Martina
WEINDEL

ANMERKUNGEN
ZU BUSONIS ÄSTHETIK
von Martina Weindel


140-41

ZEILE

Das Verständnis von einer 'freien' Musik kommt ebenso in dem Beitrag »Kunst und Technik« (August 1909) zum Ausdruck: »Die Kunst - namentlich die Tonkunst verlangt nach Freiheit der Bewegung. Sie hat bisher den grössten Teil ihrer Kraft daran wenden müssen, materielle Hindernisse zu überwinden« (VE, S. 105). Bereits in seinem Brief vom 7. Januar 1907 an Robert Freund weist Busoni nachdrücklich darauf hin: »Ich spreche aber nicht von Formlosigkeit, sondern von überlieferten Formen, die man abstreifen soll, und davon dass jeder Einfall wieder eine neue Gestaltung erfordert« (BS, S. 199). In entsprechender Weise präzisiert er später: »Mit Freiheit der Form meinte ich nie Formlosigkeit [...]. Die Anarchie ist nicht mit dem Zustande der Freiheit zu identifizieren, weil in der Anarchie jedes Individuum vom anderen bedroht wird. Grossherzigkeit sei nicht Verschwendungssucht und zwanglose Liebe keine Prostitution. Und wiederum: Ein guter Einfall ist noch keine Kunstschöpfung« (Offener Musikbrief, Januar 1922, VE, S. 348).
145-46
In bezug auf die Flexibilität von Musik äussert Busoni ebenso: »Es ist erstaunlich, wie wenig die Musik von menschlichen Konventionen weiss [...] und wie sie dank ihrer Neutralität sich überall anpasst und anschrniegt!« (Entwurf eines Vorwortes zur Partitur des 'Doktor Faust'..., August, 1921, VE, S. 312).
152
Seiner Frau schreibt Busoni am 30. März 1904: »Die Musik ist nach meinem Empfinden dem abstraktem Sinne am nächsten [...]. Die Musik ist am meisten der Natur verwandt, aber nicht ihren Formen, sondern ihrem Wesen (BF, S. 91). In der Abhandlung Entwurf eines Vorwortes zur Partitur des 'Doktor Faust'... (August 1921) bezeichnet er das Wesen der Musik als 'rein abstrakt' (vgl. VE, S. 319).
166
Unter absoluter Musik versteht Busoni: »Nicht Tiefsinn und Gesinnung und Metaphysik; sondern: - Musik durchaus destilliert, niemals unter der Maske von Figuren und Begriffen, die anderen Bezirken entlehnt sind. Menschliches Empfinden - aber nicht menschliche Angelegenheiten - und auch dieses in den Massen des Künstlerischen ausgedrückt« (Junge Klassizität, Januar 1920, VE, S. 278f.). Vgl. dazu ebenso Kommentar zu Z. 229-32.
183-87
Über das Verhältnis von Umwelt und Empfindungsausdruch schreibt Busoni: »Und nun leuchtet auf die Erkenntnis dessen, das über Schönheit und Vollkommenheit und Kuriosität steht, das ist, des Ausdruckes, den das äussere Leben in den inneren Menschen getragen und der je nach Art des Menschen, wieder nach aussen dringt« ("Gedanken über den Ausdruck in der Architektur", Frühling 1916, VE, S. 233).