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Peter Straka

 

Ein letztes Mal versucht Dr. Schön Lulu aus seinem Leben zu drängen: Er hat sie alsTänzerin in einem Theater untergebracht in der Hoffnung, es könnte sich ein reicher Freier für sie finden. Für die Revue, in der Lulu auftritt, hat Schöns Sohn Alwa die Musik komponiert. «Wir können sicher sein, dass ein Mensch, der so sehr wie Berg in Chiffrensymbolik aller Art lebte, von dem Gleichklang der Namen Alwa und Alban aufs tiefste erschüttert sein mochte» konstatierte schon Ernst Krenek und in der Tat gibt es viele Hinweise darauf, dass Berg mit dem Komponisten Alwa - bei Wedekind ein Schriftsteller - ein Selbstportrait schuf. U.a. hat er das mit einem jener Zitate zu verstehen gegeben, die er gern in seine Par-tituren einschmuggelte: Alwas Überlegung «Über die [Lulu] liesse sich freilich eine interessante Oper schreiben» wird mit dem Zitat des Anfangs von «Wozzeck» untermalt.
Peter Straka empfindet die Partie des Alwa als zutiefst romantisch, wie er denn Bergs «Lulu» in direkter Nähe zur Ausdruckswelt Gustav Mahlers ortet. Im Ungewissen bleibt, ob Alwas schwärmerisch geäusserte Leidenschaft der leibhaftigen Lulu gilt oder dem Bild, das er sich von ihr in seiner Jugend schuf, in der sie «wie Bruder und Schwester nebeneinander aufgewachsen» sind und er in Lulu «etwas so unendlich hoch über mir Stehendes» sah. Er sublimiert die Gefüble, die er Lulu ein Leben lang gleichbleibend entgegenbringt, mit seiner Kunst. Im Theater kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung: Lulu weigert sich zu tanzen, als sie Dr. Schön mit seiner Braut im
Publikum erblickt. Sie fingiert einen Ohnmachtsanfall und zwingt ihn, seine Verlobung aufzulösen: Der Machtmensch, der alle Möglichkeiten zur Manipulation im Rahmen der Gesellschaft einzusetzen versteht, scheitert an der Machtlosigkeit über sich selbst. Hilflos unterschreibt er sein «Todesurteil». Lulu heiratet ihn. Indem Dr. Schön Lulu nicht entbehren kann, gerät er in ihre Abhängigkeit: In seinem Haus empfängt sie ihm suspekte Gestalten.
© Magazin Opernhaus Zürich. Testo pubblicato con il consenso scritto della direzione della Dramaturgie.