt» derzeit regelrecht
boomt.
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Den ersten Anstoss zur «Toten Stadt» als
Opernsujet gab der Shaw-Übersetzer Siegfried Trebitsch, der die
Korngolds auf den Roman «Bruges-la-Morte» (1892) von
Georges Rodenbach aufmerksam machte. Dieser erzählt von einem
Witwer, der sich in der sittenstrengen und katholischen, der toten
Stadt Brügge ganz der Erinnerung an seine verstorbene Frau
hingibt, ihr Andenken in Form von Reliquien etwa ihrem
goldenen Haar bewahrt und pflegt. Seine Ruhe wird jäh
gestört, als er in einer Tänzerin, die er in «Robert
le diable» als vom Grabe auferstandene Helena erlebt, eine
Wiedergängerin seiner Frau zu erkennen glaubt. Er macht sie zu
seiner Geliebten in dem Wahn, seiner Frau damit weiterhin die Treue
zu halten. Doch der Selbstbetrug wird bald offenbar, als er des
vulgären Wesens der Tänzerin gewahr wird. Selbst ihr
goldenes Haar ist nur gefärbt. Doppeltes Schuldbewusstsein
quält ihn nun: Verrat an der Toten und sündiger
Lebenswandel. Als die Tänzerin sich in einer heftigen
Auseinandersetzung des Haares seiner Toten bemächtigt,
erdrosselt er sie damit.
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Dieser Roman aus der Zeit des Spätsymbolismus und der
Décadence-Literatur, der vor allem von mystischen Bildern und
atmosphärischen Stimmungen lebt, wurde auch in einer
dramatisierten Fassung unter dem Titel «Le Mirage» im
Nachlass des 1898 verstorbenen belgischen Poeten aufgefunden. In
Trebitschs deutscher Übertragung als «Die stille
Stadt» bzw. «Das Trugbild» war das Drama 1903 in
Berlin zur Aufführung gelangt.
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